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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

<strong>Die</strong> Lage <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

„Anstatt das Wissen <strong>der</strong> älteren Generation festzuhalten und <strong>der</strong> Nachwelt zu überliefern, wurden Gesetze erlassen und<br />

Sitten und Traditionen gepflegt, die e<strong>in</strong>e Ablehnung <strong>der</strong> Wissenschaften be<strong>in</strong>halteten und an <strong>der</strong>en Stelle<br />

Tugendhaftigkeit, Gottesfurcht und Jenseitshoffnungen setzten. <strong>Die</strong> Schulen und Universitäten blieben von diesen<br />

Strömungen nicht unbee<strong>in</strong>flusst, den Mullahs fiel die Aufgabe zu, den Lehrstoff festzulegen und selbst <strong>als</strong> Gelehrte zu<br />

arbeiten. Es wurden beson<strong>der</strong>s die im Orient entwickelten Wissenschaften vernachlässigt, woh<strong>in</strong>gegen Europa die<br />

Möglichkeit ergriff, diese Wissenschaften weiter zu entwickeln.“ 218<br />

Partiell treffen diese Aussagen zu, wenngleich <strong>Iran</strong> auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Safawidenzeit e<strong>in</strong>en hohen <strong>in</strong>tellektuellen Standard<br />

se<strong>in</strong>er Eliten bewahren konnte; doch fehlt hier die gesellschaftliche Analyse, die gerade <strong>als</strong> Parallele zu den heutigen<br />

Machtause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> erhellend wirken könnte. Wissenschaft und<br />

Glauben, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arabischen Klassik vor allem im Kontext <strong>der</strong> theologischen Richtung <strong>der</strong> Mutazilia im 10.-11.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t u.Z. nicht <strong>als</strong> Gegensatz, son<strong>der</strong>n <strong>als</strong> gegenseitige Bestärkung verstanden, lassen sich <strong>als</strong> Wi<strong>der</strong>spruch<br />

für gegensätzliche Macht<strong>in</strong>teressen und e<strong>in</strong>e Verschiebung vorhandener Machtbalancen funktionalisieren. Indem die<br />

iranische Herrschaft dualistische Weltdeutungen aus <strong>der</strong> iranischen Geschichte wie<strong>der</strong> aufgreifen und die Glauben-<br />

Wissen-Dichotomie, die im Gegensatz zur arabischen Tradition für das europäische Christentum theologisch<br />

maßgeblich und politisch bedeutsam gewesen ist (Staat/Kirche, Aufklärung/Inquisition) rezipiert, kann sie Legitimationsprobleme,<br />

die auch durch ihre azerbeidjanisch-turkmenische Herkunft bed<strong>in</strong>gt waren (die Safawiden-Šahs<br />

sprachen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong> fârsi son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en türkischen Dialekt, residierten aber <strong>in</strong> Esfahan im Zentrum des<br />

persischen Sprachraumes) neutralisieren und die Stellung des Hofes festigen. <strong>Die</strong> höfische Kultur <strong>in</strong> Esfahan lässt<br />

sich mit <strong>der</strong> prunkvollen Hofhaltung <strong>der</strong> späten Osmanischen Sultane <strong>in</strong> Istanbul vergleichen, die jedoch schon den<br />

langsamen Zerfall ihres Reiches repräsentierten. <strong>Die</strong> Parallelen zum iranischen Hof, <strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong><br />

Eroberer- und Krieger-Sultane <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei stehen und daher von an<strong>der</strong>en zivilisatorisch-habituellen Charakteristiken<br />

geprägt wurden, müsste historisch-soziologisch noch e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong> erschlossen werden.<br />

Private Werkstätten<br />

„Mit <strong>der</strong> Zunahme <strong>der</strong> Nachfrage von Seiten des europäischen Marktes nahmen auch die privaten Werkstätten und<br />

Manufakturen zu. <strong>Die</strong> Zunahme <strong>der</strong> Nachfrage bedeutete jedoch ke<strong>in</strong>esfalls, dass die erfor<strong>der</strong>lichen Schritte zum Aufbau<br />

e<strong>in</strong>er Industrie unternommen worden wären. <strong>Die</strong> Produktion wurde durch kle<strong>in</strong>e Manufakturen zum Teil <strong>in</strong> Heimarbeit<br />

erbracht. Das vorhandene Privatkapital wurde nicht <strong>in</strong> den Werkstätten <strong>in</strong>vestiert, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Handelskapital umgewandelt<br />

und von den importierten europäischen Waren assimiliert, da die Kapitalbesitzer durch den Verkauf von ausländischen<br />

Waren größere Profite erzielen konnten. <strong>Die</strong> Handwerker konnten sich nicht selbständig entwickeln, da ihnen die Bildung<br />

des für Investitionen erfor<strong>der</strong>lichen Kapit<strong>als</strong> durch f<strong>in</strong>anzielle Belastungen wie Steuer und ger<strong>in</strong>ger Verkaufswert<br />

unmöglich war. <strong>Die</strong> Folge war, dass sie traditionell und irrational die Ware produzierten, die von den ausländischen<br />

Händlern gefor<strong>der</strong>t wurden. <strong>Die</strong> dadurch erzielten Profite reichten kaum für die Ernährung <strong>der</strong> Familie.“ 219<br />

<strong>Die</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Manufakturwirtschaft zu Europa und ihre Abhängigkeit vom Export werden hier übertrieben.<br />

Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts erst entwickelt sich e<strong>in</strong> stärkeres europäisches Interesse an <strong>Iran</strong> im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Vergabe von Erdölkonzessionen. Das gehört aber <strong>in</strong> die Geschichte <strong>der</strong> Qadjaren-Dynastie (und <strong>in</strong> die<br />

Zeitgeschichte). <strong>Die</strong>se problematischen Gewichtungen s<strong>in</strong>d im Unterricht ebenso erörtert und richtig gestellt<br />

worden, wie die historisch zutreffenden Kerne <strong>der</strong> Darstellung hervorgehoben wurden. Insgesamt bewegt sich dieser<br />

Unterricht jedoch im traditionellen Rahmen des gymnasialen Geschichts- und Erdkunde-Unterrichts und muss erst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren Phase <strong>in</strong> exemplarische Arbeitsweisen und sozialgeschichtliche Kontexte überführt werden.<br />

An<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d die Sachausführungen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler, eigenständig zusammengetragen und<br />

erarbeitet, durchaus bei e<strong>in</strong>em für die Autoren völlig fremdem und »exotischem« Thema bemerkenswert.<br />

3.1.1.2. <strong>Die</strong> exogenen Ursachen für die Unterentwicklung<br />

<strong>Die</strong> Kriege<br />

<strong>Die</strong> kategoriale Unterscheidung von endogenen und exogenen Verursachungen von Unterentwicklung entspricht <strong>der</strong><br />

üblichen Darstellung des Entwicklungsproblems <strong>in</strong> Schulbüchern und den erdkundlichen Paradigmen. <strong>Die</strong><br />

Interdependenz bei<strong>der</strong> Wirkungsdimensionen wird zwar seit den dependencia-Theorien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachwissenschaft <strong>als</strong><br />

gängige und notwendige Erklärungsdimension gesehen, bereitet jedoch für die konkrete Darstellung, die<br />

sequenziellen Argumentationsformen folgt, gerade für Nichtwissenschaftler erhebliche Schwierigkeiten.<br />

<strong>Die</strong> exogen Verursachungen s<strong>in</strong>d dabei noch schwieriger darzustellen und s<strong>in</strong>d eher von stereotypen<br />

Beurteilungen betroffen, da sie das Verhältnis Europas zu den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> »Dritten Welt« thematisieren und e<strong>in</strong>e<br />

Brücke bauen müssen, zwischen den Orientierungs- und Erfahrungswelten <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler selbst und<br />

<strong>der</strong> Konfrontation mit dem »Fremden«, schwer e<strong>in</strong>zuordnenden. <strong>Die</strong> Darstellung dieser Faktoren bleibt daher <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

218<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

219<br />

ibid.<br />

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