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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

außereuropäischen Regionen, so wurde sie <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht enttäuscht und damit zur unerfüllten Utopie.<br />

E<strong>in</strong>mal wurden die <strong>in</strong>neren Strukturen und Potentiale <strong>der</strong> ehemaligen Kolonien wie es dann vor allem <strong>in</strong><br />

ökonomisch-sozialer H<strong>in</strong>sicht die Dependenztheorie feststellte 172 destabilisiert und fragmentiert, zum an<strong>der</strong>n<br />

wurde das Bewusstse<strong>in</strong> von <strong>der</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er tief greifenden Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>in</strong> den meisten Län<strong>der</strong>n<br />

unabweisbar und durch die wachsende Omnipräsenz mo<strong>der</strong>ner Massenkommunikationsmittel auch <strong>in</strong> den<br />

Bevölkerungen akzeptiert. Als Ausweg bot sich das – <strong>in</strong> Europa ja »erfolgreich« erprobte – Modell des nation<br />

build<strong>in</strong>g zum »Mo<strong>der</strong>nen Nation<strong>als</strong>taat« an, das gleichzeitig e<strong>in</strong>e stärkere und angemessene Repräsentation<br />

und Partizipation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltpolitik und ihren Gremien versprach. Wenig bewusst war es dabei meistens, wenn<br />

wir von Beispielen wie <strong>der</strong> Türkischen Republik unter dem Leitbild des Kemalismus absehen und auch für die<br />

Šah-Zeit <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Herrschaft für ausdrückliche ökonomische »Verwestlichung« stand, das Scheitern<br />

und die mangelnde Durchsetzung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund stellen, dass mit <strong>der</strong> Übernahme<br />

dieses Staatsmodells, vor allem auch mit <strong>der</strong> Übernahme des Nationalismus <strong>als</strong> Leitideologie, 173 zwangsläufig<br />

bestimmte gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen mit übernommen wurden, die vor allem den Traditionen<br />

<strong>der</strong> ruralen Gesellschaften <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise entsprachen. Mit <strong>der</strong> Partizipation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltpolitik erfolgte<br />

zwangsläufig auch die E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> metasprachliche <strong>in</strong>ternationale bzw. globale Diskurse. So wurden mit<br />

<strong>der</strong> Übernahme des »westlichen« Staatsmodells z.B. Fragen nach <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Struktur <strong>der</strong> »Staatsgesellschaft«,<br />

nach <strong>in</strong>nergesellschaftlicher Partizipation, Demokratie und Menschenrechten unabweislich, auch<br />

wenn diese Diskurse <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen <strong>Politischen</strong> Kultur nicht <strong>in</strong> dieser Form entwickelt o<strong>der</strong> sogar <strong>als</strong><br />

anachronistisch abgewiesen werden. Der Staatenbildungsprozess ist dialektisch verbunden mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er »Staatsgesellschaft«, was gerade auch die <strong>Islamische</strong> Republik <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige Legitimationsund<br />

Strukturprobleme führt.<br />

In Bezug auf die didaktische Umsetzung <strong>der</strong> Thematik, die sich mit <strong>der</strong> Distanzierung und historischen<br />

Relativierung <strong>der</strong> Kategorien »Staat«, »Nation« und »Staatsgesellschaft« befasst, um daraus konkret neue Möglichkeiten<br />

des <strong>in</strong>terkulturellen Lernens abzuleiten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren S<strong>in</strong>ne aber auch e<strong>in</strong>en notwendigen Paradigmenwandel<br />

<strong>der</strong> Didaktik <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung zu begründen, ergeben sich ebenfalls e<strong>in</strong>ige résumierende<br />

Stichworte:<br />

<br />

<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler gehen wie selbstverständlich vom Bild des Staates aus, wie er <strong>als</strong> Nation<strong>als</strong>taat <strong>in</strong><br />

Europa konzipiert und vermittelt ist. E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rolle hat <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong> noch immer<br />

überwiegend ausgeübter affirmativer, wenn nicht gar apologetischer Geschichtsunterricht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe<br />

I. Dabei gilt die surpranationale Integration <strong>als</strong> das Beson<strong>der</strong>e und <strong>der</strong> ›souveräne Nation<strong>als</strong>taat‹, wie er<br />

seit Hugo Grotius kodifiziert wurde, aber <strong>als</strong> das Normale. Dabei entstehen gravierende Wahrnehmungsdissonanzen<br />

und Wi<strong>der</strong>sprüche zwischen praktischer Verhaltensorientierung, die z.B. den leichten Grenzübertritt<br />

<strong>in</strong> Europa unh<strong>in</strong>terfragt h<strong>in</strong>nimmt o<strong>der</strong> voraussetzt, an<strong>der</strong>erseits nationale Grenzen und damit auch<br />

die Abwehr <strong>der</strong> Immigration <strong>als</strong> selbstverständliche Rechte des Staates akzeptiert. An<strong>der</strong>erseits entstehen<br />

Wi<strong>der</strong>sprüche, wenn die Realitätswahrnehmung <strong>als</strong> »gesellschaftliche Krisensituation«, die e<strong>in</strong>em angeblichen<br />

»Staats- und Politikversagen« zugeschrieben wird, ohne Zweifel wie<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> Vorstellung führt, eben dieser<br />

Staat müsse auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, geeignete Krisenlösungsstrategien zu entwickeln.<br />

E<strong>in</strong> grundlegendes pädagogisches Problem ergibt sich daraus, dass Schule im S<strong>in</strong>ne auch <strong>der</strong> schon erörterten<br />

sich wandelnden Zielparadigmen des Politikunterrichts doch grundsätzlich Institution des Staates ist und<br />

bleibt. <strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>en Auswirkungen des fö<strong>der</strong>alen Staatsaufbaus <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland soll hier<br />

172<br />

<strong>Die</strong> auf <strong>der</strong> ›dependenzia‹-Theorie aufbauende Strategie <strong>der</strong> Abkoppelung und Dissoziation war schon zur Zeit ihrer Formulierung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Wi<strong>der</strong>spruch zu den Analysen <strong>der</strong> deformierten abhängigen Gesellschaften und Ökonomien.<br />

Vgl. dazu Datta 1982, Elsenhans 1977, 1980, 1982, Wallerste<strong>in</strong> / Decdeli / Kasaba 1984 am Beispiel des Osmanischen<br />

Reiches. Es wäre zu pauschal zu sagen, dass das Scheitern dieser Vorstellungen nur durch die politisch-ökonomische<br />

Macht <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong> verursacht gewesen wäre. Es ist eher zutreffend, dass e<strong>in</strong>e Rückkehr zur autochthonen Entwicklung<br />

durch Abkoppelung we<strong>der</strong> <strong>in</strong>nergesellschaftlich auf Grund <strong>der</strong> Entwicklungs- und Integrationsdefizite durchsetzbar,<br />

noch <strong>in</strong> Anbetracht <strong>der</strong> ständig wachsenden <strong>in</strong>nergesellschaftlichen Probleme praktikabel gewesen wäre. <strong>Die</strong> isolierten<br />

Versuche <strong>der</strong> Abkoppelung <strong>in</strong> so unterschiedlichen Län<strong>der</strong>n und Systemen wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a während <strong>der</strong><br />

Kulturrevolution, <strong>in</strong> Albanien bis zur politischen Wende Anfang <strong>der</strong> 90er-Jahre und <strong>in</strong> Ansätzen <strong>in</strong> Libyen und Algerien<br />

s<strong>in</strong>d nicht nur gescheitert, son<strong>der</strong>n habe die jeweiligen Gesellschaften <strong>in</strong> existentielle Krisen und Bedrohungen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> geführt.<br />

E<strong>in</strong>e an vorkoloniale Strukturen direkt anknüpfende autochthone Entwicklung ist sowohl unter l<strong>in</strong>ker, revolutionärer<br />

Prämisse utopisch und fehlgeleitet, <strong>als</strong> auch unter konservativer, restaurativer Prämisse e<strong>in</strong>er »Renaissance-Ideologie«, wie<br />

<strong>der</strong> Négritude von Senghor o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> diversen islamistischen Vorstellungen. <strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> war sicher<br />

bei Vielen auch durch e<strong>in</strong>e solche rückwärtsgewandte Utopie motiviert; <strong>der</strong> Staat <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n Republik <strong>Iran</strong> jedoch<br />

war schon zu Khome<strong>in</strong>is Zeiten zu sehr Staat im mo<strong>der</strong>nen S<strong>in</strong>ne – trotz <strong>Revolution</strong>srat und Pasdaran –, <strong>als</strong> dass dieses<br />

Renaissancedenken zur offiziellen Staatsdoktr<strong>in</strong> gemacht worden wäre.<br />

173<br />

100<br />

Es ist e<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ieren<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch im Nationalismus, dass er ideologisch-<strong>in</strong>haltlich Superiorität und Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> eigenen Nation postuliert, mit diesem Nationenbegriff aber vor allem <strong>in</strong>nergesellschaftlich wirksam ist im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

nationalen Integration, d.h. <strong>der</strong> durchgreifendsten Form gesellschaftlicher Entdifferenzierung und Homogenisierung. Nationalismus<br />

ist daher e<strong>in</strong> Herrschafts<strong>in</strong>strument mit historischen »Nebenwirkungen«.

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