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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Musik im Traum<br />

sie in der Nazi-Zeit aus Berlin emigrierten, höchst anerkannte Psychiater und Psychotherapeuten<br />

dieser Stadt. Es ging dort, so berichtete James Kirsch der Autorin, das geflügelte Wort um: „Sind’s<br />

die Augen, geh‘ zu Ruhnke (ein seinerzeit sehr berühmter Optiker in Berlin, wo noch heute eine<br />

Ladenkette nach ihm benannt ist). Ist’s die Birne (=Kopf), geh‘ zu Kirsch.“ Beide luden die Autorin<br />

und ihren Mann zu Vorträgen nach Los Angeles ein und jedes Mal, wenn sie nach Deutschland<br />

reisten, brachten sie bei ihrem Besuch neue Musik-Träume mit, um diese, wie folgt, von der<br />

Autorin erläutern zu lassen.<br />

6. Der Traum von den Hafenarbeitern<br />

Ein amerikanischer Literat (68jährig) hatte an einem entscheidenden Wendepunkt<br />

seines Lebens einen Traum, der ihn tief beeindruckte und sozusagen „wachtrompetete“.<br />

Er nannte ihn „The Dock Workers‘ Dream“; hier in neuer deutscher<br />

Übersetzung:<br />

„Nächtlicher Schauplatz ist das New Yorker Hafenviertel, wo ein temperamentvolles<br />

Gewerkschaftstreffen und Fest in einem stattfindet. Anwesend sind Hafenarbeiter<br />

– weisse und schwarze – und deren Söhne. Dann beginnt plötzlich, im Vordergrund,<br />

einer der Schwarzen in leitender Funktion auf seiner glänzend polierten<br />

Trompete zu blasen. Die Musik ist Jazz – hinreissend improvisierter Jazz. Unverzüglich<br />

höre ich eine Trompete reagieren– weiter weg und näher am Wasser – von<br />

einem der wichtigen weissen Hafenarbeiter her. Und wie die Musik so zwischen<br />

den beiden Männern hin- und herströmt, merke ich, dass sie im Gespräch sind,<br />

dass sie liebevoll und gutmütig miteinander reden. Diese musikalische Zwiesprache<br />

bewegt mich tief – und plötzlich fallen noch zwei Trompeten ein – ihre Söhne. Und<br />

Rede und Widerrede strömen daher in dynamischem Jazz. Und dann hebt der<br />

schwarze Trompeter im Vordergrund sein Instrument auf zum schwarzen, sternenleeren<br />

Nachthimmel, und ich sehe ganz konkret die Noten aus seinem Horn herausgleiten<br />

und sich einpflanzen in die Schwärze der Nacht. Und mir schiesst der<br />

Satz durch den Kopf „In den Wind geschrieben in Gold ....“. – Ein begeisternder<br />

Traum.“<br />

Trompeten in den Träumen weisen häufig hin auf eine Wende, auf den Beginn<br />

eines Neuen und das Ende eines Vergangenen. Sie gelten seit alters (ähnlich wie<br />

Posaunen und Hörner) als Unheil abwehrend und heilsbringend zugleich und stehen<br />

in enger Verbindung zu endzeitlichen Vorstellungen vom Vergehen und Neuwerden<br />

alles Geschaffenen.<br />

Der vorliegende Traum initiierte auf musikalische Art eine neue Phase der inneren<br />

Entwicklung des Träumers, in der es um das harmonikale und zugleich höchst<br />

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