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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

herstellen. Nun <strong>als</strong>o zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Ansätzen durchaus kritisch reflektierenden Bericht über die Vorgeschichte und den<br />

Verlauf <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, wie er <strong>als</strong> Ergebnis des Politikunterrichts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dreizehnten Klasse<br />

erarbeitet und ausgewertet worden ist.<br />

Zunächst war die »Weiße <strong>Revolution</strong>« von Šah Reza Pahlewi <strong>in</strong>ternational mit e<strong>in</strong>er gewissen Sympathie<br />

aufgenommen worden. Westliche Beobachter sahen <strong>in</strong> ihr e<strong>in</strong> wirksames Instrument e<strong>in</strong>er notwendigen nachholenden<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung, die – mit dem Šah <strong>als</strong> »westlichem Verbündeten« an <strong>der</strong> Spitze – mit <strong>der</strong> Erwartung e<strong>in</strong>er<br />

grundlegenden Demokratisierung und wirtschaftlichen Liberalisierung verbunden wurde.<br />

Das zeigt aber die fundamentale Unkenntnis <strong>der</strong> <strong>in</strong>neriranischen gesellschaftlich-kulturellen Situation und <strong>der</strong><br />

grundlegend vormo<strong>der</strong>nen Machtbasis des Šah-Regimes, dessen tatsächliche Mo<strong>der</strong>nisierung im gegebenen<br />

gesellschaftlichen Rahmen unmöglich war. <strong>Die</strong> aus heutiger Sicht oft grotesk ersche<strong>in</strong>enden Fehle<strong>in</strong>schätzungen <strong>der</strong><br />

Situation <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> und <strong>der</strong> damit zu begründenden Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Entwicklungschancen lassen sich leicht vor<br />

allem <strong>in</strong> amerikanischen Aufsätzen und Dokumenten nachweisen, mit denen <strong>in</strong> unseren Kontexten e<strong>in</strong>e ausführlichere<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung nicht mehr s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t. Beson<strong>der</strong>s bedenklich s<strong>in</strong>d dann diese Fehle<strong>in</strong>schätzungen,<br />

wenn sie <strong>in</strong> regierungsamtlichen Dokumenten wie dem auf offiziellen Quellen und CIA-Berichten aufbauenden<br />

Area Handbook for <strong>Iran</strong> von 1971 311 auftauchen und so zur Grundlage von oft verhängnisvollen amerikanischen<br />

Regierungsentscheidungen werden. Bezüglich <strong>der</strong> »Weißen <strong>Revolution</strong>« werden <strong>in</strong> den siebziger Jahren vor allem<br />

die statistisch belegbaren »Erfolge« kolportiertet, die sich zunächst noch faktisch begründen ließen. Dabei folgt die<br />

westliche Wahrnehmung den propagandistischen iranischen Bilanzen, wie sie z.B. im Atlas of <strong>Iran</strong>: White<br />

<strong>Revolution</strong> (<strong>Iran</strong>... 1973) vorgelegt wurden.<br />

In manchen Bereichen, wie z.B. <strong>der</strong> Schulpflicht, erzielte man durchaus Erfolge, doch viele Versuche, die<br />

gesteckten Ziele vor allem im sozialen und ökonomischen Bereich zu erreichen, blieben mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

erfolglos. E<strong>in</strong>e starke Zunahme <strong>der</strong> Importe sowohl im Konsumgüter- wie im Investitionsgüterbereich, vor allem<br />

aber bei den Waffenkäufen, deuten auf e<strong>in</strong>e kritische Entwicklungsphase h<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> vielen Schwellenlän<strong>der</strong>n zu<br />

beobachten ist, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e städtische Ober- und neu entstehende kapitalistische Mittelschicht entsteht, die<br />

sich <strong>in</strong> Wirtschaftsverhalten und Konsumgewohnheiten zunehmend an den Maßstäben <strong>der</strong> westlichen Industriestaaten<br />

orientiert, ohne <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage zu se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e entsprechende Erhöhung <strong>der</strong> volkswirtschaftlichen Produktivität zu<br />

erreichen.<br />

<strong>Die</strong>ser allgeme<strong>in</strong> bekannte Entwicklungsprozess führte auch <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> zur wachsenden ökonomischen Belastung<br />

und Verarmung <strong>der</strong> nicht zu dieser „mo<strong>der</strong>nen Schicht“ zählenden Bevölkerung. <strong>Die</strong> Preise für die Importe stiegen<br />

entsprechend <strong>der</strong> globalen Entwicklung <strong>der</strong> terms of trade <strong>in</strong> den beg<strong>in</strong>nenden siebziger Jahren stark an. <strong>Die</strong> starke<br />

Konsumgüternachfrage <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> sowie die staatlichen Investitionsprogramme, die sich aber fast ausschließlich auf die<br />

Wirtschaftsregion Tehran/Karadj und sekundär noch Tabriz, Esfahan und die Erdölprov<strong>in</strong>z Khuzistan beschränkten,<br />

ermöglichten den westlichen Firmen, die nach <strong>Iran</strong> exportierten, sogar überdurchschnittliche Preissteigerungen von<br />

ca. 28 % im Zeitraum von 1970-1974 durchzusetzen. Gerechtfertigt wurde dies politisch auch mit dem Argument,<br />

dadurch den seit 1973 gestiegenen Ölpreis <strong>der</strong> OPEC-Län<strong>der</strong> auszugleichen. 312 <strong>Die</strong> Importe stiegen trotzdem. Sie<br />

nahmen so große Ausmaße an, dass sie von <strong>der</strong> schwerfälligen Bürokratie 313 und <strong>der</strong> ungenügenden Infrastruktur<br />

nicht mehr bewältigt werden konnten. Viele wichtige Güter stauten sich <strong>in</strong> den Häfen, <strong>in</strong>sofern sie überhaupt<br />

abgeladen werden konnten. 314<br />

311<br />

Vgl. dazu gleich die e<strong>in</strong>leitende oberflächliche Charakteristik <strong>der</strong> iranischen Gesellschaft, S. 1-8, o<strong>der</strong> die Abschnitte über<br />

das Regierungssystem (243-266), die Entwicklungsdynamik (267-290), die mit »westlichen« Maßstäben beurteilt wird,<br />

o<strong>der</strong> die politischen Werte und Haltungen (351-368).<br />

312<br />

Dabei sollte im Auge behalten werden, dass die durchgesetzten Rohölpreise des OPEC-Kartells, die zum so genannten<br />

»Ölschock« <strong>in</strong> den Industrielän<strong>der</strong>n führten, gemessen am Maßstab <strong>der</strong> terms of trade, <strong>als</strong>o <strong>der</strong> Kaufkraft <strong>der</strong> Ölexporterlöse,<br />

nur das Preisniveau von 1951 wie<strong>der</strong> hergestellt wurde. Erdöl gehört zu den Rohstoffen, die real trotz konjunktureller<br />

Schwankungen immer billiger geworden s<strong>in</strong>d.<br />

313<br />

314<br />

158<br />

E<strong>in</strong>e anekdotische eigene Beobachtung des Verfassers 1970 <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> mag dies illustrieren. Er besuchte e<strong>in</strong>en Freund, <strong>der</strong> <strong>als</strong><br />

Abteilungsleiter im iranischen Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium für die Genehmigung von Ausfuhren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Wirtschaftsbereich<br />

zuständig war. Bei se<strong>in</strong>em sehr ruhigen und e<strong>in</strong>tönigen Arbeitstag von etwa fünf Stunden im Amt, erteilte er<br />

Ausfuhrgenehmigungen auf Grund <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em, handschriftlich geführten, »Hauptbuch«, <strong>in</strong> dem zum Jahresanfang<br />

die vom M<strong>in</strong>ister genehmigten Gesamtausfuhrmengen, geordnet nach Zollnummern, aufgeführt waren. Wenn<br />

nun noch e<strong>in</strong>e Quote frei war, wurde dem Antragsteller die Ausfuhrgenehmigung auf e<strong>in</strong>em vom Sekretariat <strong>in</strong> mehrfacher<br />

Ausführung ausgefertigten Genehmigungsformular durch Stempel und Unterschrift erteilt und die abgängige Menge im<br />

Hauptbuch vermerkt. Im Pr<strong>in</strong>zip konnte das M<strong>in</strong>isterium ohne Weisung vom M<strong>in</strong>ister selbst <strong>als</strong>o <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise auf während<br />

des Jahres e<strong>in</strong>tretende wirtschaftliche Entwicklungen reagieren. <strong>Die</strong>ser Sachbearbeiter ohne Entscheidungsbefugnis –<br />

über die persönlichen Genehmigungsvoraussetzungen im Amtsdurchlauf haben wir nicht gesprochen – war <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen<br />

promovierter Volkswirt (und <strong>in</strong>sgeheim Šah-Gegner – was sicher nicht verwun<strong>der</strong>t). – Vgl. <strong>Iran</strong>. (amtl.), 1969: General<br />

Import–Export Regulations for the iranian Year 1348 (1969/70) Teheran. – <strong>Iran</strong>. Bank Markazi <strong>Iran</strong> (Zentralbank), 1969:<br />

Investor’s Guide to <strong>Iran</strong>. Teheran.<br />

<strong>Die</strong>ses Problem ist <strong>in</strong> den siebziger und achtziger Jahren auch aus an<strong>der</strong>en Schwellenlän<strong>der</strong>n wie Nigeria, Ghana o<strong>der</strong><br />

Saudi Arabien und den Golf-Emiraten bekannt geworden. Es ist <strong>als</strong>o e<strong>in</strong> typisches strukturelles Krisenmerkmal e<strong>in</strong>er nicht<br />

<strong>in</strong>tegrierten <strong>in</strong>dustriellen Entwicklung, für die die Phase <strong>der</strong> »Weißen <strong>Revolution</strong>« <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong> typisches Beispiel ist.

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