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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

E<strong>in</strong>ige spontane Antworten von Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen, die bezeichnen<strong>der</strong>weise eher im S<strong>in</strong>ne<br />

umfassen<strong>der</strong> Lernziele, d.h. normativ formuliert worden s<strong>in</strong>d, sollen zunächst das Spektrum kennzeichnen: „Kenntnisse<br />

über an<strong>der</strong>e Kulturen und den Kulturwandel vermitteln“, „allgeme<strong>in</strong>e Sensibilisierung für gesellschaftliche<br />

Probleme erreichen“, „Erkennen von »Zusammenhängen«“, „Verständnis für die Probleme <strong>der</strong> »Weltgesellschaft«<br />

wecken“, „fachliche Kenntnisse erlernen“, „Reflexion von Werten und Vorurteilen“, „For<strong>der</strong>ung nach politischen<br />

Handlungsmöglichkeiten und Engagement aufstellen“ ...<br />

Geme<strong>in</strong>sames Kennzeichen vieler Antworten ist das Ausweichen auf sprachliche Leerformeln und Floskeln,<br />

die die Unsicherheit <strong>der</strong> Antworten deutlich machen. Auffällig s<strong>in</strong>d dabei das Fehlen konkreter Bezüge und das<br />

völlige Zurücktreten tagesaktueller Ereignisse außer <strong>der</strong> Referenz auf »Aktualität« <strong>in</strong> ganz allgeme<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>ne.<br />

Gleichwohl können die meisten Antworten <strong>in</strong> durchaus s<strong>in</strong>nvolle, wenn auch vom Rezeptionsmuster her traditionelle<br />

pädagogische, vor allem auch erdkundliche Zusammenhänge e<strong>in</strong>geordnet werden. E<strong>in</strong>e vorläufige<br />

Systematisierung ergibt vorherrschend drei Gruppen von Begründungen für das Thema »Dritte Welt«:<br />

1. Ziele, die sich mit Allgeme<strong>in</strong>bildung, mit bürgerlicher Weltkunde umreißen lassen wie:<br />

(Traditionelle) Län<strong>der</strong>kunden,<br />

– wobei we<strong>der</strong> bei Lehrkräften noch bei den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern die Neigung zu spontanen<br />

Konkretisierungen o<strong>der</strong> zur Nennung von Beispielen vorherrscht.<br />

Probleme und Bedeutung <strong>der</strong> Regionen <strong>der</strong> »Dritten Welt«,<br />

– bei Geographen fällt <strong>der</strong> Rekurs auf zwei im Unterricht beliebte regionale Kategorisierungen auf,<br />

die <strong>als</strong> unterrichtsbedeutsam genannt werden: Schwellenlän<strong>der</strong> und (südostasiatische) »Kle<strong>in</strong>e-<br />

Tiger«-Staaten, wobei das Formelhafte dieser Bezugnahmen sehr deutlich wird und von<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern nur mit unmittelbarem Unterrichtsbezug aufgegriffen wird.<br />

Kenntnis von Weltproblemen und Konflikten,<br />

– wobei das konkrete analytische Potential, welche Probleme denn nun wichtig seien, recht wenig<br />

entwickelt ist; nach dem Verschw<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Ost-West-Problematik konzentrieren sich eventuelle<br />

konkretere Nennung auf Stereotypen wie »Islam«, »Fundamentalismus« o<strong>der</strong> »Asylprobleme«, bei<br />

politisch etwas Aufgeschlosseneren noch <strong>der</strong> Rekurs auf die »Menschenrechtsproblematik«.<br />

2. Ziele, die humanitäre Betroffenheit begründen sollen.<br />

<strong>Die</strong>se Begründungskontexte s<strong>in</strong>d fast ausschließlich bei Lehrkräften anzutreffen, während bei<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern, wenn sie, was nur für e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit zutrifft, nicht selbst humanitär<br />

o<strong>der</strong> sozial engagiert s<strong>in</strong>d, zunehmend Überdruss und Abwehr zu je<strong>der</strong> Empathieanfor<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> gar<br />

Hilfeperspektive geäußert werden. 450<br />

3. Ziele, die die Bedeutung <strong>der</strong> »Dritten Welt« für unsere eigene Entwicklung aufzeigen sollen, wie:<br />

Rohstoff- und Wirtschafts<strong>in</strong>teressen werden berührt.<br />

– In diesen Kontext gehören auch meist recht formelhafte Bezugnahmen auf die Globalisierungsprozesse.<br />

Auch hier ist e<strong>in</strong>e solche anfängliche Konkretisierung eher bei Lehrkräften <strong>als</strong><br />

bei Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern zu beobachten, wobei die Intensität <strong>der</strong> kritischen Beschäftigung<br />

mit diesem Problemkreis auf beiden Seiten deutlich zu wünschen übrig lässt.<br />

Bis 1990 wurden Nord-Süd-Probleme noch im Rahmen <strong>der</strong> ideologischen und machtpolitischen Ost-<br />

West-Konflikte wahrgenommen. An die Stelle dieser Kontexte tritt gegenwärtig wenn auch wenig<br />

dezidiert und differenziert e<strong>in</strong>e Orientierung an Kulturkonflikthypothesen.<br />

– Hunt<strong>in</strong>gton hat diese Stimmung, die <strong>in</strong> den USA stärker ist <strong>als</strong> <strong>in</strong> Europa, wohl sensibel wahrgenommen<br />

und zu se<strong>in</strong>em bekannten Bestseller verarbeitet, dessen analytisch-sozialwissenschaftlicher<br />

Wert demgegenüber ersichtlich ger<strong>in</strong>g ist.<br />

Übere<strong>in</strong>stimmendes Merkmal ist zunächst, dass alle drei Kategorien gesellschaftliche Wertmaßstäbe und Interessen<br />

zur Begründung des Stoffangebotes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule bemühen. Je<strong>der</strong> eignen sich dabei spezifische Gefahren und<br />

Missbrauchsmöglichkeiten:<br />

<strong>der</strong>sachsen – ca. 12-22 % <strong>der</strong> befragten Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern – je nach Art <strong>der</strong> Fragestellung – ausdrückten, wobei<br />

nicht ganz deutlich ist, ob hier tatsächlich e<strong>in</strong>e Verschiebung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur <strong>als</strong> Reaktion auf Krisenerfahrungen<br />

und -wahrnehmungen zu Grunde liegt, o<strong>der</strong> ob die zivilisatorischen Hemmungen, sich zu se<strong>in</strong>en Affekten zu<br />

bekennen und sie zu verbalisieren, abgetragen werden (Dezivilisationsthese); vgl. dazu die Ausführungen zur Krise <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong><br />

Bildung <strong>in</strong> Voigt 2001a. Vermutlich treffen beide Hypothesen <strong>in</strong> gewissem Maße zu. Dass diese Rezeptionsvoraussetzungen<br />

e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler für die unmittelbare unterrichtliche Arbeit an Themen wie den <strong>in</strong><br />

dieser Arbeit diskutierten unerreichbar macht, ist e<strong>in</strong>e erschreckende Konsequenz dieser Überlegungen. Das Ziel politischdidaktischen<br />

Arbeitens verlagert sich <strong>in</strong> dieser Perspektive von <strong>der</strong> engen Konzentration auf die Schule h<strong>in</strong> zur gesellschaftlich-politischen<br />

Beteiligung an den öffentlichen Diskursen, die für die allgeme<strong>in</strong>e Politische Kultur grundlegend<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

450<br />

<strong>Die</strong>ser Zusammenhang erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong>e Diskussion unter zivilisationstheoretischen Prämissen, da es sich nicht<br />

um Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schülerschaft son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong>en Wertewandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur handelt, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Individualisierungshypothese<br />

näher zu bestimmen ist. Moralische Entrüstung hilft hier sicher nicht weiter. Doch s<strong>in</strong>d die traditionellen<br />

pädagogischen Zugänge zu dieser Problematik sichtlich überfor<strong>der</strong>t, was wie<strong>der</strong>um unsere For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>em<br />

pädagogischen Paradigmenwandel fundiert.<br />

201

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