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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

nur »älter« <strong>als</strong> »österreichisch«, son<strong>der</strong>n es braucht sich auf irgendwelche Vergleiche überhaupt nicht<br />

e<strong>in</strong>zulassen: <strong>in</strong>dem es ja e<strong>in</strong>e »österreichische Sprache« nicht gibt und das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen von<br />

mir auch nicht behauptet wurde.<br />

Was ich behaupte ist, dass die Österreicher bloß deshalb, weil sie auch deutsch reden, noch nicht dasselbe<br />

Volk s<strong>in</strong>d wie die Deutschen – genau so wenig, wie die Westgothen dam<strong>als</strong> dasselbe Volk gewesen s<strong>in</strong>d wie<br />

die Angelsachsen, obwohl sie »l<strong>in</strong>gua nostra« gesprochen haben. Nur dann aber, wenn ich das Vorhandense<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er österreichischen Sprache behauptet hätte, wäre Ihrer oben zitierten Feststellung <strong>der</strong> Gehalt e<strong>in</strong>es<br />

Arguments zugekommen, und dann erst recht wäre ihm dieser Gehalt wie<strong>der</strong> verloren gegangen, weil Sie zum<br />

»älter« noch das »umfangreicher« h<strong>in</strong>zufügen.<br />

Genau das ist es nämlich nicht...“<br />

<strong>Die</strong> zwei ausführlich zitierten Positionen sollen uns hier natürlich nicht dazu diene, objektive Kriterien über e<strong>in</strong>e<br />

österreichische Kultur bzw. Nation zu entwickeln, son<strong>der</strong>n um <strong>in</strong> den beiden Texten typische und <strong>in</strong> unserem<br />

Kontext aufschlussreiche Ansätze für die Herkunft unseres Nationenkonzeptes zu erhalten.<br />

„Trotzdem sche<strong>in</strong>t die offizielle Antwort auf me<strong>in</strong>e Frage »Ist Österreich Teil <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft?«<br />

heute Ne<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong> aber nur heute. Das heißt, wegen <strong>der</strong> Bemühungen <strong>der</strong> heutigen Bundesrepublik, sich<br />

moralisch vom Dritten Reich zu distanzieren, das mit dem Anschluß verbunden wird, wird jede Andeutung,<br />

dass Österreich ke<strong>in</strong> selbständiger Staat (und daher ke<strong>in</strong>e Nation, ke<strong>in</strong>e »Gesellschaft«?) ist o<strong>der</strong> nicht immer<br />

se<strong>in</strong> wird, sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik wie <strong>in</strong> Österreich entschieden mißbilligt. Wenn aber e<strong>in</strong>e<br />

»Gesellschaft« etwas ist, das sich aus e<strong>in</strong>em »Keim« heraus »entwickelt«, wie ist es dann möglich, dass e<strong>in</strong><br />

bloßes politisches Ereignis, das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs, o<strong>der</strong> weiter zurückgehend, das Ergebnis des<br />

Deutschen Kriegs von 1866, die Def<strong>in</strong>ition des gesellschaftlichen Raums <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft<br />

bee<strong>in</strong>flussen konnte? E<strong>in</strong>e »Gesellschaft« soll doch etwas an<strong>der</strong>es <strong>als</strong> e<strong>in</strong> Staat se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Art<br />

zugrundeliegende und sich, wenigstens teilweise gegen den Staat und trotz des Staates, entwickelnde Realität.<br />

Wenn wir jedoch mit je<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Staatsgrenzen auch die Grenzen <strong>der</strong> »Gesellschaft« verän<strong>der</strong>n,<br />

wie können wir dann begründen, dass sich die Legitimität e<strong>in</strong>er Regierung, die von e<strong>in</strong>er »Gesellschaft«<br />

bestimmt wird, von <strong>der</strong> Herrschaftslegitimität, wie sie von e<strong>in</strong>em Staat gestellt wird, unterscheidet? Der<br />

Begriff <strong>der</strong> »Gesellschaft« sollte uns doch etwas Solides verschaffen, auf dem wir aufbauen könnten. Wenn er<br />

sich <strong>als</strong> bloßes Wachs herausstellt, das wir nach Belieben umformen können, wird er uns äußerst wenig<br />

Nutzen br<strong>in</strong>gen – wenig analytischen Nutzen, wenig politischen Nutzen, wenig moralischen Nutzen.“<br />

(Wallerste<strong>in</strong> 1995: S. 81.)<br />

Fassen wir die für unsere Untersuchung maßgebliche Realitätsperspektive zusammen, so bestätigt sich die Aussage,<br />

dass Nation, Volk – und auch die Ethnie – ke<strong>in</strong>e Kont<strong>in</strong>uitäten <strong>der</strong> Geschichte, son<strong>der</strong>n »Augenblicksaufnahmen« im<br />

historischen Prozess s<strong>in</strong>d. Sicherlich s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Politik und im Bewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschen Nationen,<br />

Völker und Ethnien Realitäten, die den Gesellschaften Struktur, Ordnungssicherheit und Identität und die subjektive<br />

Wahrnehmung e<strong>in</strong>er Kont<strong>in</strong>uität vermitteln.<br />

Gerade dadurch s<strong>in</strong>d diese gesellschaftlichen Kategorien <strong>als</strong> herrschende Realitätsdef<strong>in</strong>itionen im hohen Maße<br />

Funktionalisierbar. <strong>Die</strong> Geschichte des Nationalismus und <strong>der</strong> Nationalismen zeigt dies sehr deutlich.<br />

Abgrenzungsideologien s<strong>in</strong>d Mittel <strong>in</strong>nerer Homogenisierung und Hierarchisierung, sie legitimieren und sichern die<br />

zentrale Herrschaft. Gleichermaßen s<strong>in</strong>d Abgrenzungsideologien strukturell aggressiv, da sie Fremdgruppen<br />

ausschließen und diskrim<strong>in</strong>ieren. Gegenüber <strong>in</strong>neren Fremdgruppen äußern sich die Abgrenzungsideologien Volk,<br />

Nation und Ethnie <strong>als</strong> Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit, Rassismus o<strong>der</strong> im konkreten Fall <strong>als</strong> Antisemitismus.<br />

<strong>Die</strong> humanwissenschaftliche Erklärungen dieses Verhaltens s<strong>in</strong>d kontrovers. Auch heute bieten<br />

soziobiologische Forschungen biologistisch fundierte Erklärungsansätze an. <strong>Die</strong>ter E. Zimmer fasst diese<br />

Forschungen übersichtlich zusammen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz „Wer ist das Volk? Soziobiologie <strong>der</strong> Ethnien“ (DIE ZEIT<br />

23.7.93), <strong>in</strong> <strong>der</strong> die genetische Verankerung von Abgrenzungsverhalten und daraus folgen<strong>der</strong> Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

postuliert wird. 137 Den soziobiologischen Thesen stellt Helma Lutz mit <strong>der</strong> These „Ke<strong>in</strong>e biochemische<br />

Kettenreaktion: Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit“ (Frankfurter Rundschau 7.9.93) die Perspektive <strong>der</strong> Gesellschaftswissenschaften<br />

gegenüber, die Verhalten maßgeblich aus den <strong>in</strong>dividuellen Erfahrungen und den gesellschaftlichen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er <strong>Politischen</strong> Kultur ableiten.<br />

In unserem Kontext führt <strong>in</strong> Bezug <strong>der</strong> sehr differenzierten und mehrdeutigen zeitgeschichtlichen<br />

Entwicklungen gerade auch <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> die sozialwissenschaftliche Perspektive weiter. Dabei ist, über die Thesen von<br />

Lutz noch h<strong>in</strong>ausgehend, vor allem <strong>der</strong> Blick auf die Verschiebungen <strong>in</strong> den Machtbalancen notwendig, was<br />

wissenschaftlich die Integration des Diskursbereiches Soziale Ungleichheit, Macht und Herrschaft und die Analyse<br />

<strong>der</strong> Machtprozesse notwendig macht. <strong>Die</strong>ses Thema soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> exemplarischen Erörterung zentraler Diskurse am<br />

Beispiel <strong>der</strong> Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> weiteren Arbeit se<strong>in</strong>.<br />

137<br />

Zur E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> diesbezüglichen öffentlichen Diskurse vgl. auch An<strong>der</strong>son 1995, Baa<strong>der</strong> 1995c, Geulen 1997.<br />

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