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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

Konkretheit <strong>der</strong> Realitätszugänge und die fachlich-rationale Ausgestaltung <strong>der</strong> Erklärungskonzepte legen. Das<br />

schließt ke<strong>in</strong>eswegs aus, dass zu den grundlegenden E<strong>in</strong>sichten auch gehört, dass kontroverse Ansätze und vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

abweichende und dennoch wohlbegründete fachliche Term<strong>in</strong>ologien notwendig zum rationalen wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisfortschritt gehören – und eigene Reflexion auch von Seiten <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

notwendig machen. Um hier e<strong>in</strong> Beispiel zu nennen: Schon die grundlegenden Def<strong>in</strong>itionen von Max Weber (1960)<br />

und Willy Strzelewicz (1972) zeigen recht unterschiedliche Möglichkeiten, sich dem Thema „Macht und Herrschaft“<br />

zu nähern: entwe<strong>der</strong> über die abstrakte Beschreibung dessen, wie Macht wirkt und an welchen Wirkungen sie zu<br />

erkennen ist und welche beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> Macht durch Herrschaft charakterisiert wird 466 , o<strong>der</strong> aber über die<br />

gesellschaftliche Funktion, die Macht und Herrschaft e<strong>in</strong>nehmen und wie sie Grundlage gesellschaftlicher<br />

Differenzierung, d.h. <strong>als</strong>o Sozialer Ungleichheit s<strong>in</strong>d. 467 Didaktisch fruchtbar wird die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> diese Mehrschichtigkeit<br />

<strong>der</strong> Realitätserfahrung durch die E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Diskurs Soziale Ungleichheit und Herrschaft.<br />

<strong>Die</strong>ser Ansatz führt zu <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sicht, dass die Herrschaft darauf angewiesen ist, <strong>der</strong> Sozialen Ungleichheit<br />

e<strong>in</strong>en gesellschaftlichen S<strong>in</strong>n zu geben. <strong>Die</strong> folgenden Texte beschreiben verschiedene, sich z.T. gegenseitig<br />

ausschließende und teilweise auch deutlich fehlerhafte – nichtsdestoweniger gesellschaftlich anerkannte und<br />

wirksame! – Versuche, Soziale Ungleichheit zu erklären und damit auch zu rechtfertigen. Wichtig ist im didaktischen<br />

Zusammenhang, dass erkannt wird, dass es für die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit und die eigenen<br />

politischen Optionen und Ziele durchaus nicht egal ist, welche Erklärung für die Soziale Ungleichheit für zutreffend<br />

genommen wird, son<strong>der</strong>n dass mit <strong>der</strong> Entscheidung für bestimmte Gesellschaftsbil<strong>der</strong> ganze Lebenskonzepte –<br />

Aufstiegsorientierung, politische Konfliktbereitschaft, soziale Verantwortung, Gewaltakzeptanz – verbunden s<strong>in</strong>d. 468<br />

Inwieweit gesellschaftliche Traditionen – die „Politische Kultur“ – und <strong>in</strong>dividuelle biographische Erfahrungen –<br />

Enkulturations- und Akkulturationsprobleme – dabei e<strong>in</strong>e Rolle spielen, ist im Zusammenhang mit den differenzierten<br />

gesellschaftlichen Situationen <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Semiperipherien, d.h. von <strong>Iran</strong>, und den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

globalen <strong>in</strong>dustriellen Zentren, d.h. <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland und den europäischen Staatsgesellschaften zu<br />

erörtern. Hier soll abschließend dass äußerst problematische Selbstbild unserer gegenwärtigen Industrie- und<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsgesellschaft <strong>als</strong> „Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft“ im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „funktionalistischen<br />

Schichtungstheorie“ angesprochen werden.<br />

<strong>Die</strong> Vorstellung von „sozialen Schichten“ und dem „Statusaufbau“ unserer Gesellschaft ist längst Allgeme<strong>in</strong>platz<br />

des öffentlichen Bewusstse<strong>in</strong>s geworden und muss daher genauer untersucht werden. Doch entsteht dadurch<br />

e<strong>in</strong> mental verfestigtes Bild <strong>der</strong> sozialen Realität, das den Prozess und Diskurscharakter gesellschaftlicher Ersche-<br />

466<br />

„Macht bedeutet jede Chance, <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Wi<strong>der</strong>streben durchzusetzen,<br />

gleichviel worauf diese Chance beruht. Herrschaft soll heißen die Chance, für e<strong>in</strong>en Befehl bestimmten Inhalts bei<br />

angebbaren Personen Gehorsam zu f<strong>in</strong>den; Diszipl<strong>in</strong> soll heißen die Chance, kraft e<strong>in</strong>geübter E<strong>in</strong>stellung für e<strong>in</strong>en Befehl<br />

prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei e<strong>in</strong>er angebbaren Vielheit von Menschen zu f<strong>in</strong>den.<br />

1. Der Begriff »Macht« ist soziologisch amorph. Alle denkbaren Qualitäten e<strong>in</strong>es Menschen und alle<br />

denkbaren Konstellationen können jemand <strong>in</strong> die Lage versetzen, se<strong>in</strong>en Willen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gegebenen<br />

Situation durchzusetzen. Der soziologische Begriff <strong>der</strong> »Herrschaft« muss daher präziser se<strong>in</strong> und kann nur<br />

die Chance bedeuten, für e<strong>in</strong>en Befehl Fügsamkeit zu f<strong>in</strong>den.<br />

2. Der Begriff <strong>der</strong> »Diszipl<strong>in</strong>« schließt die »E<strong>in</strong>geübtheit« des kritik- und wi<strong>der</strong>standslosen Massengehorsams<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Der Tatbestand e<strong>in</strong>er Herrschaft ist nur an das aktuelle Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es erfolgreich an<strong>der</strong>en Befehlenden, aber we<strong>der</strong><br />

unbed<strong>in</strong>gt an die Existenz e<strong>in</strong>es Verwaltungsstabes noch e<strong>in</strong>es Verbandes geknüpft; dagegen allerd<strong>in</strong>gs – wenigstens <strong>in</strong> allen<br />

normalen Fällen – an die e<strong>in</strong>es von beiden. E<strong>in</strong> Verband soll <strong>in</strong>soweit, <strong>als</strong> se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> <strong>als</strong> solche kraft gelten<strong>der</strong><br />

Ordnung Herrschaftsbeziehungen unterworfen s<strong>in</strong>d, Herrschaftsverband heißen.“ Max Weber, 1960: Soziologische Grundbegriffe.<br />

Tüb<strong>in</strong>gen (Mohr), S. 42 f.<br />

467<br />

„Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Weberschen und Marxschen Gedanken und <strong>der</strong> an ihnen geübten Kritik sche<strong>in</strong>t es mir somit<br />

am brauchbarsten zu se<strong>in</strong>, unter Herrschaft zu verstehen: die durch beson<strong>der</strong>e Gruppen o<strong>der</strong> Klassen erfolgreich behauptete<br />

Monopolisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Besetzung von solchen Spitzenpositionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft, von denen her ohne statuarisch<br />

gesicherten E<strong>in</strong>fluß an<strong>der</strong>er Gruppen und Klassen entschieden werden kann:<br />

1. wie und was produziert wird<br />

2. wie das Sozialprodukt verteilt wird<br />

3. wer generationsmäßig an den Kommandopositionen nachfolgt<br />

4. wie die staatlichen Machtmittel verwendet werden<br />

Gruppen, Klassen o<strong>der</strong> Schichten, die die genannten Positionen und die darauf zu treffenden Entscheidungen <strong>in</strong> welcher<br />

Form auch immer haben monopolisieren können, lassen sich <strong>als</strong> herrschende Gruppen, Klassen o<strong>der</strong> Schichten bezeichnen.<br />

Demokratisierung <strong>als</strong> Abbau von Herrschaft <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bedeutet dann nicht etwa Aufhebung je<strong>der</strong> Chance, Gehorsam<br />

zu f<strong>in</strong>den, o<strong>der</strong> Beseitigung je<strong>der</strong> Art von Weisungsgefüge o<strong>der</strong> Abschaffung von Entscheidungspositionen <strong>in</strong> solchen<br />

Weisungsgefügen – ist aber auch nicht identisch mit <strong>der</strong> Beseitigung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Demokratisierung<br />

<strong>als</strong> Abbau von Herrschaft bedeutet danach vielmehr Aufhebung <strong>der</strong> Monopolisierung bei <strong>der</strong> Besetzung <strong>der</strong><br />

oben genannten Spitzenstellungen durch entsprechende Prozeduren <strong>der</strong> Beauftragung, <strong>der</strong> Auswechslung, <strong>der</strong> Mitbeteiligung<br />

aller Gruppen an den Entscheidungen und <strong>der</strong> Aufkündigung <strong>der</strong> Befolgungsbereitschaft gegenüber jenen leitenden<br />

Personenkreisen.“ Willy Strzelewicz, 1972: Herrschaft ohne Zwang? Systeme und Interpretation <strong>der</strong> Autorität heute. In: G.<br />

Hartfiel, Hg., <strong>Die</strong> autoritäre Gesellschaft. »Kritik 1«. Opladen 1972 3 (Westdeutscher Verlag), S.27<br />

468<br />

<strong>Die</strong>se Ausführungen implizieren wie<strong>der</strong>um Überlegungen von Jürgen Wolf (vgl. Fußnote 406 zu Wolf/Voigt 1977).<br />

213

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