03.06.2014 Aufrufe

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

notwendiges Regelwerk ist e<strong>in</strong> grundsätzliches diskursives Problem, das umso schwerer zu lösen se<strong>in</strong> wird, desto<br />

weiter die Urteilsgrundlagen und Situationsdef<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> beteiligten Gruppen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abweichen, wie es im<br />

<strong>in</strong>terkulturellen Diskurs ebenso die Regel ist wie bei sozial differenzierten, heterogenisierten o<strong>der</strong> des<strong>in</strong>tegrierten<br />

Populationen, wie sie z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule <strong>in</strong> Orten bzw. Ortsteilen mit grundlegenden sozialen Strukturproblemen<br />

auch für die Politische Bildung zunehmend häufiger zur Arbeitsvoraussetzung werden. 83<br />

Schüßler basiert se<strong>in</strong>e nachvollziehbare und gerade <strong>in</strong> unserem thematischen Kontext wichtige Kritik an Renn<br />

/ Webler vor allem auf das, was methodisch und auch – im Umweltbeispiel – <strong>in</strong>haltlich <strong>als</strong> »selbstverständlich«<br />

vorausgesetzt wird und notwendig vorauszusetzen ist. Genau dieses Problem ergibt sich auch ständig bei dem<br />

Versuch, e<strong>in</strong>e diskursive Didaktik gültig an konkreten »Schlüsselproblemen« zu begründen und im Verlauf gesellschaftlicher<br />

Wandlungen zu bestätigen o<strong>der</strong> weiter zu entwickeln.<br />

4. Diskurse <strong>als</strong> <strong>in</strong>haltlich-strukturierende Kategorien <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur [Almond /<br />

Verba 1963, Berg-Schlosser 1972, Berg-Schlosser 1986, Claußen 1993b, Claußen 1999: 42]<br />

Auf die begriffsgeschichtliche Problematik des Konzeptes <strong>der</strong> »<strong>Politischen</strong> Kultur« kann hier nicht weiter<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden. 84 <strong>Die</strong> Politische Kultur beruht im Wesentlichen auf gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen,<br />

<strong>der</strong>en Strukturierung auf mehreren <strong>in</strong>terdependenten Ebenen erfolgt.<br />

Basis <strong>der</strong> kulturellen Kommunikation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>dividuellen und kollektiven Enkulturations-<br />

und Akkulturationsprozesse, die e<strong>in</strong>erseits das Individuum <strong>in</strong> die Symbol-, Wert- und Bedeutungswelten <strong>der</strong><br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>führend, <strong>der</strong>en Repertoire <strong>als</strong> Potentialität erschließen und mehr o<strong>der</strong> weniger verfügbar machen, die<br />

an<strong>der</strong>erseits damit die Identität des Individuums bestimmen. Da diese Enkulturations- und Akkulturationsprozesse<br />

von lebenslanger Dauer s<strong>in</strong>d, muss die sich daraus entwickelnde Politische Kultur e<strong>in</strong>erseits und <strong>in</strong>dividuelle<br />

Identität an<strong>der</strong>erseits <strong>als</strong> Prozess und nicht <strong>als</strong> feststehende Struktur verstanden werden. Verän<strong>der</strong>ungspotentiale und<br />

Verän<strong>der</strong>ungsretardierungen s<strong>in</strong>d somit letztlich selbst wie<strong>der</strong> Bestandteil und Charakteristikum e<strong>in</strong>er <strong>Politischen</strong><br />

Kultur. <strong>Die</strong>s wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terkulturellen Vergleich und bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiveren Untersuchung <strong>der</strong><br />

dynamischen Potentiale <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur von Regionen <strong>der</strong> Semiperipherien und hier <strong>in</strong> unserem thematischen<br />

Zusammenhang <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung se<strong>in</strong>.<br />

Als Bestandteil und Resultat gesellschaftlicher Kommunikation öffnet sich daher die Politische Kultur e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft <strong>in</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger regelmäßiger Weise den <strong>in</strong>neren und äußeren Diskursen. <strong>Die</strong> Diskursfähigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Gesellschaft, d.h. ihre Fähigkeit, sachbezogen-distanzierte Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um das was ist und das was<br />

se<strong>in</strong> soll zu führen, ist weitgehend e<strong>in</strong>e Wi<strong>der</strong>spiegelung <strong>der</strong> bestimmenden kommunikativen Ebene <strong>in</strong> ihrer<br />

<strong>Politischen</strong> Kultur. Ausschlaggebend ist, ob das Alltagsverhalten, wie es <strong>in</strong> den ruralen Gesellschaften <strong>der</strong> Semiperipherien<br />

(wie auch im europäischen Mittelalter 85 ) typisch ist, weitgehend von traditionalen Werten bestimmt<br />

wird, die weitgehend nonverbal durch Symbole und symbolisches Verhalten vermittelt werden 86 , o<strong>der</strong> ob die<br />

83<br />

Vgl. <strong>in</strong> unserer Untersuchung die Ausführungen <strong>in</strong> Abschnitt 1.5. – <strong>Die</strong> kritischen Anmerkungen zur Legitimität und Akzeptanz<br />

von Regelwerken gelten auch für die aktuellen Versuche <strong>in</strong> vielen Schulen, <strong>als</strong> Teil <strong>der</strong> Gewalt-, Vandalismusund<br />

Deliquenzprävention – letztlich auch e<strong>in</strong> zentrales Thema <strong>der</strong> Politische Bildung – verb<strong>in</strong>dliche Regelwerke –<br />

Schulordnungen – auszuhandeln und, belegt mit e<strong>in</strong>em Sanktionenkatalog, verb<strong>in</strong>dlich zu machen. Neben den positiven<br />

Aspekten und Möglichkeiten e<strong>in</strong>es solchen Vorgehens, das auf Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong>, Schulidentität und Soziale<br />

Kontrolle setzt, ist »Verständigung« bei fehlendem Vorhandense<strong>in</strong> von E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit, vor allem bei im <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Kontext häufigen Enkulturationsdiffenzen, im Rahmen unvorbereiteter Diskurse gewiss nicht möglich und führt zu re<strong>in</strong><br />

herrschaftsorientierten Lösungen, bei denen vernünftige Normenkontrolle und Funktionalisierung im Machtprozess – mit<br />

<strong>der</strong> Tendenz zunehmen<strong>der</strong> Stigmatisierung und Ausgrenzung des sozial Schwächeren – nur noch schwer vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzugrenzen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

84<br />

<strong>Die</strong> Mehrdeutigkeit des Begriffes »Kultur« f<strong>in</strong>det auch se<strong>in</strong>en Nie<strong>der</strong>schlag <strong>in</strong> <strong>der</strong> wechselhaften Semantik des Begriffes<br />

e<strong>in</strong>er »<strong>Politischen</strong> Kultur«. Der Kulturbegriff ist <strong>Gegenstand</strong> e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong> historisch-kritischer Untersuchungen, wobei hier<br />

nur auf Elias’ [1976 {1939}: 1-10 und passim, 65-75] Untersuchung des Begriffsantagonismus »Kultur« (culture) und<br />

»Zivilisation« (civilité) und <strong>der</strong> historisch-gesellschaftlichen Ursachen <strong>der</strong> ideologischen Gegensätze zwischen Deutschland<br />

und Frankreich im Rahmen des Zivilisationsprozesses verwiesen se<strong>in</strong> soll. Daneben entwickelt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> angelsächsischen<br />

Welt e<strong>in</strong> »pragmatischer« o<strong>der</strong> auch positivistischer Kulturbegriff, <strong>der</strong> bei Almond / Verba 1963 und an<strong>der</strong>en frühen<br />

Autoren auch das Konzept <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur bestimmt, sich aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen Anwendungssituation eng verb<strong>in</strong>det<br />

mit kulturellen Wertorientierungen, die den »american way of life«, d.h. die amerikanische Demokratie und Gesellschaftsform<br />

<strong>als</strong> höchstentwickelte und anzustrebende »political culture« postuliert. <strong>Die</strong>se kulturzentristische Perspektive<br />

wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen Rezeption des Konzeptes <strong>der</strong> »<strong>Politischen</strong> Kultur« kritisiert o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest neutralisiert (Berg-<br />

Schlosser 1972, Berg-Schlosser 1986). Im weiteren Verlauf erweist sich bei e<strong>in</strong>er entsprechend kritisch-distanzierten Semantik<br />

das Konzept <strong>der</strong> »<strong>Politischen</strong> Kultur« <strong>als</strong> geeignet, e<strong>in</strong>e Beziehung e<strong>in</strong>zugehen mit diskursiven und kritischen Gesellschaftsvorstellungen<br />

und Ansätzen ihrer didaktischen Umsetzung (Claußen 1993b, Claußen 1999: 42). <strong>Die</strong>se Ansätze<br />

sollen <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong> diskursives Didaktikkonzept hier weiterh<strong>in</strong> zu Grunde gelegt werden.<br />

85<br />

86<br />

Vgl. Elias [1976 {1939}: 75 ff.] und Muchembled 1990; im Vergleich dazu für die Türkei Waldhoff 1995: 183 ff.<br />

<strong>Die</strong>se Ebene geht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne nicht verloren, wird jedoch überlagert und distanziert durch rationale Muster <strong>der</strong> Realitätserschließung,<br />

wie die Ansätze des Symbolischen Interaktionismus <strong>als</strong> e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> aus diskursiver und didaktischer Perspektive<br />

aufschlussreichsten neueren soziologischen Konzepte deutlich zeigen. Auf die theoretischen Implikationen des<br />

52

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!