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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

Regel eher sachlich reduziert und »holzschnittartig«. Das zeigt auch, dass die menschliche Dimension von Not und<br />

Krieg weitgehend ausgespart bleibt und wie<strong>der</strong>um entsprechend <strong>der</strong> zu Grunde liegenden ökonomistischen<br />

Auffassung von »Unterentwicklung« vor allem die Folgen für die Volkswirtschaft thematisiert werden. Dabei<br />

kommt es aber zu e<strong>in</strong>igen typischen Vere<strong>in</strong>seitigungen und Ungenauigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>ordnung:<br />

„E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> wichtigsten Faktoren, die die Zerstörung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Industrie 220 und <strong>der</strong> gesamten Wirtschaft verursacht<br />

hatten, waren die Kriege. <strong>Die</strong> Folge dieser Kriege, die meistens religiöse Gründe hatten 221 , waren die Zerstörung <strong>der</strong><br />

Werkstätten, die Unterbrechung <strong>der</strong> Handelswege, die Ermordung und Beraubung <strong>der</strong> Handwerker und Händler sowie die<br />

Stagnation des <strong>in</strong>ternationalen Handels und e<strong>in</strong>e Resignation bezüglich <strong>der</strong> Investitionsbereitschaft. <strong>Die</strong> empirische<br />

Untersuchung <strong>der</strong> persischen Geschichte zeigt, dass die von e<strong>in</strong>em lang andauernden Frieden abhängige Ersche<strong>in</strong>ung<br />

<strong>der</strong> technischen Entwicklung im privaten Bereich <strong>in</strong> Persien nicht aufgetreten ist. Für die Geldbesitzer hätte e<strong>in</strong>er stetigen<br />

Stabilität des Staates bedurft, um e<strong>in</strong>e Garantie für das <strong>in</strong>vestierte Kapital zu geben und das Vertrauen hervorzurufen, das<br />

für die Gründung von Werkstätten erfor<strong>der</strong>lich gewesen wäre.“ 222<br />

Gerade <strong>in</strong> diesem thematischen Kontext erweist es sich, dass auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politikdidaktik – ebenso natürlich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Geographie- und Geschichtsdidaktik – fachliche Bezüge und Begründungen zu komplexeren und prozessbezogenen<br />

Realitätsmodellen notwendig s<strong>in</strong>d <strong>als</strong> das gängige Ensemble gesellschaftswissenschaftlicher Theorien vor allem im<br />

Bereich <strong>der</strong> »globalen Modelle«. In unserem Beispiel <strong>der</strong> externen Verursachung <strong>der</strong> »Unterentwicklung« <strong>Iran</strong>s im<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>t wären Bezüge zur »Weltsystemtheorie« von Immanuel Wallerste<strong>in</strong> sehr hilfreich, nach <strong>der</strong> die<br />

entstehenden sozio-ökonomischen und politischen Dependenzen we<strong>der</strong> im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er »Katastrophentheorie«<br />

(Kriege) noch aus dem Kolonialismus, <strong>der</strong> gerade für <strong>Iran</strong> im engeren S<strong>in</strong>ne nicht zutrifft, heraus e<strong>in</strong>dimensional<br />

erklärt, son<strong>der</strong>n den differenzierten Prozess <strong>der</strong> Inkorporation <strong>in</strong> das von den europäischen Zentralmächten<br />

gesteuerte Weltsystem darstellt und analysiert. <strong>Die</strong>s ergibt im Unterricht auch den konkreten Ansatzpunkt, das<br />

Theorem <strong>der</strong> begrifflich auf Wallerste<strong>in</strong> zurückgehenden semiperipheren Regionen 223 e<strong>in</strong>zuführen, die zum<br />

Zeitpunkt des herangezogenen Referates noch nicht h<strong>in</strong>reichend rezipiert war, um im Unterricht thematisiert zu<br />

werden.<br />

Der Kolonialismus<br />

Dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unterrichtlichen Behandlung <strong>der</strong> Geschichte und Zeitgeschichte von Län<strong>der</strong>n <strong>in</strong> den semiperipheren<br />

und peripheren Regionen das Thema Kolonialismus und Imperialismus explizit e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt, ist<br />

unbestritten. Doch ist es gerade die didaktische Aufgabe, die thematische Isolierung dieses Topos aufzuheben und <strong>in</strong><br />

übergreifende <strong>in</strong>haltlich Kontexte zu <strong>in</strong>tegrieren. Gerade das Thema Kolonialismus tendiert dazu, entwe<strong>der</strong> alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er letztlich nicht erhellenden und damit wirkungslosen moralischen Dimension zu verharren, o<strong>der</strong> <strong>als</strong> abgeschlossenes<br />

Kapitel <strong>der</strong> Geschichte zwischen historischem Des<strong>in</strong>teresse und exotischer Neugier angesiedelt zu<br />

werden. <strong>Die</strong>se Problematik <strong>der</strong> »Dritte-Welt«-Didaktik wird im Abschnitt 3.6. e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong> behandelt. Das Schülerreferat<br />

greift das Thema Kolonialismus folgen<strong>der</strong>maßen auf:<br />

„Zu dieser Zeit begannen die Stagnation und <strong>der</strong> Zerfall des persischen Handwerks, und es wurde gleichzeitig die<br />

Entwicklungsbasis für die spätere Industrialisierung durch die Kolonialisten geschaffen. Durch e<strong>in</strong>en ungleichen Inter -<br />

nationalen Austausch sowie durch die Arbeitsteilung und den ausbeuterischen Warenhandel wurde Persien jede<br />

wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit genommen.“ 224<br />

<strong>Die</strong> Kürze dieser Ausführungen – die hier eigentlich überflüssig gewesen wären – rührt daher, dass im Unterricht<br />

<strong>der</strong> Kolonialismus und Imperialismus <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en <strong>in</strong>haltlichen Kontexten zu erörtern war. Auch hier soll auf<br />

Ausführungen <strong>in</strong> dieser Untersuchung verwiesen werden, die die didaktische Umsetzung des Konzeptes <strong>der</strong><br />

Entstehung <strong>der</strong> Semiperipherien begleiten. Von wissenschaftlichem wie von didaktischem Interesse ist es <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang, den Prozesscharakter <strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>wirkung auf <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> Beispiel für die Inkorporation <strong>der</strong><br />

220 Hier bemerken die Autoren nicht den Wi<strong>der</strong>spruch zu ihren eigenen Ausführungen, <strong>in</strong> denen sie das Vorhandense<strong>in</strong> von<br />

Industrien <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> zur Zeit <strong>der</strong> Safawiden bestreiten.<br />

221 <strong>Die</strong>s trifft <strong>in</strong> dieser Form nicht zu. Es ist e<strong>in</strong>e wesentliche Unterrichtsaufgabe, die undifferenzierte E<strong>in</strong>schätzung und mangelnde<br />

soziale Kontextualisierung <strong>der</strong> Religion sozialwissenschaftlich zu korrigieren, um distanziertere Urteilsperspektiven<br />

und mehrschichtige Modelle <strong>der</strong> historischen Realität zu ermöglichen. Dass gerade dies <strong>in</strong> diesen Ausführungen fehlt, zeigt<br />

dass die traditionelle Urteilsperspektive im Geschichts- und Erdkunde-Unterricht recht undifferenziert ist und e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>ten<br />

didaktischen wie auch wissenschaftlichen Paradigmenwandel <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung ebenso wie <strong>der</strong> Sozialwissenschaften<br />

unterzuordnen ist.<br />

222<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

223<br />

Um den prozesshaften Charakter zu betonen, sche<strong>in</strong>t es notwendig, die Entstehung <strong>der</strong> heutigen Semiperipherien, die<br />

größtenteils alte politische und kulturelle Zentren gewesen s<strong>in</strong>d, <strong>als</strong> Peripherisierungs-Prozess darzustellen. <strong>Die</strong>ser korrespondiert<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Region mit Prozessen <strong>der</strong> sozialen und regionalen B<strong>in</strong>nenperipherisierung und Des<strong>in</strong>tegration. <strong>Die</strong>se Voraussetzungen<br />

werden <strong>in</strong> den Semiperipherien, gerade weil auch das historische Gedächtnis dieser Gesellschaften hoch<br />

entwickelt ist, <strong>als</strong> schmerzhaft und negativ bewertet. Antimo<strong>der</strong>nistische und antiwestliche Affekte und Bewegungen s<strong>in</strong>d<br />

daher auch e<strong>in</strong>e Ursache für Umsturzperspektiven und auch die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>. Didaktisch gesprochen, ist<br />

an diese Thematik <strong>der</strong> externen Verursachung von Unterentwicklung <strong>der</strong> Bogen zu spannen zu heutigen Konfliktlagen, die<br />

gesellschaftlich tiefer greifen <strong>als</strong> nur <strong>in</strong> das Problem e<strong>in</strong>es ökonomischen Rückstandes.<br />

224<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

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