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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

Bedeutung, die gleichermaßen <strong>in</strong> den – auch unserer Untersuchung zu Grunde gelegten – Medien wie auch <strong>der</strong><br />

subjektiven Interessenorientierung bei Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern nachzuweisen ist, nämlich die Konzentration auf<br />

die »Aktualität«.<br />

<strong>Die</strong>se Aktualitätsorientierung ist <strong>in</strong>haltlich diffus und <strong>in</strong> ihrer sozialen Bedeutung mehrdeutig, gerade daher<br />

aber sche<strong>in</strong>bar allgegenwärtig und mit erheblichen Folgen für die politischen Handlungs- und Verän<strong>der</strong>ungspotentiale<br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft. Gleichzeitig ist zu fragen, ob die »Mo<strong>der</strong>nisierung« <strong>der</strong> kommunikativen Strukturen <strong>in</strong><br />

den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Semiperipherien, konkret gefragt: auch <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, im Rahmen <strong>der</strong> Universalisierung <strong>der</strong> Medien und<br />

ihrer Technologien <strong>in</strong> gleicher Weise von diesem Aktualitätspr<strong>in</strong>zip erfasst und politisch bestimmt werden. Da dies<br />

– unter an<strong>der</strong>em nach <strong>der</strong> Beobachtung <strong>der</strong> iranischen »öffentlichen Me<strong>in</strong>ung« und ihrer Repräsentation <strong>in</strong> den<br />

iranischen Medien 114 , die aber stärker <strong>als</strong> <strong>in</strong> Europa und damit typisch für den Entwicklungsstand <strong>der</strong> Semiperipherien<br />

auf städtische politische Eliten und Oberschichten und e<strong>in</strong> sich herausbildendes <strong>in</strong>tellektualisiertes akademisches<br />

Bürgertum beschränkt bleibt – zunehmend auch <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Peripherien und Semiperipherien<br />

zu beobachten ist, sche<strong>in</strong>t gerade die Aktualitätsbezogenheit <strong>der</strong> Kommunikation und die Konzentration<br />

des öffentlichen Interesses auf so genannte Aktualitäten e<strong>in</strong> Kennzeichen <strong>der</strong> Universalisierungsprozesse zu se<strong>in</strong>, die<br />

<strong>als</strong> typisch für die gegenwärtige Epoche angesehen werden.<br />

Ungeachtet <strong>der</strong> weiteren Bedeutungs- und Erklärungsdimension, die allgeme<strong>in</strong> bekannt und eher <strong>als</strong> banal<br />

e<strong>in</strong>gestuft wird, das nämlich die Massenmedien <strong>als</strong> sich immer aufs Neue dem Markt stellende Periodika <strong>der</strong> kurzfristigen<br />

»Neugier« auf die Aktualität verpflichtet s<strong>in</strong>d – das waren schon die ersten »Zeitungen«, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuzeit<br />

herausgegeben wurden 115 – lässt sich e<strong>in</strong> bedeutungsvoller Kontext zu den <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Kommunikationswelten<br />

parallelen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> typischen Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den »postmo<strong>der</strong>nen Gesellschaften«<br />

aufzeigen. <strong>Die</strong> Wahrnehmungse<strong>in</strong>schränkung auf das Aktuelle enttraditionalisiert nicht nur den Zugriff auf politischgesellschaftliche<br />

Handlungspotentiale Def<strong>in</strong>itionsrepertoires, son<strong>der</strong>n steht im strukturellen Wi<strong>der</strong>spruch zu den<br />

tatsächlichen immer komplexer werdenden kontextuellen E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungen des E<strong>in</strong>zelnen nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e überschaubare<br />

Sozialgruppe son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> unüberschaubar werdende Interdependenzketten. <strong>Die</strong> ist letztlich e<strong>in</strong> Merkmal<br />

<strong>der</strong> mitteleuropäischen Mo<strong>der</strong>nisierung, <strong>der</strong> Zivilisationsprozesse, die über Jahrhun<strong>der</strong>te h<strong>in</strong>weg die mo<strong>der</strong>ne<br />

Staatsgesellschaft geformt haben. <strong>Die</strong>ser Prozess ist die Klammer, um den Zusammenhang <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong><br />

den Kommunikationsgeflechten wie <strong>in</strong> den Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> die <strong>in</strong>dividuelle und soziale Identität bestimmenden<br />

Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen zu verstehen und um die unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven zwischen den<br />

Kulturen wie auch die Perspektive <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Universalisierungsprozesse <strong>als</strong> letztlich kulturelle Homogenisierungsprozesse<br />

zu begreifen.<br />

Der offensichtliche Grundwi<strong>der</strong>spruch des Lebens <strong>in</strong> unserer zivilisierten Gesellschaft ist, verstärkt und<br />

evoziert durch die strukturellen Folgen <strong>der</strong> Universalisierungsprozesse, liegt nun <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichdistanziert<br />

aufzuzeigenden wachsenden Komplexität und Reichweite <strong>der</strong> Interdependenzen und das persönliche<br />

Verhalten bestimmenden E<strong>in</strong>flüsse und Zumutungen auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite und <strong>der</strong> gerade vor diesem H<strong>in</strong>tergrund <strong>als</strong><br />

notwendige Komplexitätsreduktion <strong>der</strong> »unübersichtlichen Realitätserfahrung« zu verstehenden Wahrnehmungsrestriktion<br />

auf das kurzfristig und überschaubar Wirksame, auf die Aktualität – zu <strong>der</strong> auch Mode und ‚Lifestyle‘<br />

ebenso gehören wie relativ zufällige habituelle Gruppenzuordnungen –; Zentrum <strong>der</strong> Entscheidungen ist, so ist es<br />

zum<strong>in</strong>dest die subjektive E<strong>in</strong>schätzung, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne selbst, das weitgehend isolierte Individuum. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />

ist von Cas Wouters <strong>als</strong> Grundlage <strong>der</strong> aktuellen Individualisierung <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>in</strong> großer Klarheit herausgearbeitet<br />

und formuliert worden:<br />

„So haben sich auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite die Kontraste im Affektmanagement <strong>in</strong> solchen Kontexten verr<strong>in</strong>gert, <strong>in</strong><br />

denen Gefühle und Bekundungen von Über- und Unterlegenheit unterdrückt worden s<strong>in</strong>d, während auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite die Variationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art und Weise, wie Affekte reguliert werden, <strong>in</strong> Kontexten zugenommen<br />

haben, <strong>in</strong> denen das Erwecken e<strong>in</strong>es bestimmten E<strong>in</strong>drucks, Selbststilisierung und image build<strong>in</strong>g wichtig<br />

geworden ist. »Management <strong>der</strong> Selbstdarstellung« (Erv<strong>in</strong>g Goffman) hat sich sogar zu e<strong>in</strong>em Spezialfach<br />

entwickelt, das von e<strong>in</strong>er wachsenden Zahl von Experten <strong>der</strong> »Gefühlsarbeit« (Arlie Russell Hochschild) <strong>in</strong><br />

114<br />

Medienwirksame Aktionen wie anfangs die Geiselnahme <strong>in</strong> <strong>der</strong> US-amerikanische Botschaft <strong>in</strong> Tehran, später die konfligierenden<br />

Funktionalisierungen zum Beispiel e<strong>in</strong>es Prozesses um e<strong>in</strong>en deutschen Geschäftsmann, dem e<strong>in</strong>e sexuelle Beziehung<br />

zu e<strong>in</strong>er persischen Muslima vorgeworfen wurden, zeigen deutlich schon Strukturen <strong>der</strong> aktualistischen öffentlichen<br />

Kommunikation, die <strong>in</strong> dieser Form durchaus nicht traditional s<strong>in</strong>d. Immer deutlicher zeigt sich <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong>e im<br />

»westlichen S<strong>in</strong>ne« professionelle Medienarbeit, die auch die systematische iranische, ja selbst islamisch-religiöse Nutzung<br />

mo<strong>der</strong>ner Medien wie z.B. das Internet umfasst und e<strong>in</strong> sichereres Zeichen für die <strong>Iran</strong> zunehmend trotz gegenteiliger verbaler<br />

Äußerungen <strong>der</strong> islamischen Führungsschicht ebenfalls e<strong>in</strong>beziehende und im gewissen S<strong>in</strong>ne »homogenisierende«<br />

kommunikative und diskursive Universalisierung ist.<br />

115<br />

Das »Neu«-gierbedürfnis ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e für jedes Lernen wie für die Entwicklung <strong>der</strong> sozialen Identität grundlegende<br />

anthropologische Grundtatsache, die <strong>in</strong> allen Kulturen mehr o<strong>der</strong> weniger offensichtlich ihren Ausdruck und ihre Medien<br />

f<strong>in</strong>det. Das Beson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Zeit ist jedoch, dass die Aktualität zunehmend Selbstwert und Eigens<strong>in</strong>n erhält und<br />

zu e<strong>in</strong>er maßgeblichen wenn nicht dom<strong>in</strong>anten kulturellen und ökonomischen Größe wird, die sich zunehmend selbst produziert<br />

und reproduziert und damit »nicht-aktuelle« Realitäten aus <strong>der</strong> politisch-kulturellen Wirksamkeit und Traditionsübermittlung<br />

verdrängt (anathematisiert!), wie es MacLuhan mit se<strong>in</strong>er These »Das Medium ist die Nachricht« auf den<br />

Punkt gebracht hat.<br />

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