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Lebenslagen in Deutschland - Bundesministerium für Arbeit und ...

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8. In welcher Gesellschaft leben wir? Soziale Ungleichheit <strong>in</strong><br />

den Augen der Bevölkerung<br />

„If men def<strong>in</strong>e situations as real, they are real <strong>in</strong> their consequences“<br />

Im Thomas-Theorem wird es auf den Punkt gebracht: Wenn Menschen Situationen als real<br />

def<strong>in</strong>ieren, dann haben diese Situationen auch reale Konsequenzen <strong>und</strong> zwar nicht nur <strong>für</strong> die<br />

Lebensgestaltung des E<strong>in</strong>zelnen, sondern auch <strong>für</strong> die Gesellschaft als Ganzes. In diesem S<strong>in</strong>ne<br />

s<strong>in</strong>d Vorstellungen über die Verteilung von Armut <strong>und</strong> Reichtum <strong>in</strong> der Gesellschaft nicht<br />

nur Ausdruck der jeweils vorhandenen Vorstellung von der Sozialstruktur, von der Struktur<br />

sozialer Ungleichheit <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Diese E<strong>in</strong>schätzungen s<strong>in</strong>d auch verb<strong>und</strong>en mit Empf<strong>in</strong>dungen<br />

von Macht oder Ohnmacht <strong>und</strong> der E<strong>in</strong>schätzung der eigenen Chance auf gesellschaftliche<br />

Teilhabe. Für den E<strong>in</strong>zelnen kann die Wahrnehmung e<strong>in</strong>er geteilten Gesellschaft,<br />

<strong>in</strong> der die sozialen Strukturen e<strong>in</strong>gefroren ersche<strong>in</strong>en zu Frustration <strong>und</strong> tiefer Resignation<br />

führen <strong>und</strong> mit Gefühlen von Ausgrenzung, Verunsicherung <strong>und</strong> Deklassierung e<strong>in</strong>hergehen<br />

(Damitz/Eierdanz 2008; Schultheis/Schulz 2005). Solche Verunsicherungen können zu Solidarisierung<br />

aber auch Entsolidarisierungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen führen. So<br />

ist e<strong>in</strong>erseits die Wahrnehmung e<strong>in</strong>er gespaltenen Gesellschaft <strong>und</strong> der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung als e<strong>in</strong>er „Entgrenzung“ von Risiken („es kann jeden treffen“) gesellschaftspolitisch<br />

als Solidarisierung gegen e<strong>in</strong>e neoliberale <strong>und</strong> als unsozial empf<strong>und</strong>ene Wirtschaftspolitik<br />

nutzbar 60 (Groh-Samberg/Hertel 2010). Anderseits können solche Ungleichheitsvorstellungen<br />

aber zu Entsolidarisierungen führen, z.B. zu „Wohlfahrtschauv<strong>in</strong>ismus“ <strong>und</strong> Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

(Kitschelt 1997), aber auch nach dem Motto „<strong>Arbeit</strong> muss sich wieder lohnen“<br />

als Abgrenzung nach unten dienen, als ideologische Exklusion der angeblich Leistungsunwilligen,<br />

die mit überzogenen Ansprüchen sozialer Sicherung den Staat <strong>und</strong> damit die Gesamtgesellschaft<br />

belasten <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>lage des meritokratischen Leistungspr<strong>in</strong>zips („Leistung<br />

gegen Teilhabe“) zerstören (Groh-Samberg/Hertel 2010; Zick/Kle<strong>in</strong> 2010).<br />

Dabei ist zunächst e<strong>in</strong>mal soziale Ungleichheit nicht per se problematisch, solange die ungleiche<br />

Verteilung von als wertvoll angesehenen Gütern <strong>und</strong> Positionen den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

anerkannten Regeln folgt <strong>und</strong> deshalb als legitim betrachtet wird <strong>und</strong> die wahrgenommene<br />

Ungleichheit nicht zu groß ist (Sachweh 2010).<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> ist die vorliegende Studie der Erforschung der Gesellschaftsbilder<br />

der Menschen <strong>in</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik gewidmet. Dabei geht es uns nicht nur um die<br />

Erforschung der Wahrnehmung <strong>und</strong> Beurteilung von sozialer Ungleichheit, sondern vor allem<br />

60 Im Anschluss an die Wirtschaftskrise zum Beispiel s<strong>in</strong>d ökonomische, an wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-<br />

Kalkül ausgerichtete E<strong>in</strong>stellungen zurückgegangen. Während im Jahre 2007 noch 40 Prozent der Bevölkerung<br />

der Me<strong>in</strong>ung waren die Gesellschaft nehme „zu viel Rücksicht auf Versager“, stimmen dieser Aussage im Jahre<br />

2009 nur noch 28 Prozent zu <strong>und</strong> auch die Abwertung von Langzeitarbeitslosen ist rückläufig (Heitmeyer 2009:<br />

33).<br />

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