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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

die wesentlich zur Unfreiheit <strong>der</strong> Frau im Islam beigetragen haben. Daher sei es wichtig, ‚daß es Frauen gibt,<br />

die die Urquellen lesen können und die den an<strong>der</strong>en Frauen aus e<strong>in</strong>er weiblichen Sicht Zugang zu diesen<br />

Urquellen gestatten.‘“ 572<br />

Auch diese Perspektive wird wie<strong>der</strong>um historisch begründet, wie überhaupt <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerislamische Diskurs über die<br />

eigene Identität fokussiert wird auf das richtige Verständnis <strong>der</strong> Geschichte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit Muhammads. Das unterscheidet<br />

islamische Diskurse sehr deutlich von christlich-<strong>in</strong>nerreligiösen Diskursen, bei denen die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> realen Geschichte eher Domäne <strong>der</strong> Religionskritiker ist.<br />

Im weitesten S<strong>in</strong>ne ist dieser Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präsentation <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n Welt und<br />

<strong>der</strong> Christlichen Welt seit dem Mittelalter e<strong>in</strong> gesellschaftlich bed<strong>in</strong>gtes Phänomen, das vor allem aus den unterschiedlich<br />

verlaufenden Machtprozessen heraus zu erklären ist. Indem die sich islamisierenden arabischen Gesellschaften<br />

schon zur Zeit Muhammads im Muster <strong>der</strong> älteren vor<strong>der</strong>asiatischen Gesellschaften, die von <strong>der</strong> Dichotomie<br />

Nomadentum und städtischer Handelskultur geprägt waren, e<strong>in</strong>e Identität religiöser Dignität und weltlicher<br />

Herrschaftsausübung wie selbstverständlich entwickelten, entstehen nach <strong>der</strong> Völkerwan<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Europa auf <strong>der</strong><br />

Basis von Überschichtungsprozessen und <strong>der</strong> Etablierung e<strong>in</strong>er „weltlichen Macht“ <strong>der</strong> Krieger und Ritter 573 e<strong>in</strong>e<br />

Aufsplitterung <strong>der</strong> Macht <strong>in</strong> „weltliche“ und „geistliche Herrschaft“, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich vor allem im weströmischen<br />

Reich 574 e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionalisierte Kirche <strong>als</strong> Machtfaktor herausbildete. Insofern ist die westliche Perspektive e<strong>in</strong>er<br />

Trennung von weltlicher und religiöser Sphäre weltgeschichtlich e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit und nicht die Norm, von <strong>der</strong> aus<br />

die Geschichte an<strong>der</strong>er Kulturen bewertet werden könnte. 575 Dass diese Trennung die spätere Säkularisierung erleichterte<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuzeit e<strong>in</strong>e wichtige Rahmenbed<strong>in</strong>gung für die gesellschaftliche Mo<strong>der</strong>nisierung des<br />

„Westens“ wurde, ist unbestritten. Insofern ist diese Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Machtentwicklung <strong>in</strong> Europa durchaus von<br />

<strong>der</strong> Gegenwart her gesehen nicht „wertneutral“ son<strong>der</strong>n gehört zum fundamentalen Selbstverständnis e<strong>in</strong>er „mo<strong>der</strong>nen<br />

Welt“.<br />

Genau diese Problematik, dass historische Situationen aus <strong>der</strong> Kenntnis späterer gesellschaftlicher Folgen und<br />

Entwicklungen heraus beurteilt und bewertet werden, macht diese historischen Diskurse so schwierig. Zur Stellung<br />

<strong>der</strong> Frau haben die Argumente bei<strong>der</strong> mitgeteilten Textstellen genau diese immanente Problematik. Das verdeutlich<br />

sich mit dem eher apologetischen historischen Bezug, <strong>der</strong> sich auf Michaela Özelsels Argumentation bezieht:<br />

„Sie kam zu dem Schluß, daß die Frauenemanzipation ke<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung des Okzidents sei. Im Islam gebe es<br />

zahlreiche Modelle für »emanzipierte« Frauen – beispielsweise Za<strong>in</strong>ab und Aisha, zwei Gatt<strong>in</strong>nen des Propheten,<br />

die im Sprachgebrauch sogar zu e<strong>in</strong>em Synonym für Emanzipation wurden: ‚E<strong>in</strong>e Aisha o<strong>der</strong> Za<strong>in</strong>ab<br />

se<strong>in</strong>‘, bedeutet schlicht emanzipiert se<strong>in</strong>.“<br />

Gerade die heutige Situation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei zeigt sehr deutlich, dass es eben nicht im westlichen S<strong>in</strong>ne um »Emanzipation«<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Islam geht, son<strong>der</strong>n dass <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerislamische Diskurs Kontroversen über die anthropologischen<br />

Grundannahmen ebenso wie über die anzustrebenden Gesellschaftsbil<strong>der</strong> umfasst, dass aber <strong>der</strong> Diskurs<br />

<strong>der</strong> Islamkritiker z.B. des Kemalismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei mit se<strong>in</strong>em laizistischen Gesellschaftsverständnis ke<strong>in</strong>e Position<br />

<strong>in</strong>nerhalb des islamischen Diskurses son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Position außerhalb des islamischen Diskurses sucht. <strong>Die</strong>se<br />

Unterscheidung wird im nachfolgenden Zitat an <strong>der</strong> Person <strong>der</strong> türkischen islamischen Frauenrechtler<strong>in</strong> Nilüfer Göle<br />

deutlich werden.<br />

Wenn <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> – hier angenommenen – geme<strong>in</strong>samen türkischen <strong>Politischen</strong> Kultur die Repräsentationen<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Optionen Manifest werden, so konzentrieren sich die wahrnehmbaren Zeichen auf Symbole wie<br />

bestimmte demonstrative Bekleidungsnormen. Wenn so z.B. das „islamistische Kopftuch bzw. <strong>der</strong> Schleier“<br />

öffentlich <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt, kann auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Verständnis aber e<strong>in</strong>e bei<strong>der</strong>seitig so <strong>in</strong>tendierte kontroverse<br />

Beurteilung im <strong>in</strong>nerislamischen wie im kemalistischen Diskurs gezählt werden. Das <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur<br />

verankerte Symbol ist funktionalisiertes Mittel im Machtprozess geworden. Mit dieser Funktion haben sich gerade<br />

auch von beiden Seiten her Frauen <strong>als</strong> Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Publizist<strong>in</strong>nen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. Hervorzuheben<br />

ist hier u.a. Nilüfer Göle 576 , die deutlich macht, dass <strong>in</strong> akademischen Kreisen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei die Frage des<br />

„Schleiers“ ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> männlicher Diskurs ist, son<strong>der</strong>n von akademischen Frauen im Konkurrenzkampf um<br />

Lebens- und Berufsperspektiven kontrovers funktionalisiert wird:<br />

„‚Der Schleier hat enorme politische Brisanz‘, so die Sozialwissenschaftler<strong>in</strong> Nilüfer Göle von <strong>der</strong> Bogazici-<br />

Universität <strong>in</strong> Istanbul. ‚An<strong>der</strong>s <strong>als</strong> das regional unterschiedliche Kopftuch ist <strong>der</strong> Schleier überregionaler<br />

572<br />

Sibylle Kroll, 1996: <strong>Die</strong> Welt ist eben nicht <strong>in</strong> Ordnung. Michaela Özelsel – Muslima und Mystiker<strong>in</strong>. Frankfurter Rundschau,<br />

Nr. 173, Samstag, 27. Juli 1996, S. ZB5. FRAU UND GESELLSCHAFT.<br />

573<br />

Vgl. nach e<strong>in</strong>mal Krippendorf 1985, passim.<br />

574<br />

<strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>e und teilweise doch deutlich abweichende Machtstruktur <strong>in</strong> <strong>der</strong> autokephalen orthodoxen Kirche kann hier<br />

nicht weiter thematisiert werden, wenngleich ihre Beson<strong>der</strong>heiten strukturelle Parallelen zur islamisch-orientalischen Gesellschaft<br />

aufweisen, die auch weltpolitisch die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kreuzzugszeit manifestierende „Zwischenrolle“ charakterisieren<br />

kann.<br />

575<br />

<strong>Die</strong> religiöse Begründung mit dem Bibelzitat „Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist...“ ist ahistorisch und verwechselt e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>dividual-ethische Relativierung mit e<strong>in</strong>er normativ-strukturellen Vorgabe für die Herrschaft: sie ist nicht Grundlage son<strong>der</strong>n<br />

nachträgliche Legitimation e<strong>in</strong>er historisch sich entwickelnden Herrschaftsdichotomie.<br />

576<br />

Nilüfer Göle, 1995: Republik und Schleier. <strong>Die</strong> muslimische Frau <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Türkei. Berl<strong>in</strong>.<br />

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