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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

Werbeagenturen, Public Relations-Abteilungen und e<strong>in</strong>er stark expandierenden <strong>Die</strong>nstleistungs<strong>in</strong>dustrie ausgeübt<br />

wird.<br />

<strong>Die</strong> Tendenz zur Sensibilisierung für Verhältnisse zwischen Individuen und Gruppen ist e<strong>in</strong> Aspekt e<strong>in</strong>es<br />

Prozesses, den man <strong>als</strong> Soziologisierung bezeichnen könnte; die Sensibilisierung für Verhältnisse <strong>in</strong><br />

Individuen <strong>als</strong> e<strong>in</strong>e Psychologisierung. An<strong>der</strong>s gesagt, bezieht sich <strong>der</strong> erste Teilprozeß auf e<strong>in</strong>e erweiterte<br />

Identifikation, <strong>der</strong> zweite auf dessen Wi<strong>der</strong>part e<strong>in</strong>er wachsenden Individualisierung, auf die Notwendigkeit<br />

und den Wunsch, sich <strong>als</strong> Persönlichkeit zu profilieren. Insgesamt haben sich die Zwänge, die Menschen<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und auf sich selbst ausüben, verstärkt: sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>em stark gewachsenen Konformitätszwang und<br />

zugleich e<strong>in</strong>em entsprechend gesteigerten Profilierungszwang ausgesetzt.“ 116<br />

Von erheblicher Bedeutung <strong>in</strong> unserem Zusammenhang ist es, dass die gesellschaftliche Individualisierung<br />

ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e freie und verfügbare Entscheidung des E<strong>in</strong>zelnen selbst ist, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e adäquate Reaktion auf<br />

objektive gesellschaftliche und sozioökonomische Verän<strong>der</strong>ungen darstellt. Über Wouters h<strong>in</strong>aus kann hier auch auf<br />

die gravierenden Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den biographischen Erfahrungen und Erwartungen vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitnehmerschaft<br />

h<strong>in</strong>gewiesen werden, <strong>der</strong>en Prognose und Bewertung <strong>in</strong> unserer Gesellschaft außerordentlich kontrovers<br />

ist. Hier öffnet sich die Beziehung zu <strong>der</strong> aktuellen Ausgestaltung e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> grundlegenden Diskurse – im<br />

didaktischen Konzept auch <strong>als</strong> »Schlüsselproblem« e<strong>in</strong>zuordnen – <strong>der</strong> Gesellschaft wie auch des <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Dialogs, des Diskurses über Soziale Ungleichheit, Macht und Gerechtigkeit. 117 Es geht bei dem Prozess <strong>der</strong><br />

Individualisierung für den E<strong>in</strong>zelnen darum, Sicherheiten zu gew<strong>in</strong>nen, wenn nicht zu konstruieren. <strong>Die</strong> oftm<strong>als</strong><br />

konstruierten Wirklichkeiten <strong>der</strong> Medien, <strong>der</strong> Moden und <strong>der</strong> Aktualitäten haben zunehmend die Funktion <strong>der</strong><br />

Realitätserschließung, <strong>der</strong> Wertorientierung und <strong>der</strong> S<strong>in</strong>ngebung von den bedeutungsloser weil wirkungsloser<br />

werdenden traditionellen Institutionen Familie, Schule, Kirche und Beruf übernommen. Der E<strong>in</strong>zelne kommt dabei<br />

aber zunehmend <strong>in</strong> grundlegende strukturelle Wi<strong>der</strong>sprüche, die er nicht mehr selbst auflösen kann.<br />

„<strong>Die</strong>se Zwänge zur Identifikation und Individualisierung, zu Konformität und Profilierung, gehen wie die zwei<br />

Seiten e<strong>in</strong>es Januskopfes aus e<strong>in</strong> und demselben Prozess <strong>der</strong> Zivilisation hervor. Aus diesen Zusammenhängen<br />

wird ersichtlich, wie wichtig es ist, <strong>in</strong> Gleichgewichten zu denken. Denn oft genug wird e<strong>in</strong>e kulturkritische<br />

Diagnose, welche die diktierten Muster <strong>der</strong> fortschreitenden E<strong>in</strong>schränkung von Selbstbestimmungsmöglichkeiten<br />

verzeichnet, e<strong>in</strong>er Individualisierungdiagnose gegenübergestellt, die, wie auch immer formuliert, die gewachsene<br />

<strong>in</strong>dividuelle Freiheit betont. Freilich s<strong>in</strong>d die beiden mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verschränkten Diagnosen gleichermaßen<br />

e<strong>in</strong>seitig: diktierte Muster und Freiheitsträume spiegeln e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wie Ängste und Passionen,<br />

Schreckensbil<strong>der</strong> und Ideale.<br />

Jene Verschränkung macht aber jeden Versuch e<strong>in</strong>er Bewertung des Gesamtprozesses zu e<strong>in</strong>em allenfalls<br />

ambivalenten Balanceakt. Immer mehr Erfahrungen, Interpretationen und Ideale s<strong>in</strong>d selbst ambivalent<br />

geworden. Im Prozess <strong>der</strong> Informalisierung vollzieht sich e<strong>in</strong>e ‚kontrollierte Dekontrolle‘ des sozialen Verkehrs-<br />

und des Gefühlslebens; aber wo genau liegen <strong>der</strong>en Grenzen? Es haben sich Ausblicke auf neuartige<br />

Verhaltens- und Gefühlsalternativen ergeben; viele s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> neue Richtungen gegangen, manche g<strong>in</strong>gen zu weit.<br />

Wie verhält es sich zum Beispiel mit dem riskanten Hedonismus und dem Sich-gehen-Lassen?“ (Wouters<br />

1994/ibid.)<br />

<strong>Die</strong>se abschließenden Fragen von Cas Wouters müssen hier unbeantwortet bleiben, zeigen aber die strukturelle<br />

gesellschaftliche Problematik <strong>der</strong> Gegenwart sehr deutlich. Da diese Individualisierungszumutungen nicht nur die<br />

abhängig Beschäftigten o<strong>der</strong> die Unterschichten treffen und desorientieren, son<strong>der</strong>n auch die Realitätssicht <strong>der</strong><br />

politischen und ökonomischen Eliten, die ohneh<strong>in</strong> nicht mehr <strong>als</strong> geme<strong>in</strong>same Oberschicht, son<strong>der</strong>n <strong>als</strong> fragmentierte<br />

konkurrierende Eliten zu verstehen s<strong>in</strong>d, greifen die aufgezeigten Wandlungen weiter <strong>in</strong> die Substanz <strong>der</strong><br />

<strong>Politischen</strong> Kultur e<strong>in</strong>, <strong>als</strong> es zunächst den Ansche<strong>in</strong> hat.<br />

Auch wenn äußerlich die grundlegenden gesellschaftlichen Milieus, nach Vester, noch vorhanden se<strong>in</strong> mögen,<br />

unterliegen sie <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong> ihrer E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> und Ausrichtung an <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur tiefer greifenden<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, die nur zu vergleichen s<strong>in</strong>d mit den frühneuzeitlichen Homogenisierungsprozessen <strong>in</strong> Europa.<br />

Zwei <strong>in</strong>terdependente Prozessebenen überlagern sich sehr deutlich und wirken <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf kulturelle<br />

Entdiffenzierung und ansatzweise Homogenisierung gleichs<strong>in</strong>nig: <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Globalisierung <strong>in</strong> ökonomischer<br />

H<strong>in</strong>sicht, <strong>der</strong> über die damit verbundenen globalisierten Medientechnologien ebenso wie durch die zunehmende<br />

116<br />

Cas Wouters: Konformitätsdruck und Profilierungszwang. Zwischen Identifikation und Individualisierung: Ambivalenzen<br />

des Affektmanagements. Aus dem Nie<strong>der</strong>ländischen von Anne Fritz Middelhoek. Frankfurter Rundschau, Nr. 8, 11.01.94,<br />

S. 10; Forum Humanwissenschaften.<br />

117<br />

Vgl. Abschnitt 4.1. <strong>Die</strong> Spannweite <strong>der</strong> Beurteilung dieser Verän<strong>der</strong>ung <strong>als</strong> »Mo<strong>der</strong>nisierung« <strong>der</strong> sozio-ökonomischen<br />

Situation, wie sie 1999 im sogenannten Blair-Schrö<strong>der</strong>-Papier für e<strong>in</strong>e verän<strong>der</strong>te Sozialdemokratie (»New Labour«) <strong>in</strong><br />

theoretischem Kontext mit den Thesen von Giddens postuliert wurde, o<strong>der</strong> <strong>als</strong> Entsolidarisierung und letztlich »neoliberalen<br />

Rückschritt«, wie es <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen L<strong>in</strong>ken bewertet wird, o<strong>der</strong> auch <strong>als</strong> strukturelle Verunsicherung <strong>der</strong> Eliten<br />

und Oberschichten auf Grundlage e<strong>in</strong>er Gesellschaft, die sich weit weniger <strong>als</strong> von Giddens behauptet – wobei Giddens<br />

vor allem die angelsächsischen Gesellschaften im Auge hatte und das kont<strong>in</strong>entaleuropäische Sozialmodell nur wenig berücksichtigt<br />

– <strong>in</strong> ihren maßgeblichen Milieus verän<strong>der</strong>t hat, wie es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kritischen Vortrag vor SPD-Gremien am<br />

21.9.99 von Michael Vester ausgeführt wurde („<strong>Die</strong> verprellte Mitte“, lei<strong>der</strong> noch nicht publiziert).<br />

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