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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Der Stellenwert des „Dritten“<br />

In einem wesentlichen Punkt allerdings unterscheiden sich wiederum die erwachsenen<br />

Patienten im Durchgangssyndrom von Kindern: Sie haben eine Vergangenheit,<br />

in der sie ihre Gefühle kontrollieren und reflektieren, ihr Verhalten an die äußeren<br />

Gegebenheiten anpassen konnten. Die Erwartungen der Umwelt an ihr weiterhin<br />

adäquates Verhalten – weil sie ja Erwachsene sind – bleibt bestehen. Sie<br />

selbst werden umso verwirrter, je mehr ihr Verhalten von diesen Erwartungen differiert,<br />

je mehr sie sich selbst nicht mehr verstehen, weil sie so anders sind als früher.<br />

Ihre Wachheit ist groß genug, um die Diskrepanz zwischen heute und früher zu<br />

fühlen, sie ist aber nicht groß genug, um zu verstehen, was sich ereignet hat. Dieses<br />

Ahnen des Andersseins unterscheidet sie von den Kindern und beschwert ihre Seele.<br />

Im Durchgangssyndrom ist man der Angst vehement ausgeliefert, ihre Integration<br />

wird durch die Unfähigkeit <strong>zur</strong> Reflexion verhindert (vgl. Prosiegel, 1988 , S. 64)<br />

Beziehungsdynamik bei Destruktivität<br />

Der <strong>zur</strong> Destruktivität neigende Klient erlebt sich als ohnmächtig, erniedrigt,<br />

minderwertig, abhängig und sozial nicht anerkannt. Der Therapeut ist in seinen Augen<br />

ein Symbol für Unversehrtheit, Macht, Autonomie, Leistungsfähigkeit und damit<br />

verbundener sozialer Anerkennung. Psychodynamisch gesehen, muß sich auf<br />

der Seite des Klienten Neid auf die Symbolfigur "Therapeut" entwickeln, denn der<br />

vereinigt in sich alle die positiven Eigenschaften, die dem Klienten abrupt abhanden<br />

gekommen sind. Der Neid setzt den Wunsch nach Zerstörung dieser Symbolfigur<br />

frei. Der Therapeut wiederum gerät leicht in Ohnmachtsgefühle angesichts dieses<br />

massiven, vom Neid diktierten Gefühlschaos. Letztendlich erlebt er die gleiche<br />

Ohnmacht, aber nicht die gleiche Wut dem „Schicksal“ oder, anders ausgedrückt,<br />

der höheren Macht gegenüber wie der Klient. Zusätzlich entwickelt er möglicherweise<br />

auch noch Schuldgefühle auf Grund seiner real besseren Situation, auf die er<br />

wiederum keinen Einfluß hatte. Er steht hilflos der Frage gegenüber, warum es<br />

nicht ihn, sondern gerade den anderen getroffen hat. Mit diesem Schuldgefühl „Warum<br />

habe gerade ich das bessere Los gezogen?“ müssen z.B. bis heute – noch 5o<br />

Jahre später – die Holocaust-Überlebenden fertigwerden. Erst jetzt beginnen sie,<br />

darüber Zeugnis abzulegen, so schambesetzt ist offensichtlich das Gefühl, zu den<br />

Geretteten zu gehören.<br />

Der traumatisierte Klient verlangt indes sehr häufig von dem Therapeuten die<br />

Wiederherstellung alter Verhältnisse, was natürlich unmöglich ist. Die Kombination<br />

von Anspruchshaltung und Neid auf Seiten des Klienten sowie Ohnmachts- und<br />

Schuldgefühlen auf Seiten des Therapeuten erzeugt entweder Hilflosigkeit beim<br />

Therapeuten, was im Beziehungsgeschehen zu einer Blockade führen muß. Diese<br />

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