wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag
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ELENA FITZTHUM<br />
seiner Strukturanalyse noch weiter. Er vermutet, daß die Formensprache unserer<br />
Musik, vor allem ab dem 17. Jahrhundert, als die Mythen in den Hintergrund<br />
rückten, aus den Mythen entlehnt ist. Unter diesem Aspekt ist eine Fuge Bachs einer<br />
bestimmten Form des Mythos entlehnt: sie ähnelt jenem Mythen, in denen zwei<br />
Personen(-gruppen) vorkommen, eine Gut, eine Böse. Die Gruppe B flüchtet vor<br />
der Gruppe A, manchmal wird B fast von A eingeholt, manchmal muß auch A<br />
fliehen. „ Die Antithese zieht sich durch die gesamte Erzählung hindurch, bis beide<br />
Gruppen nahezu vollständig vermischt und durcheinander gebracht sind - das<br />
entspricht dem Stretta der Fuge.“ (Lévi Strauss, 1996, ebd.). Am Ende vereinigen<br />
sich die unterschiedlichen Kräfte. Im Mythos geschieht dies durch eine tatsächliche<br />
Vereinigung dieser Kräfte, in der Musik wird die Vereinigung durch den<br />
Abschlußakkord symbolisiert: hier erklingt die Zusammensetzung aller<br />
unterschiedlichen Teile.<br />
Eine weitere Parallele bezüglich Kontiguität und Kontinuität sei hier noch<br />
hinzugefügt . Pythagoras, so Empedokles (zit. nach Eliade, 1961, S. 58), sehe nach<br />
sorgfältiger Übung, und dies war Aufgabe der pythagoräischen Bruderschaft, 10 bis<br />
20 <strong>zur</strong>ückliegende menschliche Existenzen vor sich. Ein Komponist, bevor er <strong>zur</strong><br />
Komposition schreitet, hört alle Orchesterstimmen in ihrer Gesamtheit<br />
(gleichzeitig). Sollte nicht der Psychotherapeut die Fülle aller Lebensthemen des<br />
Patienten in ihrer Gesamtheit spüren, wer denn sonst als der Musiktherapeut kann<br />
diese Themen in der improvisierten Musik des Patienten identifizieren und<br />
erspüren. Sozusagen in der fließenden Rekonstruktion das Gegenüber in sich<br />
erklingen lassen. Ist das nicht die Resonanzfähigkeit des Heilens. Der Therapeut als<br />
Resonanzkörper, der Patient, der im Gegenüber sein Sein erspürt. Nie erlebte<br />
Resonanz, die krank gemacht hat. Neu erlebte Resonanz, die heilen hilft.<br />
Die Partitur - Ein Beispiel für Komplexität, Verdichtung, Gleichzeitigkeit -<br />
Die Analogie von Lebenspanorama, Therapiepanorama und Partitur<br />
Zwischen der Musik und der Psychotherapie im allgemeinen sowie der<br />
Musiktherapie im besonderen bestehen zahlreiche Analogien. In der Literatur wird<br />
immer wieder die Verwandtschaft von Künstler und Therapeut beschrieben, es wird<br />
der Therapeut mit dem Künstler verglichen. Letzendlich ist es der schöpferische<br />
Akt, der das Schaffen eines Werkes mit der Intervention eines Therapeuten<br />
verbindet. Trotz eines hohen Maßes an Bildung und handwerklichen Fertigkeiten ist<br />
es die Intuition, die im Moment des Schaffens, des In-Kontakt-Tretens, den<br />
„Schaffenden“ lenkt. Für die Musiktherapie eine Selbstverständlichkeit, man denke<br />
nur an die Gemeinsamkeiten von musikalischer Improvisation und künstlerischem<br />
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