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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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ISABELLE FROHNE-HAGEMANN<br />

gehe mit dem Bogen in den Wald, wo ich ihn allein feierlich begrabe. Es ist sehr<br />

ernst."<br />

Ich lasse Lene ihren Traum wieder langsam erzählen. Auf die Frage, was für sie<br />

wichtig sei, meint sie, die Männer seien "ohnehin schon durchschaut". Im<br />

Vordergrund stünde das Begräbnis.<br />

Während sie spricht, hält sie die ganze Zeit einen Schlegel in der Hand, den sie<br />

hin und her wendet. Ich nehme dies als Botschaft, dass der Geigenbogen eine<br />

Schlüsselrolle spielt. Ich frage, ob sie mit dem Geigenbogen noch mal - so wie im<br />

Traum- die Musik spielen könne, aber nur innerlich, hier im Raum. Sie nickt. Lene<br />

sitzt mit dem Bogen in der Hand und hört der Musik in ihr selbst zu, während es in<br />

der Gruppe mucksmäuschenstill ist. Es breitet sich in der ganzen Gruppe eine<br />

Atmosphäre aus, wie sie entsteht, wenn Innerliches gehört wird. Ich frage nach<br />

einer langen Weile, ob wir die Musik mitspielen dürfen, lasse sie spüren, dass wir<br />

ihre Musik hören können, dass wir also ganz dabei sind und ihre Gefühle teilen<br />

können. Da weint sie bitterlich. Seit ihrem schweren Unfall kann sie hier unter uns<br />

und mit uns zum ersten Mal weinen. Die Gruppe improvisiert eine sehr<br />

mitfühlende Trauermusik. Es ist für Lene, aber auch für alle anderen eine ganz tiefe<br />

gemeinsame Erfahrung, die Not teilen zu können<br />

Die musiktherapeutische Traumbearbeitung bestand hier aus zwei<br />

Komponenten: Stille teilen und dem Unhörbaren empathisch Ausdruck verleihen.<br />

Dies ermöglichte auf eine ganz berührende Weise Con-sens, geteilten Sinn darin,<br />

dass wir Menschen das Dazwischen gefühlsmäßig teilen können und dass geteiltes<br />

Leid vielleicht halbes Leid wird. Die Traumbearbeitung mag äußerlich gesehen<br />

unspektakulär erscheinen, sie hatte jedoch viel mehr Bedeutung als Worte jemals<br />

haben könnten.<br />

In dieser Traumbearbeitung trat m.E. das intersubjektive Moment als<br />

therapeutische Erfahrung in der Vordergrund. Dadurch konnte auch der Verlust der<br />

Unversehrtheit betrauert werden.<br />

Tinas Traum (ca. 30 Jahre)<br />

"Ich stehe in einem Badezimmer vorm Waschbecken und merke, dass mir<br />

Schleim hochkommt und dass ich etwas ausspucken muss. Ich finde das ekelig, weiß<br />

aber, dass es mir dann besser geht.<br />

Ich spucke 2 mal aus und sehe in dem weißlichen Schleim ein Insekt, flach, silbrigweiß,<br />

2 x 4 mm groß, mit vielen Beinen (so was lebt in Kellern). Ich bin entsetzt und<br />

besorgt, dass ich nicht ganz normal sein könnte und gehe zu einem Arzt, einem<br />

Mann, der Arzt sein soll. Der sagt: „das ist ganz normal, alle Menschen haben<br />

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