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Scientology - Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will - Projekt ...

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9oer Jahren bestellten fast sämtliche europäischen Län<strong>der</strong> Sektenbeauftragte<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Kontrollinstanzen. Sie alle kämpften heftig mit dem Dilemma,<br />

wie <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Staat seinen Bürgern <strong>die</strong> Religionsfreiheit garantieren und<br />

sie gleichzeitig vor schädlichen Einflüssen manipulativer Gruppen bewahren<br />

kann. Die Vorreiter eines härteren Vorgehens waren Frankreich, Deutschland,<br />

Österreich und Belgien, jedes Land auf seine Weise. Frankreich und Belgien<br />

setzten auf einen Mix aus Gesetzen und staatlicher Repression, während<br />

Deutschland und Österreich mit administrativen Maßnahmen reagierten -<br />

<strong>der</strong> Überwachung durch den Verfassungsschutz und <strong>der</strong> »Technologieerklärung«<br />

beispielsweise. Am weitesten gingen zweifellos <strong>die</strong> Franzosen, <strong>der</strong>en<br />

Nationalversammlung im Mai 1996 eine Interministerielle Mission zur Bekämpfung<br />

des Sektenwesens (MILS) einsetzte, im Juni 1999 im Abschlussbericht<br />

ihrer Enquetekommission »Les Sectes en France« einen Katalog von 172<br />

»totalitären« Sekten und Kulten veröffentlichte und im Mai 2001 ein weltweit<br />

einmaliges Gesetz verabschiedete, das sich gegen den Missbrauch Abhängiger<br />

»infolge einer psychischen o<strong>der</strong> physischen Beeinflussung, <strong>die</strong> das Geistesurteil<br />

betrifft«, und gegen »<strong>die</strong> Einglie<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Einschluss<br />

in entsozialisierende erzieherische Prinzipien« richtete. 74<br />

Dieses sogenannte<br />

Sektengesetz sieht Strafen von bis zu drei Jahren und hohe Geldbußen<br />

vor und erleichtert juristische Schritte auch gegen <strong>die</strong> Organisationen - bis<br />

hin zu ihrer Auflösung, wenn sie wegen schwerer Verstöße verurteilt werden.<br />

Sogar in <strong>der</strong> französischen Polizei arbeiten seither Sektenspezialisten; man<br />

<strong>will</strong> Dramen wie bei den Sonnentemplern dadurch verhin<strong>der</strong>n.<br />

Auch wenn es im übrigen Europa kaum bekannt ist: Die Sekten-Gesetzgebung<br />

und ihre Begleitumstände waren eine Revolution. Frankreich war damit<br />

<strong>der</strong> erste Staat <strong>der</strong> <strong>Welt</strong>, <strong>der</strong> ein Gesetz gegen Gehirnwäsche einführte -<br />

im vollen Bewusstsein <strong>der</strong> Tatsache, dass sich <strong>die</strong> Anwendung psychosozialer<br />

Methoden zur Manipulation des menschlichen Geistes und Verhaltens<br />

(straf-)rechtlich nur schwer erfassen lässt. Für Deutschland aber gilt wie für<br />

alle an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>: »Die psychische und soziale Integrität des<br />

Menschen ist als eigenständig zu sicherndes Rechtsgut im <strong>der</strong>zeit bestehenden<br />

Strafrecht nicht präsent.« 75<br />

Am ehesten lassen sich noch gesundheitliche<br />

Schäden in einem zeitlich nahen Zusammenhang mit einem Psychokurs als<br />

Körperverletzung strafrechtlich verfolgen; auf psychische Störungen wie depressive<br />

Verstimmungen wird <strong>der</strong> Paragraph aber von den Gerichten fast nie<br />

angewandt. Und fast immer stellt sich das Grundproblem, dass <strong>die</strong> Opfer sich<br />

<strong>der</strong> Prozedur scheinbar frei<strong>will</strong>ig unterziehen.<br />

Aus <strong>die</strong>sem juristischen Konsens scherte Frankreich mit dem Sektengesetz<br />

aus. Das ist weniger seltsam, als es zunächst wirkt. Denn ausgerechnet in<br />

Frankreich, wo seit <strong>der</strong> Revolution ein eiserner Laizismus herrscht, legt <strong>die</strong><br />

Regierung gerade wegen <strong>der</strong> strikten Trennung von Staat und Religion beson-<br />

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