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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

tärische Hierarchie durchaus realistisch, dass ihre Macht zusammenbricht, wenn <strong>der</strong> Šah <strong>als</strong> Kommando-Spitze<br />

nicht mehr wirksam ist. Hier deutet sich auch von <strong>der</strong> alten Machtelite her die Perspektive e<strong>in</strong>er noch möglichen<br />

blutigen Unterdrückung <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong> an.<br />

„E<strong>in</strong>e Gruppe von iranischen Generalen will nach e<strong>in</strong>em Bericht <strong>der</strong> britischen Zeitung „The Guardian“<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass <strong>der</strong> Schah das Land verläßt. Manoucher Khosrodat habe erklärt, die neue Zivilregierung unter<br />

M<strong>in</strong>isterpräsident Bakhtiar werde sich ihr eigenes Grab schaufeln, falls sie den Schah gehen lasse... <strong>Die</strong> Armee<br />

werde ke<strong>in</strong>e Zivilregierung ohne den Schah akzeptieren, betonte Khosrodat, <strong>der</strong> die iranischen Hubschrauber-<br />

Verbände befehligt.“ 369<br />

„Nach e<strong>in</strong>em Jahr blutiger Unruhen hat Schah Mohammed Reza Pahlevi gestern vormittag den <strong>Iran</strong> heimlich<br />

verlassen. Mit se<strong>in</strong>er Frau flog er zunächst nach <strong>der</strong> Südägyptischen Stadt Assuan, wo ihn Staatspräsident<br />

Sadat empf<strong>in</strong>g. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> des Kaiserpaares und Verwandte waren vorher <strong>in</strong> die USA geflogen. <strong>Die</strong> vom<br />

Rundfunk verbreitete Nachricht von <strong>der</strong> Abreise des Schahs g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptstadt Teheran <strong>in</strong> unbeschreiblichen<br />

Jubelszenen unter. Obwohl <strong>der</strong> Schah offiziell nicht abdankte, son<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>e Reise <strong>als</strong> „Erholungsurlaub“<br />

bezeichnete, gilt se<strong>in</strong>e 37järige Alle<strong>in</strong>herrschaft <strong>als</strong> beendet.“ 370<br />

E<strong>in</strong>e hier nicht zu vertiefende Perspektive betrifft die massenpsychologische Erklärungungsdimension, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Revolution</strong>stheorie e<strong>in</strong>e sehr strittige und ambivalente Rolle spielt. Der Begriff <strong>der</strong> »Masse« <strong>als</strong> sozialer Entität ist<br />

nicht unumstritten. <strong>Die</strong> wenig reflexive Vorstellung von <strong>der</strong> Masse <strong>als</strong> politischem Agens und damit <strong>als</strong> Träger von<br />

<strong>Revolution</strong>en, ob es sich hier um die kommunistische <strong>Revolution</strong> o<strong>der</strong> die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> handelt,<br />

wird konfrontiert mit <strong>der</strong> Vorstellung von <strong>der</strong> Masse <strong>als</strong> „verführbar“ und „wankelmütig“, aus <strong>der</strong> politische Eliten<br />

ihre Legitimation <strong>als</strong> »Avantgarde« <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong> ableiten. Für die Untersuchung <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Iran</strong> s<strong>in</strong>d diese Pauschalpositionen, die vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> revolutionären L<strong>in</strong>ken diskutiert worden s<strong>in</strong>d, wenig ergiebig<br />

und aufschlussreich. Determ<strong>in</strong>anten <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> iranischen Entwicklung ergeben sich aus<br />

„Khome<strong>in</strong>i und die neue Regierung haben ihre erste große Bewährungsprobe am Wochenende offenbar<br />

bestanden: Ihr Aufruf zur Beendigung <strong>der</strong> seit Wochen und Monaten anhaltenden und von Khome<strong>in</strong>i selbst<br />

zum Sturz <strong>der</strong> Schahs ausgerufenen Streiks wurde von <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung befolgt... In<br />

Teheran war am Wochenende e<strong>in</strong> sehr großer Teil <strong>der</strong> Geschäfte und Banken wie<strong>der</strong> geöffnet. Der Teheraner<br />

Flughafen war soweit geöffnet, dass rund 1100 Amerikaner und Briten evakuiert werden könnten.“ 371<br />

Immer deutlicher wird, dass die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> nicht nur e<strong>in</strong>dimensional <strong>als</strong> politischer Machtkampf<br />

zwischen dem monarchistischen Regime und den <strong>Revolution</strong>ären zu begreifen ist, son<strong>der</strong>n dass die politischen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mehrschichtigen System von sich verschiebenden Machtbalancen e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong><br />

dem die ausländischen Mächte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die USA und Großbritannien e<strong>in</strong>e aktive, wenn auch schw<strong>in</strong>dende<br />

Rolle spielen. An<strong>der</strong>erseits wäre <strong>der</strong> politische Machtkampf, wie wir schon mehrfach ausgeführt haben, nicht zu<br />

verstehen ohne se<strong>in</strong>e soziale Fundierung. Inwieweit dieser soziale Entwicklungsprozess, den wir zunehmend auch<br />

<strong>als</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsschub zu begreifen haben, <strong>als</strong> Schritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zivilisationsprozess zu deuten ist, muss<br />

angesichts sich deutlich verän<strong>der</strong>n<strong>der</strong> gesellschaftlicher Figurationen im revolutionären <strong>Iran</strong> noch erörtert werden.<br />

„<strong>Die</strong> USA stehen vor dem Trümmern ihrer Politik gegenüber dem <strong>Iran</strong>. Ihr Vasall, <strong>der</strong> Schah, hat sich <strong>der</strong><br />

Auflehnung des persischen Volkes gegen ihn zu guter Letzt gebeugt und ist auf dem Weg <strong>in</strong>s amerikanische<br />

Exil... Trotz aller Hilflosigkeit <strong>in</strong> den letzten Wochen hat <strong>der</strong>... US-Präsident wenigstens nicht den Fehler<br />

begangen, e<strong>in</strong>e Intervention auch nur ernsthaft zu erwägen, auch wenn er e<strong>in</strong>en schwachen Moment lang den<br />

E<strong>in</strong>flüsterungen Zbigniew Brez<strong>in</strong>skis nachgab und mit <strong>der</strong> Entsendung e<strong>in</strong>es Flottenverbandes liebäugelte...<br />

Was hätte denn gerettet werden sollen: die Verlängerung <strong>der</strong> gefährlichen Illusion, dass „<strong>der</strong> <strong>Iran</strong> dank <strong>der</strong><br />

großartigen Führerschaft <strong>der</strong> Schahs e<strong>in</strong>e Insel <strong>der</strong> Stabilität ist“, wie ihm Jimmy Carter an Silvester 1977 <strong>in</strong><br />

Teheran verblendet besche<strong>in</strong>igte? Der Fehler Amerikas war es ja gerade, dass es den Schah mit Persien<br />

gleichsetzte, se<strong>in</strong> polizeistaatliches Regime nicht nur h<strong>in</strong>nahm, son<strong>der</strong>n auch noch nährte und bewußt gegenüber<br />

den oppositionellen Kräften gegen diese absolute Monarchie Augen und Ohren verschloß.“ 372<br />

<strong>Die</strong> außenpolitischen Perspektivverengungen, die den USA <strong>in</strong> diesem Kommentar <strong>der</strong> Hannoverschen Allgeme<strong>in</strong>e<br />

Zeitung vorgeworfen werden, ersche<strong>in</strong>en zeitgeschichtlich typisch zu se<strong>in</strong> und f<strong>in</strong>den ihre Parallele <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenund<br />

Militärpolitik dieser Hegemonialmacht gegenüber Konfliktgegnern von Korea über Vietnam, von Iraq bis zum<br />

Jugoslawien <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> neunziger Jahre. <strong>Die</strong>se Thematik hat zwar em<strong>in</strong>ente außen- und weltpolitische<br />

Wirksamkeit, ist aber nur aus <strong>der</strong> Geschichte und <strong>Politischen</strong> Kultur <strong>der</strong> USA heraus zu begreifen, die nicht<br />

<strong>Gegenstand</strong> unserer Untersuchungen se<strong>in</strong> können. Doch liegt am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Iran</strong>-Politik <strong>der</strong> USA seit dem Zweiten<br />

Weltkrieg das Fazit nahe, den amerikanischen E<strong>in</strong>fluss im Nahen Osten <strong>als</strong> generell verhängnisvoll und<br />

konfliktverschärfend e<strong>in</strong>zuschätzen.<br />

„Ungeachtet <strong>der</strong> harten Vorwürfe, die <strong>der</strong> am Donnerstag nach <strong>Iran</strong> zurückgekehrten Schiitenführer Ayatollah<br />

Khome<strong>in</strong>i gegen die Regierung des Landes unter Premier Shapour Bakhtiar erhoben hatte, haben <strong>in</strong> Teheran<br />

369<br />

370<br />

Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung 1979-01-11<br />

Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung 1979-01-17<br />

371<br />

Frankfurter Rundschau 1979-01-19<br />

372<br />

Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung 1979-01-19: „<strong>Iran</strong>s Lektion“<br />

174

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