29.05.2014 Aufrufe

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bin ich?<br />

bestärken sollten. Dennoch zeigte sich, daß Maria meist gespannt meinen Liedtexten<br />

lauschte, wesentlich intensiver, als wenn ich ohne Worte sang. Sie reagierte auch auf<br />

Textinhalte, die sie nicht hören wollte z.B. mit Zähneknirschen, oder auch auf<br />

treffend-erkennende Inhalte mit Lächeln. Wenn man der Theorie von Bruno (1986,<br />

zit. nach Morelle, 1997) folgt, daß geistige Behinderung als Widerstand gegen<br />

Wissen verstanden werden kann, so konnte Maria in diesen Situationen ein<br />

Stückchen ihres Widerstandes aufgeben. Offensichtlich genoß sie die körperliche<br />

und musikalische Verbundenheit, das Eingehülltsein in Nähe und Klänge. Meist<br />

verwendete ich meine Stimme, manchmal, wenn es die körperliche Situation zuließ,<br />

auch mit Begleitung durch die Gitarre oder das Klavier. So war es zu jener Zeit<br />

stimmig.<br />

Symbolisierung<br />

Während des Therapieverlaufes werden die Quellen für<br />

Interpretationsmöglichkeiten neben denen der Resonanz und Gegenübertragung<br />

noch reichhaltiger. Hinweise darauf, daß die Aktivitäten der TherapeutIn<br />

wahrgenommen werden, verstärken sich, die Hinwendung <strong>zur</strong> Außenwelt wird<br />

intensiver.<br />

Das Erleben der Stimmigkeit im Miteinander ist eine der Grundvoraussetzungen<br />

dafür, daß symbolisierungsfähige Introjektionen entstehen können. Introjizierte<br />

Symbole, wie z.B. Musik oder Klang, erlauben einer Person sich selbst<br />

differenzierter wahrzunehmen. Für geistig behinderte KlientInnen ist dies von<br />

besonderer Bedeutung, da durch die Fähigkeit Symbole zu introjizieren ein<br />

intrapsychischer Raum geschaffen wird, der es ihnen ermöglicht sich nicht nur als<br />

bloßen Körper zu erleben. Die differenziertere Wahrnehmung zwischen<br />

symbolischem und realem Körper schafft Raum für das ansonsten so<br />

vernachlässigte geistig-symbolische Selbst.<br />

In einer Stunde, die wir in einer Hängematte verbrachten, suchte Maria so<br />

intensiven Körperkontakt, daß sie mich völlig bewegungsunfähig machte und auch<br />

unfähig, die Gitarre – welche die Dritte im Bunde sein sollte – zu spielen. Nach ca.<br />

zwanzig Minuten wurde mir so schlecht, daß ich aufstehen und mich neben die<br />

Hängematte setzen mußte. Maria stank plötzlich so ekelerregend, daß ich mich fast<br />

übergeben mußte. Ich spürte massiven Widerwillen gegen die symbiotische Nähe,<br />

ich wollte nicht ausgesaugt werden. Vielleicht war es auch ihr zu nahe und sie hatte<br />

kein anderes Mittel es mir mitzuteilen, als durch Geruch. War dies der körperliche<br />

Ausdruck ihrer Aggression, ihrer Wut darüber, daß ich nicht wußte, daß sie aus<br />

dieser intensiven Nähe ausbrechen wollte? Nach einer kurzen Phase der<br />

211

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!