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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

In diesem letzten geschichtlichen bzw. zeitgeschichtlichen Abschnitt – bevor <strong>der</strong> exemplarische Monat April<br />

1980 <strong>in</strong>haltlich und didaktisch <strong>als</strong> Kern dieser Untersuchung ausgewertet werden soll – bietet es sich daher an, diese<br />

kurze Periode des Nie<strong>der</strong>gangs des Šah-Regimes <strong>in</strong> ausgewählten Zitaten aus deutschen Tageszeitungen zu<br />

verfolgen, ohne dass hier noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e detaillierte E<strong>in</strong>zelauswertung dieser Berichte notwendig würde. Dem<br />

wird dann unserer didaktischen Perspektive folgend, die Rezeption dieser Darstellungen <strong>in</strong> Schülerarbeiten<br />

gegenübergestellt und mit e<strong>in</strong>em didaktischen Résumé versehen. 354<br />

Es ist dabei wichtig, dass im Gegensatz zur bisherigen eher aktuell-exkursorischen Wahrnehmung <strong>der</strong> Ereignisse<br />

<strong>in</strong> <strong>Iran</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den seriösen Medien (hier vor allem die Wochenzeitschrift DIE ZEIT und die überregionale<br />

Tageszeitung Frankfurter Rundschau) e<strong>in</strong> Interesse für die zeitgeschichtlichen Perspektiven, <strong>in</strong> denen die<br />

Krise steht, erkennbar wird. <strong>Die</strong> Perspektiven s<strong>in</strong>d jedoch zum Teil etwas an<strong>der</strong>e, <strong>als</strong> wir sie aus unserem Kontext<br />

heraus erwarten, was aber zu mehrperspektivischer Wahrnehmung anregt. Beg<strong>in</strong>nen wir mit Auszügen aus e<strong>in</strong>em<br />

Artikel vom August 1978 aus DIE ZEIT:<br />

„1974 hat <strong>der</strong> Schah selbst und wi<strong>der</strong> besseren Rat die <strong>Revolution</strong> <strong>der</strong> steigenden Erwartungen <strong>in</strong> Gang<br />

gesetzt, um se<strong>in</strong>en Thron dauerhaft zu sichern. Se<strong>in</strong> erster Versuch, die Loyalität des Volkes durch Bodenreform<br />

und Frauenemanzipation an den Pfauenthron zu b<strong>in</strong>den, war 1963 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Blutbad untergegangen.<br />

Denn kaum hatte <strong>der</strong> Schah die „Weiße <strong>Revolution</strong>“ verkündet, da bliesen die Mullahs und Feudalherrn im<br />

Juni 1963 zum Aufruhr. 3 Tage und Hun<strong>der</strong>te von Toten später war <strong>der</strong> Spuk vorbei und Khome<strong>in</strong>i <strong>in</strong><br />

Gefängnis... Es folgte e<strong>in</strong> Jahrzehnt <strong>der</strong> nackten Diktatur – bis die Vervielfachung <strong>der</strong> Erdölpreise gegen Ende<br />

1973 schlagartig e<strong>in</strong>e ungeahnte Herrschaftsperspektive eröffnete. <strong>Die</strong> Ölmilliarden sollten buchstäblich<br />

politischen Stabilität erkaufen.“ 355<br />

Durchaus absichtlich stellen wir dabei e<strong>in</strong>en Bericht an den Anfang, <strong>der</strong> die schon früher wichtig gewordene<br />

Oppositionsrolle <strong>der</strong> islamischen Geistlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Person Khome<strong>in</strong>is deutlich werden lässt.<br />

<strong>Die</strong> Fortsetzung dieser Betrachtungen konzentriert sich dann durchaus im S<strong>in</strong>ne unserer eigenen Darstellung<br />

auf das Scheitern <strong>der</strong> »Weißen <strong>Revolution</strong>«:<br />

„Anfang 1974 wurde <strong>der</strong> fünfte Fünfjahresplan, kaum e<strong>in</strong> Jahr alt, revidiert. Der neue Plan sah Ausgaben <strong>in</strong><br />

Höhe von 69 Milliarden Dollar vor, doppelt soviel wie im beiseite gewischten Orig<strong>in</strong>alentwurf. Im<br />

Haushaltsjahr 1974-75 gab die Regierung 22 Milliarden Dollar aus – fast genau soviel wie <strong>in</strong> vorangegangenen<br />

drei Jahren. Der Schah wollte e<strong>in</strong> Wirtschaftswachstum von 27 Prozent an Stelle <strong>der</strong> nicht gerade<br />

niedrigen 11 Prozent von Vorjahr... Im Oktober 1975 zeigten sich bereits die ersten Risse im iranischen Wirtschaftswun<strong>der</strong>,<br />

aber zugleich protzte <strong>der</strong> Schah vor e<strong>in</strong>er englischen Journalist<strong>in</strong>: ‚Ich gebe mir 13 Jahre Zeit,<br />

um e<strong>in</strong> Fundament zu bauen, dass niemand und nichts erschüttern kann. Wir werden dann den Lebensstandard<br />

erreicht haben, den ihr im Westen heute habt.‘... E<strong>in</strong> Jahr später hatte sich die iranische Wirtschaft festgefahren,<br />

und <strong>der</strong> Traum von <strong>der</strong> Weltmacht <strong>Iran</strong> lag <strong>in</strong> Scherben. <strong>Die</strong> Inflationsrate war auf 40 Prozent emporgeschnellt,<br />

während die Öle<strong>in</strong>nahmen wegen <strong>der</strong> Weltweiten Rezession um 20 Prozent gesunken waren. Das<br />

Land musste kurzfristige teuere Kredite auf dem Weltmarkt aufnehmen, um e<strong>in</strong>e Drei-Milliarden-Dollar-Loch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Handelsbilanz zu stopfen... Zu Beg<strong>in</strong>n des Jahres 1977 lockerte <strong>der</strong> Schah plötzlich die Zügel se<strong>in</strong>er<br />

Alle<strong>in</strong>herrschaft. Den Abgrund, vor dem er stand, wollte er o<strong>der</strong> konnte er nicht wahrhaben: ‚Niemand kann<br />

mich stürzen‘, protzte er noch im Sommer dieses Jahren kurz vor Ausbruch <strong>der</strong> großen Unruhen. Der Schah ist<br />

gestrauchelt, aber noch nicht gefallen.“ 356<br />

Deutlich wird <strong>in</strong> diesem Bericht wie <strong>in</strong> vielen an<strong>der</strong>en seriösen Zeitungsartikeln dieser Zeit, wie sehr sich die<br />

„Realitätswahrnehmung“ des Šah von <strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Untertanen und auch <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> ausländischen Beobachter und<br />

Wissenschaftler entfernt. <strong>Die</strong> abgeschlossene höfische Oberschicht <strong>in</strong> Tehran verliert immer mehr den Blick für die<br />

sie letztlich selbst bedrohenden Konflikte und sozioökonomischen Krisen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>.<br />

So greift hier wie<strong>der</strong> unsere e<strong>in</strong>gangs entfaltete Reflexion <strong>der</strong> Krisenthematik <strong>als</strong> Wahrnehmungsproblem. <strong>Iran</strong><br />

übernahm vom Westen, d.h. von Großbritannien und den USA, vor allem die liberal-ökonomische Realitätssicht,<br />

ohne <strong>der</strong>en historischen und rechtlich-staatlichen Fundamente zu besitzen o<strong>der</strong> auch nur zu verstehen. Das ist zu<br />

begründen mit dem Fehlen e<strong>in</strong>er entwickelten Staatsgesellschaft <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> und den mangelnden Erfahrungen mit<br />

Industrialisierungsprozessen. Korrespondierend dazu s<strong>in</strong>d auch wesentliche Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur<br />

<strong>Iran</strong>s zu <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> »westlichen Staatsgesellschaften« zu konstatieren. Bezogen auf das von uns verfolgte<br />

gesellschaftswissenschaftliche Konzept ist es daher beson<strong>der</strong>s auffällig, dass <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> jeglicher Diskurs über die<br />

Krisenursachen fehlte und wohl auch heute noch fehlt. Diskursive Ansätze zur Interpretation <strong>der</strong> eigenen<br />

gesellschaftlichen und politischen Krise wurden massiv durch Zensur und Verfolgung von oppositionellen<br />

Strömungen unterdrückt. Der Geheimdienst SAVAK wurde neben dem Militär zur wichtigsten <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Macht <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>. Umso deutlicher wurde damit die Legitimität e<strong>in</strong>er geistlich-islamischen Opposition, die nicht<br />

beschränkt war auf die soziale Schicht <strong>der</strong> Mullahs son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle <strong>in</strong> den Intellektualisierungsprozessen<br />

e<strong>in</strong>er sich formenden sozialen Opposition e<strong>in</strong>nahm mit Repräsentanten wie Šariati o<strong>der</strong> Ayatollah Širazi<br />

354<br />

<strong>Die</strong> Auswahl <strong>der</strong> konkreten Zitate aus den Tageszeitungen erfolgte <strong>als</strong> Unterrichtsprojekt <strong>in</strong> Gruppenarbeit durch e<strong>in</strong>en<br />

Politik- (Geme<strong>in</strong>schaftskunde-) Kurs <strong>der</strong> Klassenstufe 13.<br />

355<br />

DIE ZEIT 1978-08-22<br />

356<br />

ibid.<br />

170

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