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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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LILIT SIMONIAN<br />

drei, vier oder sogar fünf Töne gleichwertig sind. Alexeew nennt das Koordination<br />

(z.B. in der Pentatonik) im Gegensatz zu Subordination der diatonischen Tonleiter<br />

(Alexeew 1986, S. 73).<br />

Obwohl wir eingestehen müssen, dass das Problem der Tonika in der<br />

Musikvolkskunde noch nicht gelöst ist, neigen wir <strong>zur</strong> Meinung, dass Diatonik in<br />

der Musik das philosophische Problem des Dualismus reflektiert (d.h. Dualismus<br />

von zwei Toniken: repercussa und finalis). Hier sehen wir auch wie der modellierende<br />

Archetyp `Dichotomie´ auf der Ebene der Tonleiter wirkt.<br />

Der Zwillingsarchetyp ist als zweifacher Held in Form von parallelen Terzen weit<br />

verbreitet. Das ist eigentlich der einzige Weg, die akustische Imperfektion dieses<br />

Tonabstandes (Helmholtz 1896) zu überwinden. Dieser Archetyp ist in<br />

mehrstimmiger Volksmusik europäischer wie afrikanischer und anderer Völker<br />

üblich. Es gibt in alter Musik die gymel-Mehrstimmigkeit. Das Wort bedeutet<br />

“Zwilling” und die Technik ist auf parallelen Terzen gegründet.<br />

Eine höchst interessante Dialektik von Quadrat und Kreis, die Jung nach einer<br />

bekannten Form “Mandala” nennt (siehe Jaffe 1998, S. 237), kommt in der<br />

vorherrschenden Form für Saiteninstrumente zum Ausdruck: Sie werden traditionell<br />

als Körper des Kosmos dargestellt - Leier und Kythara. Es gibt auch die<br />

Dichotomie der Schlagzeuge: Jene, welche eine Tonleiter haben sind quadratförmig,<br />

und die Idiophone mit unbestimmter Höhe sind rundförmig. Eine neuere<br />

Dichotomie ist b-moll und b-carre, d.h. si rund und si-quadrat.<br />

Noch eine bekannte und von Jung (1998, S. 104 ff.) erforschte Dichotomie von<br />

Trinität/Quaternität: in der Musik ist der Dreiertakt, Tempus perfectum, und der<br />

Vierviertel-Takt, Tempus imperfectum (Streich 1979, S. 136 f.). Dieser Archetyp ist auch<br />

in Orchestergruppen zu finden, etwa wenn drei Posaunen mit einer Tuba spielen.<br />

Der modellierende Archetyp der Dichotomie teilt die Musikwelt in duale Paare.<br />

Dies geschieht nicht nur in obgenannten Fällen, sondern beispielsweise auch bei<br />

akzentuierten versus nicht akzentuierten metrischen Einheiten bei gleichmäßigen<br />

versus ungleichmäßigen Tonleiter-Stufen, sowie auch bei archaischer<br />

Gegensätzlichkeit von Klangfarben und Lautstärken.<br />

Ein anderer wirksamer modellierender Archetyp ist der der Konvergenz. Ein<br />

interessantes Beispiel aus dem archaischen Modaldenken der Völker aus Nord-<br />

Russland kennt hier den archaischen Chromatismus. Diese Erscheinung besteht<br />

darin, dass die Wahrnehmungsgrenzen der akustischen und psychologischen<br />

Parameter eines Tonabstandes einander nicht entsprechen, womit sich die Intervalle<br />

“öffnen” und “schliessen”, gleichzeitig aber als dieselben wahrgenommen werden.<br />

(Alexeev 1976).<br />

Wir haben den englischen Namen `Quest´ (Suche) als Formel für das Forschen<br />

angenommen, weil sie den strukturellen Aspekt der Erscheinungen denotiert. Im<br />

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