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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Gruppen<strong>musiktherapie</strong> in der stationären Jugendpsychiatrie<br />

Gruppenmitglieder im gleichen Raum wurden gegensätzliche Bedürfnisse nicht nur<br />

toleriert sondern ein sozialer Raum geschaffen, in dem aus dem sich<br />

ausschliessenden Gegeneinander ein Miteinander entstehen konnte.<br />

Worin liegt nun das spezifische Potential musiktherapeutischer Arbeit für<br />

diese Jugendlichen?<br />

Ich spreche hier von Jugendlichen, denen es an inneren und äusseren Strukturen<br />

mangelte; so litten sie an basalen Störungen der Selbst- und Affektorganisation, und<br />

sie sind aus den sozialen Strukturen (Familie, Schule, peergroup, altersadäquate<br />

Sozialisation) herausgefallen. Ihre Zukunftsperspektive ist aufgrund dieser Defizite<br />

und aufgrund der gesellschaftlichen Situation sehr beeinträchtigt. Ihre<br />

Therapiemotivation ist zudem sehr marginal (Kinder- und Jugendpsychiatrie erleben<br />

viele als Stigma, „Therapie“ ist schon deshalb ein Reizwort, weil es an die grosse<br />

Kränkung, therapiebedürftig zu sein, rührt.) Das heisst, eine therapeutische Arbeit<br />

muss bei den vorhandenen Fähigkeiten der Jugendlichen ansetzen, um die<br />

Jugendlichen überhaupt zu erreichen. Überhöhte psychotherapeutische<br />

Zielsetzungen, die diesem Umstand nicht Rechnung tragen, verfehlen von<br />

vornherein ihr Ziel. Ich ging in der musiktherapeutischen Arbeit von einem basalen<br />

Ziel aus, nämlich, den Jugendlichen einen geschützten Raum anzubieten, in welchem<br />

sie es überhaupt aushielten, innerhalb eines räumlichen und zeitlichen Rahmens in<br />

einer Gruppe zusammen zu sein und miteinander etwas zu tun. „Musik“ bietet sich als<br />

Medium an, weil es für die Jugendlichen attraktiv und meist lustvoll besetzt ist, weil<br />

es vorerst von der Zentrierung auf ihre Problematik und Pathologie ablenkt und so<br />

den Aufbau einer notwendigen Therapiemotivation erleichtert, weil die<br />

Jugendlichen selbst diesem Medium eine Bedeutung verleihen (vgl. die wichtige<br />

Bedeutung von Musik in jeder Jugendkultur).<br />

In der Arbeit mit dem Medium Musik kann ich einen Raum <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stellen, der gleichermassen dem Bedürfnis nach Rückzug/Regression und einem<br />

eigenen, abgegrenzten „Safe Place“ Rechnung trägt, wie auch das Erfahren und<br />

Entwickeln basaler sozialer Fertigkeiten ermöglicht und dem Herstellen einer<br />

basalen Dialogfähigkeit als notwendige Voraussetzung sozialer Kommunikation<br />

dient. Wo die verbale Sprache nur ein Nacheinander zulässt, wenn sinnvolle soziale<br />

Kommunikation entstehen soll, ist in der Musik bzw. der freien musikalischen<br />

Improvisation im Sinne der „Mehrstimmigkeit“ gleichzeitiges „Sprechen“ möglich.<br />

Solche Erfahrungen beinhalten das Entwicklungspotential für die allmähliche<br />

Herausbildung von diskursiver Logik.<br />

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