29.05.2014 Aufrufe

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Körper - Atem – Musik<br />

sich diese elementaren Botschaften dennoch deutlich als Empfindung an den<br />

Wurzeln seiner Persönlichkeit aus und beeinflussen nachhaltig seine Entwicklung.<br />

Die moderne Säuglingsforschung betont die Kompetenz des Säuglings (Dornes<br />

1993). Bereits Spitz (1976) beschreibt, daß auf der Ebene nonverbaler<br />

Kommunikation Botschaften der Mutter durch Handlungen vermittelt werden, die<br />

der Säugling auf der Basis coenästhetischer Wahrnehmung aufnimmt und versteht.<br />

Zu dieser ganzheitlichen Wahrnehmungsform rechnet er Gleichgewicht,<br />

Körperspannung, Körperhaltung, Temperatur, Vibration, Haut- und<br />

Körperkontakt, Tempo, Dauer, Tonskala und Klangfarbe. Stern (1992) fand bei<br />

seinen Forschungen heraus, daß der Säugling aktiv Kommunikation steuern, d.h.<br />

einleiten, regulieren und beenden kann. Die entscheidende Rolle dabei spielen die<br />

sogenannten Vitalitätsaffekte, die unterschiedlichen Arten des Fühlens, die mit allen<br />

elementaren Vorgängen des Lebens verbunden sind. Als anschauliche Beispiele<br />

dafür nennt Stern abstrakten Tanz und Musik, wo es nicht um spezifische<br />

Gefühlsinhalte geht, sondern eine Art des Fühlens ausgedrückt werden soll. Der<br />

Säugling erlebt nach Stern in ähnlicher Weise seine soziale Welt als eine Welt der<br />

Vitalitätsaffekte, bevor sie sich zu einer Welt der formalen Handlungen entwickelt.<br />

In seinem Vortrag auf dem 8.Weltkongress für Musiktherapie in Hamburg 1996<br />

betonte er gerade die Bedeutung der akustischen Umwelt („sound environment“)<br />

und die Fähigkeit des Kindes, daraus verschiedene Strukturelemente zu erkennen,<br />

z.B. Dauer und Rhythmus, und darauf zu reagieren. Es läßt sich von daher gut<br />

verstehen, daß durch den therapeutischen Einsatz musikalischer Elemente tiefe<br />

Regression erreicht werden kann.<br />

Wenn die akustische und taktil-haptische Umwelt für den Säugling das<br />

Interaktionsfeld darstellt, in dem sich die Grundmuster seiner Persönlichkeit bilden,<br />

ist entscheidend dafür, wie der Kontakt zu den ersten Bezugspersonen hergestellt<br />

werden kann. Können sie sich in das frühkindliche Kommunikationsvermögen<br />

einfühlen? Oder fühlt sich das Kind „unerhört“ – mit allen Konsequenzen? Um in<br />

diesem Fall korrigierende Neuerfahrungen im therapeutischen Sinne zu<br />

ermöglichen, gilt es, Anschluß zu finden an diese Zeiträume und innere Prozesse zu<br />

dynamisieren. Die frühen Sinneseindrücke wurden vor der Bewußtseinsschwelle in<br />

sogenannten „Gedächtnisbanken des Gehirns“ gespeichert. Sie sind jedoch nicht<br />

primär durch den Verstand abrufbar, sondern dann, wenn eine dem frühen Erleben<br />

des Menschen analoge Situation experimentell angeboten wird (Loos 1996, S. 183).<br />

Akustische und taktil-haptische Erfahrungsangebote sind die idealen<br />

therapeutischen Zugangsmöglichkeiten, konkret also Elemente aus<br />

Körperwahrnehmung, Atemtherapie, rezeptiver und aktiver Musiktherapie.<br />

117

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!