03.06.2014 Aufrufe

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

<strong>Die</strong> politische Struktur<br />

Das Schülerreferat geht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> »politischen Struktur« zwar vom Strukturbegriff aus, führt diese<br />

kategoriale Ebene jedoch nicht konsequent aus, son<strong>der</strong>n vermischt die Darstellung mit moralischen Wertungen und<br />

e<strong>in</strong>er Projektion <strong>der</strong> Folgen auf die ökonomische Entwicklung. Gedacht ist dieses Vorgehen <strong>als</strong> Versuch <strong>in</strong>tegrativen<br />

Denkens. Doch ist das Ergebnis problematisch, da sich die Realitätsperspektiven vermischen und z.B. die<br />

Wertungen nicht auf e<strong>in</strong>en erkennbaren wertenden Standort bezogen werden. E<strong>in</strong>e differenziertere und<br />

systematischere Darstellung wäre hier unabd<strong>in</strong>gbar:<br />

„<strong>Die</strong> aus e<strong>in</strong>er Nomadenfamilie hervorgegangene Kadjarendynastie zeigte die Züge e<strong>in</strong>er Stammesherrschaft, da alle<br />

hohen Beamten- und Regierungsposten an die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Šahfamilie verteilt wurden. Da je<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hierarchie e<strong>in</strong><br />

Vielfaches von dem e<strong>in</strong>nehmen musste, was er se<strong>in</strong>em Vorgesetzten bezahlt hatte, herrschten Korruption und Geldgier <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Oberschicht sowie Unterdrückung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterschicht. <strong>Die</strong> immer stärker werdenden steuerlichen Belastungen<br />

nahmen <strong>der</strong> Unterschicht die Möglichkeit, <strong>in</strong> die Entwicklung <strong>der</strong> Werkstätten und Manufakturen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e beg<strong>in</strong>nende<br />

Industrialisierung zu <strong>in</strong>vestieren. Ihr fehlten neben dem erfor<strong>der</strong>lichen Kapital bzw. Krediten vor allem die politische Ruhe<br />

und Ordnung, die Grundlage je<strong>der</strong> Investitionsbereitschaft s<strong>in</strong>d; außerdem fehlten Eisen und Brennmaterialien <strong>als</strong><br />

Rohstoffe <strong>der</strong> Industrie, kaufmännische Entschlossenheit und Geschick sowie Arbeitskräfte, da <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong><br />

Bevölkerung noch halbnomadisch von Ackerbau und Viehzucht lebte.“ 250<br />

<strong>Die</strong> nomadische Herkunft <strong>der</strong> Kadjaren ist für die iranische Geschichte nichts Beson<strong>der</strong>es. Nur darf man ke<strong>in</strong>e<br />

f<strong>als</strong>chen Vorstellungen mit diesem Begriff verb<strong>in</strong>den. Der bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhun<strong>der</strong>t traditionell nomadisch und<br />

halbnomadisch von <strong>der</strong> Viehwirtschaft lebende turkmenische Norden <strong>Iran</strong>s glie<strong>der</strong>te sich <strong>in</strong> traditionsrechtlich<br />

bestimmte Herrschafts-, Weide- und Durchzugsgebiete für Nomadenvölker, die <strong>in</strong> sich hochdifferenziert und<br />

regional oft dezentralisiert waren. <strong>Die</strong> Nomadenherrscher hatten oftm<strong>als</strong> Schlösser und Paläste <strong>in</strong> den Städten und<br />

nahmen <strong>als</strong> Gouverneure o<strong>der</strong> Grundbesitzer e<strong>in</strong>e feste Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> feudalen Herrschaftshierarchie e<strong>in</strong>.<br />

Der größte und prunkvollste Palast <strong>in</strong> Širaz, am Hang außerhalb <strong>der</strong> eigentlichen Stadt und ihrer Befestigung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Garten gelegen, <strong>der</strong> Bagh-e Eram–Palast, war <strong>der</strong> Sitz <strong>der</strong> mächtigen Qašghai-Nomaden, die ihre<br />

Wiedegebiete rund um die Stadt hatten und im Laufe <strong>der</strong> Geschichte oftm<strong>als</strong> <strong>in</strong> kriegerische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

mit den Städtern verwickelt waren. Ebenso hatten die Qizilbaš-Nomaden, von denen <strong>als</strong> Stamm, aus denen die<br />

Safawiden-Dynastie abstammte, <strong>als</strong> religiös bestimmte šiitische Sekte Nachfahren <strong>der</strong> Aq-qoyunlu (Weißhammel)-<br />

Nomaden 251 , die ihre Weidegebiete <strong>in</strong> Azerbeidjan und im westlichen Elburz um Ardebil besaßen, sich zu Königen<br />

(Fürsten) von Azerbeidjan mit festem Sitz <strong>in</strong> Tabriz gemacht, ehe sie nach siegreichen Kriegen <strong>als</strong> Šah von Persien<br />

ihren Herrschaftssitz nach Esfahan verlegten.<br />

In <strong>der</strong> Geschichte des Nahen Ostens wird immer wie<strong>der</strong> deutlich und wurde auch von zeitgenössischen<br />

Wissenschaftlern wie Ibn Khaldun so verstanden, dass die nomadische Lebensform ke<strong>in</strong>eswegs <strong>der</strong> sesshaftbäuerlichen<br />

Lebensform nachgeordnet und unterlegen ist, son<strong>der</strong>n oftm<strong>als</strong> die machtstärkeren Herrschaftsgruppen<br />

stellte. Auch wirtschaftshistorisch gilt es <strong>als</strong> sicher, dass <strong>der</strong> nahöstliche Kle<strong>in</strong>tiernomadismus ke<strong>in</strong>e »primitive<br />

Vorform« <strong>der</strong> Sesshaftigkeit gewesen ist, son<strong>der</strong>n sich <strong>in</strong> Ergänzung zur krisenanfälligeren und oft e<strong>in</strong>seitigeren<br />

sesshaften Agrarwirtschaft vor allem <strong>in</strong> den Gebirgsrandgebieten mit ihren ger<strong>in</strong>geren Erträgen aus dieser sesshaften<br />

Lebensform heraus entwickelte.<br />

Trotz <strong>der</strong> oft kriegerischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> nomadischen Völker mit den sesshaften Bauern um die<br />

Nutzung von Boden und Wasser, waren die Gruppen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> immer ökonomisch mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verflochten und<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig. Nomaden haben ihre Produkte ebenso selbstverständlich wie die Bauern <strong>der</strong> Umgebung <strong>in</strong><br />

den Bazaren <strong>der</strong> Städte verkauft und waren <strong>in</strong> die Geldwirtschaft e<strong>in</strong>bezogen. <strong>Die</strong> Beson<strong>der</strong>heit, dass <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> die<br />

Mehrzahl <strong>der</strong> Nomadenvölker turkmenischer, die Mehrzahl <strong>der</strong> bäuerlichen Gesellschaft persischer Abstammung<br />

ist, lässt sich aus <strong>der</strong> Siedlungsgeschichte heraus <strong>in</strong>terpretieren. Wir weisen hier aber noch e<strong>in</strong>mal ausdrücklich<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen zwischen Nomaden und Bauern o<strong>der</strong> Städter <strong>in</strong> <strong>der</strong> iranischen<br />

Vergangenheit ke<strong>in</strong>e ethnische Dimension besaßen.<br />

Das wirft auch aus iranischer Perspektive e<strong>in</strong> etwas an<strong>der</strong>es Licht auf den Kurdenkonflikt im nordwestlichen<br />

Grenzbereich im Zagrosgebirge. Es ist eben nicht so, dass die Kurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit e<strong>in</strong> unterdrücktes Volk<br />

gewesen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n sie gehörten zu <strong>der</strong> zeitweise eher privilegierten Gruppe <strong>der</strong> Gebirgsnomaden. Dass sie im<br />

Gegensatz zur genannten Mehrheit <strong>der</strong> nomadischen Völker <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> zur persischen Volksgruppe gehören, spielte<br />

auch hier ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

<strong>Die</strong> Stellung des Šahs<br />

<strong>Die</strong> Perspektive, die Machtspitze <strong>Iran</strong>s zu beschreiben, ist <strong>in</strong> dem folgenden Zitat aus <strong>der</strong> Schülerarbeit europäisch.<br />

<strong>Die</strong> Konzentration auf den ökonomischen Aspekt haben wir schon mehrfach konstatiert. <strong>Die</strong>se Perspektive ersche<strong>in</strong>t<br />

– ohne das hier quellenmäßig belegen zu können – <strong>als</strong> typisch für das Gymnasium gelten zu können. Der kulturelle<br />

250<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

251<br />

<strong>Die</strong>se hatten sich <strong>in</strong> langen Fehden gegen die Kara-qoyunlu (Schwarzhammel) durchgesetzt.<br />

134

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!