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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

<strong>Die</strong> Schülerschaft, mit <strong>der</strong> die Schule heute und die Politische Bildung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e konfrontiert wird, ist <strong>in</strong><br />

mehrfacher H<strong>in</strong>sicht von den Auswirkungen <strong>der</strong> Globalisierungs- und Universalisierungsprozessen betroffen. Dabei<br />

stehen materielle und strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen, die regional und sozial zu differenzieren s<strong>in</strong>d, mentalen und<br />

habitutionellen Entwicklungen und Problemen gegenüber, die vor allem kulturell und identitätsgruppenorientiert<br />

fraktioniert ersche<strong>in</strong>en. Daraus entstehen neue, für die Schule gerade auch <strong>in</strong> den Industriestaaten ungewohnte<br />

Konfliktpotentiale und soziale Bruchl<strong>in</strong>ien. Im Vor<strong>der</strong>grund steht die Beobachtung – o<strong>der</strong> auch nur die Vermutung –<br />

<strong>der</strong> sozialen und kulturellen Des<strong>in</strong>tegration und mentalen Verunsicherung auch bei den Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern<br />

selbst. Das mag <strong>in</strong>sofern überraschend ersche<strong>in</strong>en, <strong>als</strong> die Prozesse <strong>der</strong> Globalisierung und Universalisierung<br />

begrifflich und realpolitisch ja zunächst Integrationsprozesse und Abgleichungsvorgänge bezeichnen sollen. Doch<br />

treten hier die schon erwähnten sozialen und kulturellen Gegenströmungen <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund, die für die <strong>in</strong>nergesellschaftliche<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Folgen <strong>der</strong> Globalisierung signifikanter zu Tage treten <strong>als</strong> die ökonomischstrukturellen<br />

Angleichungsprozesse selbst.<br />

Beg<strong>in</strong>nen wir mit <strong>der</strong> schulischen Wahrnehmung materiell-struktureller Verän<strong>der</strong>ung. Vor allem wird von<br />

vielen Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern e<strong>in</strong> Verlust <strong>der</strong> Homogenität <strong>der</strong> Schülerschaft wahrgenommen und <strong>als</strong> Problem für<br />

das eigene Unterrichten def<strong>in</strong>iert. Im H<strong>in</strong>tergrund stehen die regionalen und globalen Migrationsprozesse, die zu<br />

e<strong>in</strong>er ethnisch-kulturellen Fraktionierung <strong>der</strong> Bevölkerung und damit auch <strong>der</strong> Schülerschaft führen. Dabei spielen<br />

<strong>in</strong>nerschulisch die Migrationbed<strong>in</strong>gungen und -ursachen ebenso wenig e<strong>in</strong>e bedeutsame Rolle wie die qualitativen<br />

Unterschiede <strong>in</strong> den Lernvoraussetzungen und kulturellen Orientierungen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler. Inhomogenität<br />

<strong>als</strong> solche und Fremdheit bzw. Distanz werden ganz pauschal und weitgehend undifferenziert <strong>als</strong> Entitäten<br />

und wenig bee<strong>in</strong>flussbare Existenzvoraussetzungen wahrgenommen. Anstelle e<strong>in</strong>er notwendigen Differenzierung<br />

<strong>der</strong> Unterrichtsstrategien erfolgt tendenziell sogar e<strong>in</strong>e Entdifferenzierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrnehmung sozialer und<br />

ethnischer Dichotomien. Es ist hier nicht <strong>der</strong> Ort, die sozialpsychologischen Grundlagen dieser <strong>in</strong>adäquaten<br />

Reaktionen zu untersuchen; die Stereotypien- und Vorurteilsforschung hat dazu ebenso wie die Didaktik <strong>der</strong><br />

<strong>Politischen</strong> Bildung seit den klassischen Untersuchungen von Adorno et al. 106 maßgebliches ausgesagt. <strong>Die</strong> kulturelle<br />

Seite dieser Fremdheitswahrnehmung ist auch im Rahmen des tiere mondisme und vor allem <strong>der</strong> französischen<br />

kritischen Ethnologie 107 aufgearbeitet worden.<br />

Bemerkenswerte grundsätzliche Ausführungen, die für unsere thematischen Zusammenhänge wichtig s<strong>in</strong>d –<br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die umfangreiche Literatur <strong>der</strong> Dritte-Welt-Forschung kann hier darüber h<strong>in</strong>aus nicht erfolgen –<br />

f<strong>in</strong>den sich z.B. bei Bitterli 1982, <strong>der</strong> die ambivalente Rezeption des »Fremden« aus <strong>der</strong> »Dritten Welt« <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

europäischen Kulturgeschichte nachzeichnet. Fohrbeck/Wiesand/Zahar 1971, haben mit ihrer ideologiekritischen<br />

Schulbuchanalyse zur Darstellung <strong>der</strong> »Entwicklungslän<strong>der</strong>« im Unterricht wesentliche Anstöße gegeben, das<br />

Thema <strong>in</strong> die didaktische Diskussion zu geben Ebenfalls haben die Autoren Fohrbeck/Wiesand 1981 [1983] den<br />

Perspektivwechsel, eurozentrische Wahrnehmung umgekehrt auf Europa selbst anzuwenden <strong>in</strong> ihren Unterrichtsmaterialien<br />

„Wir E<strong>in</strong>geborenen“ gelungen und praxisnah umgesetzt, <strong>als</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Behandlung von <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Themen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung, auch zum Thema <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, ist dieses<br />

Material auch ohne regionale Spezifität äußerst geeignet; die dabei zu Tage tretenden Stereotypien <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

<strong>Politischen</strong> Kultur, die sich <strong>als</strong> Urteile über fremde Kulturen und Völker ausdrücken, s<strong>in</strong>d Thema <strong>der</strong> Untersuchungen<br />

zur Rezeption <strong>der</strong> »Dritte-Welt«-Thematik bei Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern <strong>in</strong> Voigt 1982 und 1993a/c;<br />

diese Arbeiten beruhen auf empirischen Untersuchungen Anfang <strong>der</strong> 80er-Jahre <strong>in</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Gymnasien<br />

und belegen, dass die aufgezeigten »Dritte-Welt«-Stereotypen bei Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern eng korrelieren mit<br />

den politischen und soziokulturellen Milieus und E<strong>in</strong>stellungen. Wesentliches Ergebnis <strong>der</strong> Empirik war hier, dass<br />

auch <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf »Dritte-Welt«-Stereotypen bei Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern etwa 10 - 15 % dem rechtsradikalen<br />

bis rassistischen Spektrum zuzuordnen waren. Neuere Untersuchungen zu den politischen Milieus, wie sie z.B.<br />

Michael Vester <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em programmatischen Vortrag vor SPD-Gremien 1999 vorgestellt hat, lassen vermuten, dass<br />

diese Gruppe stabil geblieben, wenn nicht seither sogar gewachsen ist. Der Verfasser versucht daraus im S<strong>in</strong>ne des<br />

Interkulturellen Lernens Konsequenzen zur didaktischen Bewältigung von Motivations- und Lernhemmnissen zum<br />

Thema »Dritte Welt« aufzuzeigen.<br />

Untersuchen wir die Ursachen dieser <strong>in</strong>nerschulischen Problemdifferenzierungen, müssen wir, entgegen <strong>der</strong><br />

Eigenwahrnehmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule, gerade die externen Verursachungsfaktoren <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund rücken. Migrationswellen,<br />

die das heutige Weltsystem maßgeblich bestimmen – was an sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltgeschichte nichts Neues<br />

106<br />

107<br />

Klassische E<strong>in</strong>führungen <strong>in</strong> die Thematik z.B. bei Adorno u.a. 1973: 46-61, Gottschalch 1977: 35 ff., Battmer/Rischmüller/Voigt<br />

1981: 47-54; schulbezogene Studien und Unterrichtshilfen z.B. Bade 1992: 9-49 und Materialteil,<br />

Heitmeier 1992: <strong>in</strong>sbes. 18-19 und Materialteil, Pilz 1993: 40-43, 80-89, Voigt 1993b.<br />

Zentrale Werke s<strong>in</strong>d dabei Leiris 1977; Memmi 1980, dessen Werk, das auf 1950 <strong>in</strong> Tunis gehaltenen Vorträgen beruht,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Multiperspektivität e<strong>in</strong>er distanzierten Ethnographie repräsentiert, <strong>als</strong> er, <strong>als</strong> französisch gebildeter tunesischer<br />

Jude <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, die Absurdität und Ausweglosigkeit <strong>der</strong> kolonialen Situation herauszuarbeiten; Levi-Strauss<br />

1977 [1955], dessen Werk die strukturalistische Ethnographie begründet, darüber aber auch wesentlichen zur E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Kategorie des »Verständnisses« <strong>in</strong> die Ethnographie und damit zu ihrem Charakter <strong>als</strong> »Menschenwissenschaft« beigetragen<br />

hat; Said 1981 mit se<strong>in</strong>en grundlegenden kritischen Ausführungen zum Orientalismus wurde schon im Abschnitt<br />

1.1.2. dieser Arbeit ausführlich zitiert und gewürdigt.<br />

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