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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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5. Fazit und Ausblick: Diskursive Didaktik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ‚gedachten Praxis‘ e<strong>in</strong>es verän<strong>der</strong>ten Politikunterrichts<br />

übernationalen Globalisierung und Universalisierung <strong>als</strong> neuer »Mo<strong>der</strong>nisierungsschub« strukturell und<br />

politisch durchaus zu vergleichen und zu parallelisieren ist. Damit geht auch die E<strong>in</strong>deutigkeit <strong>der</strong> Abgrenzung<br />

des »Nahen« vom »Fernen« und des »Eigene« vom »Fremden« [Leiris 1977] immer weiter verloren, was<br />

subjektiv <strong>als</strong> Bedrohung <strong>der</strong> eigenen Identität erfahren wird.<br />

- … Ältere pädagogische Leitmodelle, wie – vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erdkunde – das Lernen »vom Nahen zum Fernen«<br />

(womit die räumliche Entfernung geme<strong>in</strong>t ist: ›Heimatkunde‹ – ›Deutschland‹ – ›Europa‹ – ›<strong>der</strong> Rest <strong>der</strong><br />

Welt‹) s<strong>in</strong>d, wenn sie je e<strong>in</strong>e Berechtigung und nicht nur ideologische Bedeutung gehabt habe sollten, heute<br />

zum<strong>in</strong>dest obsolet und lernpsychologisch nicht begründbar. Wo an ihnen festgehalten wird, oft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

unreflektierten Verwenden älterer Unterrichtsweisen <strong>der</strong> Grundschuldidaktik, ist e<strong>in</strong> ideologisch-politisches<br />

Motiv zu vermuten, dass das Konstrukt e<strong>in</strong>er nationalen Eigenheit und die (oft angstbesetzte) Abwehr des<br />

angeblich »Fremden« durchsetzen will.« (Aus Kapitel 1.3.1.)<br />

Deutlich wird an diesem Ansatz die Bedeutung <strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> eigenen Wahrnehmungsfähigkeit und<br />

fachlich-gesellschaftlichen Prädisposition, wobei die Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer die doppelte Anfor<strong>der</strong>ung zu<br />

bewältigen haben, e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>trospektiv die eigenen Prädispositionen – gegebenenfalls auch mentalen Wi<strong>der</strong>stände<br />

gegen die Bearbeitung des Themas) „<strong>in</strong> den Griff zu bekommen“, und gleichermaßen die entsprechenden<br />

Prädispositionen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu erkennen und sachgerecht <strong>in</strong> die Unterrichtsplanung und -<br />

durchführung mit e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Ergänzt werden sollte dies Zitat durch e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>wendung zu den Realitäten selbst, bei denen die Bearbeitungsschwierigkeiten<br />

und die Distanz zu den eigenen gesellschaftlichen Dispositionen hervortreten:<br />

- »Im H<strong>in</strong>blick auf die kulturellen Wurzeln <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> ist <strong>als</strong>o nach e<strong>in</strong>er gültigen<br />

kulturellen Repräsentation <strong>der</strong> gesellschaftlichen Realitäten zu suchen, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> iranischen Gesellschaft<br />

selbst entwickelt hat. Da dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weitgehend undistanziert vor-diskursiven gesellschaftlichen Kommunikation,<br />

die typisch ist für die Gesellschaften <strong>der</strong> Semiperipherien, weniger <strong>in</strong> den theologischen Schriften<br />

<strong>der</strong> Geistlichkeit noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich seit hun<strong>der</strong>t Jahren von <strong>der</strong> eigenen Gesellschaft absetzenden westlich<br />

orientierten städtischen Intellektuellenschicht zu f<strong>in</strong>den ist – obwohl auch hier geistige Erzeugnisse <strong>als</strong><br />

epochale Episteme für die Umbruchsituation <strong>der</strong> Realitätsperspektiven <strong>in</strong> den semiperipheren Regionen zu<br />

<strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d –, wird man wohl zuvor<strong>der</strong>st auf die Situationen abheben, <strong>in</strong> denen die Gesellschaft selbst<br />

das Außergewöhnliche vom Alltäglichen absetzt und sich selbst zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen will: im rituellen<br />

Verhalten. Kippenberg und Hooglund <strong>in</strong> dem aufschlussreichen Jahrbuch mardom nameh (1981) konzentrieren<br />

sich dabei <strong>in</strong> bemerkenswerten Untersuchungen auf die regelmäßigen ’Ašura-Rituale, <strong>der</strong>en<br />

<strong>in</strong>tegrative und identitätsstiftende Bedeutung herausgearbeitet werden und die e<strong>in</strong>en überzeugenden Ansatz für<br />

e<strong>in</strong>e epistemologische Untersuchung <strong>der</strong> iranischen Kulturgeschichte darstellen würde.« (Aus Kapitel 1.3.2.)<br />

- »Aus diesem Kontext heraus ist abzuleiten, dass die Schulpraxis angewiesen ist auf unterrichtsnahe<br />

Hilfestellungen, damit die Zumutung eigenständiger curricularer und didaktischer Diskurse und Entscheidungen<br />

<strong>in</strong> den Schule und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterrichtssituation selbst, zu <strong>der</strong> das Konzept <strong>der</strong> Schlüsselprobleme <strong>in</strong><br />

wohlverstandener Anwendung h<strong>in</strong>führt, nicht <strong>als</strong> Überfor<strong>der</strong>ung wahrgenommen wird. <strong>Die</strong> subjektive<br />

Überfor<strong>der</strong>ungsempf<strong>in</strong>dung ist ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> grundlegendes Problem <strong>der</strong> heutigen Lehrerexistenz (Voigt<br />

1998a/b/c).« (Aus Kapitel 1.4.2.)<br />

5.1.2.3. Schülerbiographien <strong>als</strong> Spiegel gesellschaftlicher Problemlagen<br />

In unserer Studie haben wir beson<strong>der</strong>es Gewicht gelegt auf die E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>als</strong><br />

Individuen und Personen <strong>in</strong> die konkrete Konzeptierung des Unterrichts. Das bedeutet e<strong>in</strong>mal:<br />

- dass sich <strong>der</strong> Unterricht nicht nach „Schema F“ abspielen darf, son<strong>der</strong>n jeweils beson<strong>der</strong>s zu gestalten ist; und<br />

dass<br />

- dabei die <strong>in</strong>dividuellen Biographien <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler mit zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d.<br />

So entsprechen nationale und rassistische Vorurteile – die durchaus e<strong>in</strong>e wichtige verhaltensbestimmende Rolle<br />

spielen – bei Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern unterschiedlicher Herkunft beziehungsweise mit „Migrationsh<strong>in</strong>tergrund“,<br />

die e<strong>in</strong>en erheblichen Teil unserer heutigen Schülerschaft ausmachen, nicht den entsprechenden Vorurteilslagen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> deutschen Bevölkerung, mit denen umzugehen seit lange <strong>als</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Schule – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> den<br />

politik- und sozialwissenschaftlichen Fächern und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geographie – anerkannt und <strong>in</strong> entsprechenden Schulgesetzen<br />

und Erlassen fixiert worden ist.<br />

So existieren distanzierte Verhältnisse zwischen Türken und Persern (<strong>in</strong> denen sich e<strong>in</strong>e lange kriegerische<br />

Nachbarschaftserfahrung wi<strong>der</strong>spiegelt, wenn auch nicht so krass wie die Konflikte zwischen Türken und<br />

Armeniern) wie auch zwischen Arabern und Türken (<strong>als</strong> Erbe <strong>der</strong> osmanischen Herrschaft) und Persern (mit<br />

begründet durch den historischen Konflikt zwischen Sunniten und Ši’iten – wobei wir wie<strong>der</strong> beim Thema <strong>der</strong><br />

<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> angelangt s<strong>in</strong>d). In <strong>der</strong> Studie wird dies noch e<strong>in</strong>mal wie folgt problematisiert:<br />

- »<strong>Die</strong>s lenkt den Blick auf e<strong>in</strong> für Politik und Lernen gleichermaßen wirkungsmächtiges Spannungsverhältnis<br />

zwischen sozi<strong>als</strong>trukturellen Verän<strong>der</strong>ungen, die <strong>in</strong> unserer Gesellschaft <strong>in</strong> hohem Maße kontrovers wahrgenommen<br />

und bewertet werden, und den Auswirkungen auf die ebenfalls kontrovers beurteilte Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> gesellschaftlichen Realitäten und <strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger deutlichen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den Inhalten <strong>der</strong><br />

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