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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

auch die Gewalt zu gehören sche<strong>in</strong>t) den optischen Medien ist die Antistruktur e<strong>in</strong>e je<strong>der</strong>mann je<strong>der</strong>zeit<br />

zugängliche Sphäre geworden, die durch ihre spill-over-Effekte zu e<strong>in</strong>er weitreichenden Verschmutzung <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>neren Umwelt des Gesellschaftssystems geführt hat und deshalb bei nicht wenigen das Bedürfnis nach e<strong>in</strong>em<br />

großen Re<strong>in</strong>igungsritual weckt. Mit Zivilisation im obengenannten S<strong>in</strong>ne hat freilich das e<strong>in</strong>e so wenig zu tun<br />

wie das an<strong>der</strong>e.“ [Breuer 1993]<br />

Im Ansatz von Breuer wäre <strong>der</strong> von Elias beschriebene zivilisatorische Zentralisationsprozess nur e<strong>in</strong>e Etappe e<strong>in</strong>er<br />

längerfristigen Entwicklung von <strong>der</strong> wenig strukturierten, dezentral-ruralen Feudalgesellschaft – und das wären<br />

gegenwärtig vergleichbarer Weise Gesellschaften <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> globalen Peripherien und den peripherisierten<br />

Räumen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> globalen Semiperipherien – mit ihrer Vielzahl von lokalen Machtstrukturen und ihrer<br />

kulturellen Vielfalt, über die Phase <strong>der</strong> Staatenbildung, die gleichzeitig mit dem Zivilisationsprozess e<strong>in</strong>e Herrschaftszentralisierung<br />

und die Homogenisierung <strong>der</strong> entstehenden Staatsgesellschaft anstrebt und ihren Höhepunkt<br />

<strong>in</strong> Mittel- und Westeuropa wohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts f<strong>in</strong>det, <strong>als</strong> Nation<strong>als</strong>taatlichkeit und<br />

Nationalismus sich zu Selbstverständlichkeiten entwickelten, bis h<strong>in</strong> zur heutigen Ökonomisierung <strong>der</strong> globalen und<br />

regionalen Lebensverhältnisse, die materiell wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Phase <strong>der</strong> Dezentralisierung wenn nicht Individualisierung<br />

e<strong>in</strong>geleitet hat, aber unter e<strong>in</strong>em Metasystem ökonomischer und f<strong>in</strong>anzieller Verflechtungen, e<strong>in</strong>em System<br />

unendlich verflochtener Interdependenzketten steht, die <strong>der</strong> persönlichen Macht und Herrschaft nur noch auf <strong>der</strong><br />

Ebene <strong>der</strong> Gegenströmungen Raum lässt. In diesem S<strong>in</strong>ne ist die Zivilisation tatsächlich am Ende.<br />

Es ist aber gerade <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Ziele <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung danach zu fragen, wie dann <strong>in</strong> dieser neuen<br />

gesellschaftlichen Situation die Verhaltenssteuerung im Alltag, das was wir banal das „zivilisierte Verhalten“<br />

nennen, erlernt und gesichert werden kann, das heißt auch, wie die Prozesse <strong>der</strong> Sozialisation und Enkulturation –<br />

und hier noch dezidierter: zu welcher Kultur h<strong>in</strong>? – ablaufen.<br />

Das bedeutet, dass e<strong>in</strong> genauerer Blick auf das wi<strong>der</strong>sprüchliche Verhältnis von Individualisierung und Universalisierung<br />

geworfen werden muss, dass letztlich auch gefragt werden muss, wieso <strong>der</strong> Zivilisationsprozess an<br />

se<strong>in</strong>em Ende unmissverständlich die Individualisierungszumutung gesetzt hat. Dazu hat Andreas Kuhlmann [1993]<br />

e<strong>in</strong>ige bemerkenswerte Überlegungen angestellt:<br />

„Neben <strong>der</strong> Bedrohung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zerstörung selbstbestimmter Lebensführung stehen jedoch Entwicklungen,<br />

die e<strong>in</strong>er autonomen Lebensgestaltung för<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d, ohne diese freilich zu garantieren. <strong>Die</strong>se Tendenzen<br />

s<strong>in</strong>d unter dem Stichwort „Individualisierung“ diskutiert worden. <strong>Die</strong> Diagnose <strong>der</strong> Individualisierung geht<br />

davon aus, dass die Menschen heute dazu gezwungen s<strong>in</strong>d, ihr Leben mehr und mehr selbst <strong>in</strong> die Hand zu<br />

nehmen. <strong>Die</strong> Erosion tradierter Verhaltensstandards und <strong>der</strong> Zerfall kollektiver Milieus lassen normative und<br />

soziale Sicherheiten schw<strong>in</strong>den.“<br />

Hier wird die Dialektik des Zivilisationsprozesses angesprochen. <strong>Die</strong> Zentralisierung und Universalisierung <strong>der</strong><br />

Herrschaft im europäischen Staatenbildungsprozess erschließt umfassende neue Machtressourcen und setzt e<strong>in</strong>en<br />

Machtprozess <strong>in</strong> Gang, <strong>der</strong> räumlich immer größere Gebilde <strong>in</strong>tegriert und ihre Bevölkerungen homogenisiert und<br />

letztlich <strong>als</strong> Konsequenz die heutigen, aber schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Kolonialismus und Imperialismus begründeten<br />

Globalisierungsprozesse begründet. Doch ist dieser Machtprozess unmittelbar und völlig davon abhängig, dass die<br />

Menschen die gesetzte Ordnung h<strong>in</strong>nehmen und <strong>in</strong> ihrem Alltagsverhalten bestätigen und festigen, dass <strong>als</strong>o <strong>der</strong><br />

Herrschaftszentralisierung und <strong>der</strong> Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols die <strong>in</strong>ternalisierte und »zivilisierte«<br />

<strong>in</strong>dividuelle Affektkontrolle zur Seite steht. <strong>Die</strong> Totalität <strong>der</strong> Regelungen und Institutionalisierungen bed<strong>in</strong>gt<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> unmittelbaren persönlichen Kontrolle und Machtunterworfenheit, die das<br />

Alltagsverhalten von Fall zu Fall bestimmen würde. Es gelten nun nur noch die allgeme<strong>in</strong>en und umfassenden<br />

Regelungen, bei dem es immer mehr das Risiko des E<strong>in</strong>zelnen wird, ob er sie richtig <strong>in</strong>terpretiert, umsetzt und<br />

erfüllt. Dazu abschließend wie<strong>der</strong> Kuhlmann:<br />

„Während jedoch <strong>der</strong> verhaltensstabilisierende Rückhalt ger<strong>in</strong>ger wird, vergrößert sich zugleich <strong>der</strong><br />

Spielraum, <strong>in</strong>nerhalb dessen man se<strong>in</strong>e Wahl treffen muss: <strong>Die</strong> ‚Überflussgesellschaft‘ stellt ja nicht nur e<strong>in</strong><br />

riesiges Angebot für den materiellen Konsum, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>eswegs verächtliche Vielfalt an sozialen<br />

Beziehungsformen, Bildungschancen und Berufsbil<strong>der</strong>n, Welt und Selbstdef<strong>in</strong>itionen, Möglichkeiten mediz<strong>in</strong>isch-therapeutischer<br />

(Selbst)-Verän<strong>der</strong>ung u.a.m. bereit.<br />

Beide Versionen <strong>der</strong> kulturkritischen Diagnose, dass selbstbestimmte Lebensführung immer weniger möglich<br />

sei, haben ihre Grenze: und zwar genau dort, wo von dem paradoxen Zwang zur Selbstbestimmung zur<br />

»riskannten Freiheit« (Elisabeth Beck-Gernsheim/Ulrich Beck) auszugehen, dem die Menschen sich; heute<br />

ausgesetzt sehen, die sich bei <strong>der</strong> Bewältigung ihres alltäglichen Lebens immer weniger an Konventionen<br />

orientieren können und die zugleich mit immer mehr Wahlmöglichkeiten konfrontiert s<strong>in</strong>d. Dass man<br />

zwischen verschiedenen Lebensformen wählen kann, eröffnet e<strong>in</strong>en Freiheitsspielraum; die Notwendigkeit<br />

jedoch, e<strong>in</strong>e Wahl zu treffen, entzieht sich <strong>der</strong> freien Entscheidung.“<br />

<strong>Die</strong> hier ausgeführten Zusammenhänge machen deutlich, dass <strong>der</strong> »Zivilisationsprozess« se<strong>in</strong>e »Harmlosigkeit«<br />

verlieren muss und verloren hat. <strong>Die</strong> europäische Zivilisation ist ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> Weg zum <strong>in</strong>dividuellen Glück und<br />

Zivilisation sichert auch nicht die Vorstellungen vom »guten Leben«, dessen ›Entwurf‹ <strong>in</strong> <strong>der</strong> klassischen Philosophie<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Ethik und <strong>der</strong> Sozialphilosophie se<strong>in</strong> sollte. Der Zivilisationsprozess ist e<strong>in</strong> Prozess <strong>der</strong> Durchsetzung<br />

von Herrschaft, gleichermaßen aber auch e<strong>in</strong> Instrument, um Ordnungssicherheit herzustellen. <strong>Die</strong> damit<br />

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