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Scientology - Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will - Projekt ...

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Spielplatz zu gelangen. 27<br />

Von <strong>Scientology</strong> war höchstens noch einmal <strong>die</strong><br />

Rede, wenn Cruise nächtens an <strong>die</strong> Pforte <strong>der</strong> neuen Deutschlandzentrale seiner<br />

Sekte am Ernst-Reuter-Platz klopfte, um sich »geistig beraten« zu lassen.<br />

Ja, es war <strong>Scientology</strong>-Sommer in Berlin. Die Rekrutierer auf dem Alexan<strong>der</strong>platz<br />

sonnten sich im Glanz ihres »Botschafters« und agierten aggressiv wie<br />

lange nicht mehr. Sie konnten sogar auf eine ganz und gar unerwartete Unterstützung<br />

bauen: <strong>die</strong> Bild-Zeitung, bislang einer ihrer schärfsten Kritiker.<br />

Das einflussreiche Boulevardblatt, mit rund vier Millionen Exemplaren täglich<br />

<strong>die</strong> auflagenstärkste Zeitung Europas, konvertierte in jenen Wochen zum<br />

Tom-Cruise-Jubelorgan. Bild-Reporter Norbert Körzdörfer schwärmte in seinen<br />

Artikeln untertänigst vom »Mega-Star« und »Super-Daddy«, und er durfte<br />

sogar aufs Foto mit seiner »Ikone« (»Arme wie ein Samurai. Zähne wie Marmor«).<br />

28<br />

Drei Jahre zuvor hatte Körzdörfer schon einmal eine haarsträubende<br />

Lobhudelei auf Tom Cruise und <strong>die</strong> berüchtigte <strong>Scientology</strong>-Tarnorganisation<br />

Narconon abgeliefert, eine angebliche Drogenhilfe, <strong>der</strong> ehemalige Klienten in<br />

einem Artikel des Spiegels »folterähnliche Rituale« vorwarfen. 29<br />

Aber das Sommertheater um Tom Cruise, Graf Stauffenberg und <strong>Scientology</strong><br />

hielt noch eine Steigerung bereit. Die seriöse Frankfurter Allgemeine begleitete<br />

<strong>die</strong> Dreharbeiten, als sei sie <strong>die</strong> PR-Agentur des United-Artists-Studios. 30<br />

Da war es Ehrensache, dass <strong>der</strong> FAZ-Herausgeber persönlich das Gespräch mit<br />

dem Hauptdarsteller führte. Nach einer Visite am Set und dem Genuss einer<br />

»wirklich unfassbaren und unvergessuchen Torte« donnerte Frank Schirrmacher<br />

in unfrei<strong>will</strong>ig komischer Inbrunst, <strong>die</strong>ser Film werde »Deutschland<br />

mehr verän<strong>der</strong>n als irgendein an<strong>der</strong>er denkbarer Film <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte«<br />

und »das historische Bild Deutschlands in vielen Län<strong>der</strong>n prägen«. Zum<br />

Schluss for<strong>der</strong>te er erneut, <strong>die</strong> Dreharbeiten im Bendlerblock zuzulassen.<br />

Dass dem FAZ-Mann <strong>die</strong> Pferde durchgingen und er eine angesehene Zeitung<br />

mit seinen <strong>will</strong>fährigen Elogen <strong>der</strong> Lächerlichkeit preisgab, registrierten<br />

nur wenige mediale Beobachter. <strong>Wie</strong> auch, ihm gelang ein Coup, den sich je<strong>der</strong><br />

Journalist erträumt: Der Verteidigungsminister knickte ein, Tom Cruise<br />

durfte am 21. September am historischen Ort drehen.<br />

Bild vermeldete das Ereignis als Erste: »EXKLUSIV! Tom Cruise darf im<br />

Bendlerblock drehen!« 31<br />

Frank Schirrmacher anschließend, emphatisch: »Gelingt<br />

<strong>der</strong> Film, wird <strong>der</strong> Bendlerblock in Berlin von einem Ort des staatlichen<br />

Gedenkens zu einem <strong>der</strong> meistbesuchten Mahnmale des Landes, zu einem<br />

Ort jedes Einzelnen werden können.« 32<br />

Die Vorleistungen <strong>der</strong> FAZ wurden<br />

aufs Prächtigste erwi<strong>der</strong>t, als Schirrmacher deutschlandexklusiv Zutritt zum<br />

Filmset bekam, worum sich Dutzende an<strong>der</strong>er Me<strong>die</strong>n vergeblich bemüht<br />

hatten. Der FAZ-Herausgeber durfte <strong>der</strong> historischen Nacht beiwohnen, als<br />

Claus von Stauffenberg alias Tom Cruise erschossen wurde. Es war ein warmer<br />

Sommerabend, Zuschauer hatten sich vor Absperrungen eingefunden,<br />

21

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