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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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2. Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>er politischen Krisensituation<br />

Für die Politische Bildung ist es e<strong>in</strong> zentrales Problem, zu erfahren, dass die heutigen Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> globalen<br />

Zentren, <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Hegemonialmächte, ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igermaßen aussichtsreiches und erfolgsversprechendes<br />

politisches Konzept haben, dieser globalen Destabilisierung entgegenzutreten. <strong>Die</strong> Reaktionen Europas und <strong>der</strong><br />

USA s<strong>in</strong>d zwar leicht nachzuvollziehen, aber von e<strong>in</strong>er beängstigenden Phantasie- und Konzeptlosigkeit. Der<br />

stereotype Rückgriff auf militärische „Konfliktunterdrückung“ ist zwar angesichts tatsächlicher militärischer<br />

Aggressionen <strong>als</strong> augenblickliche Reaktion verständlich, trägt aber längerfristig nicht dazu bei, zu lernen, die<br />

tatsächlichen Probleme <strong>der</strong> Semiperipherien zu bewältigen.<br />

<strong>Die</strong> Politische Bildung kann sich hier nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung entwickeln, um tatsächliche Krisenlösungskompetenzen<br />

für unsere Gegenwartsepoche zu entwickeln, nämlich e<strong>in</strong>e neue Kultur <strong>der</strong> Nachdenklichkeit, rationaldistanzierter<br />

Diskursfähigkeit und Empathie zu entwickeln und sich damit selbst <strong>in</strong> die öffentlichen Diskurse zu<br />

begeben. Sie darf sich nicht, wie aus <strong>der</strong> konkreten Erfahrung heraus die Befürchtung besteht, dazu missbrauchen zu<br />

lassen, „e<strong>in</strong>fache“ und auf unmittelbarer Repression und militärischer Gewalt basierende „Konfliktunterdrückungsstrategien“<br />

dadurch zu legitimieren, dass Stereotypien und Vorurteils- und Abgrenzungshaltungen zum Inhalt und<br />

Ziel des politischen Unterrichts werden. 160<br />

2.2.2.3. Wahrheit und Kont<strong>in</strong>genz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialwissenschaft<br />

Genau dieses Grundproblem ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> großen Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> didaktischen Umsetzung sozialwissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse und beim Versuch, gesellschaftliche Vorgänge und Prozesse rational und kritisch zu<br />

untersuchen. Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler erwarten zunächst e<strong>in</strong>mal vollständige Aussagesicherheit, sie erwarten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Realität die Sicherheit <strong>der</strong> Wahrheit. <strong>Die</strong>ser eher „metaphysische“ Anspruch ist gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Entwicklungsphase <strong>der</strong> Pubertät, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zuerst lernen müssen, unmittelbar mit<br />

<strong>der</strong> sozialen Realität konfrontiert zu werden und daraus Handlungsoptionen ableiten zu müssen, e<strong>in</strong>e sozialanthropologische<br />

Konstante, mit <strong>der</strong> Schule und Lehrkräfte s<strong>in</strong>nvoll und verantwortungsvoll umzugehen haben;<br />

an<strong>der</strong>erseits ist dieser Anspruch gegenüber den Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler grundsätzlich nicht e<strong>in</strong>zulösen.<br />

Sozialwissenschaftliches und politisches Lernen ist daher zunächst e<strong>in</strong>mal pr<strong>in</strong>zipiell Verunsicherung und<br />

Infragestellung. Gerade die E<strong>in</strong>sicht, dass statistisch gesicherte Zusammenhänge, die aber den E<strong>in</strong>zelfall nicht<br />

determ<strong>in</strong>ieren, dennoch soziale, rational überprüfbare Realitäten s<strong>in</strong>d, ist für Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler dieser<br />

Altersstufe sehr schwer e<strong>in</strong>zusehen und nachzuvollziehen. Es ist daher ke<strong>in</strong>e abgehobene Verwissenschaftlichung<br />

im üblichen, kritisch geme<strong>in</strong>ten, S<strong>in</strong>ne, wenn die sozialwissenschaftliche Didaktik darauf <strong>in</strong>sistiert, dieses Erkenntnisproblem<br />

<strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>der</strong> Erkenntnisvermittlung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung wie im Politikunterricht zu<br />

stellen. Alle didaktischen Strategien, die diese Grundproblematik gesellschaftswissenschaftlichen Denkens ausklammern,<br />

verdrängen o<strong>der</strong> durch vor<strong>der</strong>gründige Wertorientierung des Unterrichts versuchen, diesen eher „metaphysischen“<br />

Anspruch auf Wahrheit vorgeblich erfüllen zu können – und damit Religion statt Politische Bildung vermittelt<br />

–, leisten damit letztlich <strong>der</strong> beklagten Politikferne, dem Fundamentalismus wie dem gesellschaftlichen Eskapismus<br />

und Hedonismus massiven Vorschub.<br />

Aber auch erkenntnistheoretisch ist dies e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Kontext, <strong>der</strong> die traditionelle Dichotomie von Zufall<br />

und Notwendigkeit überw<strong>in</strong>det und den Bereich <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genz <strong>als</strong> jeweils im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu analysierende<br />

Dependenzkette von motivierten und erklärbaren Entscheidungen <strong>in</strong> Alternativsituationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em letztlich<br />

tendenziell unendlich dicht verknüpften Interdependenznetz erkennt. 161 .<br />

160<br />

Dazu sollte die aufschlussreiche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem „neuen Europa“ durch Ruf<strong>in</strong> herangezogen werden.<br />

161<br />

Mathematische Modelle zur Beschreibung dieser vernetzten Situationen liefert, ohne dass wir das hier weiter vertiefen<br />

können, die so genannte „Chaostheorie“ die rationale Modelle für Kont<strong>in</strong>genz entwickelt.<br />

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