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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

überhöre und <strong>der</strong> Teheraner Führung sogar Unterstützung gegen die Amerikaner anbiete“ (Hervorhebungen<br />

G.V.) 539<br />

So zeigt sich die Doppelgesichtigkeit des Diskurses <strong>als</strong> Selbstvergewisserung über die Realität nach <strong>in</strong>nen und <strong>als</strong><br />

Waffe zur Durchsetzung eigener Realitätssichten nach außen. Dabei sche<strong>in</strong>t es so, was e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong>en<br />

Untersuchung bedürfte, dass es zur Zeit des »Kalten Krieges« auf beiden Seiten dieses Konfliktes gar ke<strong>in</strong>en<br />

expliziten Ost-West-Diskurs gegeben hat. Das mag damit zusammenhängen, dass das, was üblicherweise <strong>als</strong><br />

unbefragt gegeben und <strong>als</strong> selbstverständlich akzeptiert wird – dazu gehören auch Gegnerschaften –, nicht<br />

unmittelbar diskursfähig ist. Damit deutet sich wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e Aufgabe e<strong>in</strong>er diskursiven Didaktik an: das<br />

Selbstverständliche diskursfähig zu machen. In Bezug auf den West-Ost-Konflikt hätte es gute Diskursgrundlagen<br />

aus historischer Perspektive schon Anfang <strong>der</strong> sechziger Jahre gegeben, z.B. <strong>in</strong> den grundlegenden Untersuchungen<br />

von Hölzle über die Geschichte <strong>der</strong> zweigeteilten Welt (1961, 1963). Doch waren diese Arbeiten zu sehr <strong>in</strong> die<br />

historischen Diskurse über Hegemoni<strong>als</strong>taatlichkeit und nation<strong>als</strong>taatliches nation build<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>bezogen, um e<strong>in</strong>en<br />

solchen politischen Diskurs anstoßen zu können. Dabei ist es sicher ideengeschichtlich ke<strong>in</strong> Zufall, dass gerade <strong>in</strong><br />

dieser Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er politischen Öffentlichkeit Alexis <strong>der</strong> Tocqueville erneut rezipiert wird. Das Selbstverständliche<br />

ist <strong>in</strong> diesem Kontext <strong>der</strong> (National-) Staat und – ohne dass dieser Begriff schon E<strong>in</strong>gang gefunden hätte – die<br />

Staatsgesellschaft. Selbstverständlichkeiten werden <strong>als</strong> Normen und auch im Kontakt und Konflikt mit dem<br />

Fremden <strong>als</strong> Verb<strong>in</strong>dlichkeiten verstanden und werden so handlungsleitend und Realitäten strukturierend.<br />

So f<strong>in</strong>den sich aus westlicher, europäischer Perspektive mehrere Phasen <strong>der</strong> Perspektiven und Inhalte <strong>der</strong><br />

jeweils aktuellen Menschenrechts-Diskurse. Zunächst gilt das Menschenrecht <strong>als</strong> identisch mit dem <strong>in</strong> Europa <strong>in</strong><br />

<strong>Revolution</strong>en erkämpften und durchgesetzten Bürgerrecht und verb<strong>in</strong>det sich <strong>als</strong> Grundlage <strong>der</strong> staatlichen<br />

Organisation <strong>der</strong> »westlichen Gesellschaftsform« mit dem Völkerrecht. <strong>Die</strong>s ist nun explizit e<strong>in</strong>e partikulare,<br />

spezifische historische Entwicklung, bei <strong>der</strong> die Gültigkeit über Europa h<strong>in</strong>aus durchaus nicht selbstverständlich ist,<br />

son<strong>der</strong>n eng gebunden ist an die ökonomisch-politische Machtausdehnung Europas <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuzeit.<br />

Während sich, nachdem auch die Kriege im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t globalen Charakter angenommen haben, im<br />

zwischenstaatlichen Verkehr über das formale Mittel des Bündnisrechtes im Völkerbund und nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> UNO-Charta und den darauf aufbauenden Verträgen und Organisationen auf <strong>der</strong> Basis des<br />

europäischen Rechtes e<strong>in</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger anerkanntes <strong>in</strong>ternationales Völkerrecht universalisiert – was nur <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Anerkenntnis des Partizipationsmonopoles durch Nation<strong>als</strong>taaten gelungen ist –, wendet sich im <strong>in</strong>nerstaatlichen<br />

Bereich <strong>der</strong> Menschenrechts-Diskurs entsprechend <strong>der</strong> gesellschaftlichen Entwicklungen immer stärker gruppenund<br />

problemspezifischen Konkretisierungen zu.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg verb<strong>in</strong>den die westeuropäischen Staaten und die USA ihre rechtlichen Diskurse<br />

immer stärker mit dem Demokratie-Diskurs. Entsprechend <strong>der</strong> Wandlungen <strong>der</strong> gesellschaftlichen und politischen<br />

Situation <strong>in</strong> unserem Beispiel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland s<strong>in</strong>d verschiedene Phasen <strong>der</strong> Ausprägung und<br />

Zielrichtung dieser Menschenrechts-Diskurse auszumachen, die sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e öffentliche<br />

und gesellschaftliche Diskurse zeigen und die z.T. auch <strong>in</strong> den sich wandelnden Machtverhältnissen und politischen<br />

Mehrheiten gespiegelt werden können:<br />

1. Nachkriegs- und Restaurationszeit <strong>der</strong> 50er und 60er Jahre <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland. <strong>Die</strong><br />

Menschenrechtsfrage, die noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung zum Grundgesetz e<strong>in</strong>e wichtige Rolle gespielt hat, wird <strong>in</strong> den<br />

politischen Diskursen nach <strong>der</strong> Staatsgründung weitgehend <strong>als</strong> durch die staatliche demokratische Ordnung<br />

e<strong>in</strong>gelöst verstanden und <strong>als</strong> selbstverständlich eher nicht diskutiert. Menschenrecht und Ordnung werden <strong>als</strong><br />

ontische E<strong>in</strong>heit verstanden, <strong>der</strong>en normative Kraft selbstverständlich <strong>als</strong> allgeme<strong>in</strong>gültig verstanden wird.<br />

Letztere Auffassung bed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er darunter liegenden Diskursebene aber eben auch den <strong>in</strong>strumentellen,<br />

funktionalisierbaren Charakter von Demokratiepostulat, staatlicher Ordnung und Menschenrecht zur Abwehr<br />

<strong>der</strong> machtpolitisch bedrohlichen konkurrierenden, <strong>in</strong>haltlich aber immer mehr anathematisierten alternativen<br />

Ordnungsvorstellung des Kommunismus. Das schon konstatierte Fehlen e<strong>in</strong>es expliziten West-Ost-Diskurses<br />

entspricht <strong>der</strong> diskursstrukturellen Befürchtung, dass e<strong>in</strong> solcher Diskurs zur Anerkennung e<strong>in</strong>er diskursiven<br />

Gleichrangigkeit <strong>der</strong> Diskursgegner, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anerkennung e<strong>in</strong>er ideologischen Bipolarität führen könnte, wie es<br />

dann <strong>in</strong> den siebziger und achtziger Jahre auch tatsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuen Ostpolitik e<strong>in</strong>trat. Was machtpolitisch<br />

<strong>als</strong> »Zweiteilung <strong>der</strong> Welt« (Hölzle 1961) entsprechend traditionellen Vorstellungen von <strong>der</strong> Hegemonialkonkurrenz<br />

<strong>der</strong> Großmächte ohne diskursive Implikationen <strong>als</strong> Realität wahrgenommen und <strong>als</strong> politische<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gung akzeptiert wurde, konnte auf <strong>der</strong> Diskursebene so ke<strong>in</strong>e Entsprechung f<strong>in</strong>den. <strong>Die</strong>se<br />

unpolitische Wahrnehmung des West-Ost-Gegensatzes spiegelt sich auch <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> »Dritten Welt«,<br />

die die Machtkonkurrenz <strong>der</strong> Hegemonialmächte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Antikolonialisierung re<strong>in</strong> funktional ausnutzen,<br />

um im gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausspielen <strong>der</strong> Großmächte USA und UdSSR eigene Handlungsspielräume zu<br />

öffnen und materielle und politische Unterstützung von beiden Seiten erpressen zu können. Auch hier s<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>e Ansätze e<strong>in</strong>es distanzierten West-Ost-Diskurses zu f<strong>in</strong>den, unabhängig davon, ob plakative<br />

Benennungen <strong>der</strong> sich entwickelnden nachkolonialen Herrschaftsgebilde <strong>als</strong> sozialistische, volksdemokratische<br />

Staaten, Republiken o<strong>der</strong> Königreiche 540 zu <strong>der</strong> Fehldeutung führen könnten, hier handele es sich um<br />

Nation<strong>als</strong>taaten im klassisch-europäischen S<strong>in</strong>ne.<br />

539<br />

540<br />

pff. (Bonn/HAZ): SPD befürchtet russische Falle. Skepsis gegenüber <strong>der</strong> amerikanischen <strong>Iran</strong>-Politik. – Hannoversche<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung, 18.04.80. 00418H01.<br />

Vgl. z.B. al-Djumhuria al-Djezairia ad-Dimuqratiyya aš-Ša‘biyya = Demokratische Volksrepublik Algerien (1995).<br />

247

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