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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

Verflechtung zu e<strong>in</strong>er sich verän<strong>der</strong>nden Sozialwissenschaft, vor allem unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> historischen<br />

Soziologie <strong>der</strong> Zivilisationstheorie, 42 begibt. Der Kulturwissenschaftler Hansen formuliert die Zusammenhänge von<br />

Kommunikation und Verständnis zunächst aus e<strong>in</strong>em vergleichend-stammesgeschichtlichen Ansatz heraus <strong>in</strong><br />

grundsätzlicher Form:<br />

„Somit müssen wir White dah<strong>in</strong>gehend korrigieren, dass die grundsätzliche Funktionsweise menschlicher<br />

Kommunikation zwar qualitativ nicht an<strong>der</strong>s abläuft <strong>als</strong> die tierische, sie aber e<strong>in</strong>erseits <strong>der</strong> bloßen Überlebensnotwendigkeit<br />

enthoben ist und an<strong>der</strong>erseits quantitativ unendlich vielseitiger ersche<strong>in</strong>t. Der Unterschied<br />

ist riesengroß, betrifft aber mehr die Inhalte <strong>als</strong> die Funktionsweise. Doch nicht nur um White zu korrigieren,<br />

wurde <strong>der</strong> Ausflug <strong>in</strong>s Tierreich unternommen. Er klärt vielmehr e<strong>in</strong>e Grundvoraussetzung von Kommunikation,<br />

nämlich ihre Gebundenheit an Kommunikationsgeme<strong>in</strong>schaften. Es gibt ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>en o<strong>der</strong><br />

natürlichen o<strong>der</strong> aus sich selbst heraus verständlichen Zeichen, die im gesamten Universum Geltung besäßen.<br />

Kommunikation ist stets e<strong>in</strong>e entwe<strong>der</strong> artenspezifische o<strong>der</strong> sonst wie an e<strong>in</strong> Kollektiv gebundene Tätigkeit.<br />

Beim Menschen ist diese Voraussetzung noch weiter entwickelt. Zwar werden Basismitteilungen – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

solche, die dem Überleben dienen wie Schmerzensschreie o<strong>der</strong> Aggressionslaute – von allen Menschen<br />

verstanden, doch die speziellere Kommunikation funktioniert ke<strong>in</strong>esfalls für die gesamte Gattung. Sie ist<br />

vielmehr auf Geme<strong>in</strong>schaften beschränkt, eben auf Kulturen, so dass die Verständigung über die Kulturen<br />

h<strong>in</strong>weg beson<strong>der</strong>er Fähigkeiten bedarf. Das beg<strong>in</strong>nt bei so e<strong>in</strong>fachen Zeichen wie dem Kopfschütteln, das <strong>in</strong><br />

westlichen Breiten Ablehnung bedeutet, bei den Orientalen aber Zustimmung, und f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>en Höhepunkt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sprache.“ (Hansen 1995: 35-36.)<br />

In diesen sehr konkreten, beobachtbaren und nachvollziehbaren Beispielen bei Hansen liegt <strong>der</strong> methodische<br />

Schlüssel auch für die didaktische Umsetzung im Unterricht, <strong>der</strong> sich ja nicht auf <strong>der</strong> abgehobenen Theorieebene<br />

son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> beobachtenden Distanz abspielen muss.<br />

„<strong>Die</strong> Wichtigkeit <strong>der</strong> Kommunikation und dass sie nur mit Hilfe von Zeichen erfolgt, wurde von White und<br />

an<strong>der</strong>en Anthropologen erkannt, doch sie übersahen, dass sich mit dem Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts e<strong>in</strong>e<br />

Wissenschaft zu etablieren begann, die sich mit diesen D<strong>in</strong>gen beschäftigte. Saussure ... begründete 1916 nicht<br />

nur die L<strong>in</strong>guistik, <strong>als</strong>o die mo<strong>der</strong>ne Sprachwissenschaft, son<strong>der</strong>n auch die Semiotik, die Wissenschaft von<br />

den Zeichen. Ihr <strong>der</strong>zeit berühmtester Fachvertreter ist Umberto Eco, <strong>der</strong> aufgrund se<strong>in</strong>er Romane auch<br />

außerhalb <strong>der</strong> Diszipl<strong>in</strong> bekannt wurde. Schon 1949, <strong>als</strong> White die zitierte Passage schrieb, hätte er von diesen<br />

neuen Wissenschaften profitieren können, was die Anthropologie <strong>in</strong>zwischen weitgehend nachholte. Da Kultur<br />

auf Kommunikation angewiesen ist, können wir kulturelle Kollektivität nur verstehen, wenn wir e<strong>in</strong> wenig <strong>in</strong><br />

die Semiotik e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen...“ (Hansen 1995: 36.) 43<br />

Vor allem unter <strong>der</strong> folgenden didaktischen Perspektive ist auf diese relativierende Ausgangsbestimmung kritisch<br />

und auswertend zurück zu kommen. Auf je<strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Arbeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> politisch-zeitgeschichtlichen Sachanalyse, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Wandlungen <strong>der</strong> Rezeptionsmuster und <strong>der</strong> Situationsdef<strong>in</strong>itionen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> kritischen<br />

Aufarbeitung <strong>der</strong> Außenwahrnehmung im <strong>in</strong>terkulturellen Kontext und <strong>in</strong> dem Versuch e<strong>in</strong>er didaktischen<br />

Inwertsetzung des Problemzusammenhanges wird uns die semiotische Relativierung wie die Zeichenhaftigkeit <strong>der</strong><br />

Realitätswahrnehmung und -deutung begleiten und zum zentralen Topos <strong>der</strong> Untersuchung werden.<br />

<strong>Die</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> historischen und zeitgeschichtlichen Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> wird durch alte Wahrnehmungsstereotypen<br />

geprägt und verfestigt. Bis auf die Antike führt Said die Stereotype des „Orientalismus“<br />

zurück, <strong>der</strong>en (pseudo-)wissenschaftliche Verfestigung er <strong>in</strong> <strong>der</strong> – vor allem deutschen – Orientalistik sieht.<br />

Aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Aufklärung und des bürgerlichen Kapitalismus rühren die Stereotype des „Eurozentrismus“<br />

her, die bis heute unsere Auffassungen zum Beispiel über die „Kulturkont<strong>in</strong>ente“ und die „Dritte Welt“<br />

prägen.<br />

1.1.2. Orientalismus und Eurozentrismus<br />

E<strong>in</strong>e kritische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> verlangt nicht nur e<strong>in</strong>e kritische Aufarbeitung<br />

<strong>der</strong> Realitätswahrnehmung und <strong>der</strong> Realitätsvermittlung und <strong>der</strong> ihr zugrunde liegenden, kontroversen<br />

Situationsdef<strong>in</strong>itionen, verlangt nicht nur e<strong>in</strong>e kritische Überprüfung <strong>der</strong> Ereignisse und <strong>der</strong> ihnen zugrunde<br />

liegenden politischen und gesellschaftlichen, auch ökonomischen Interessen, die die Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> unmittelbar<br />

<strong>in</strong> globale Kontexte e<strong>in</strong>beziehen, son<strong>der</strong>n verlangt auch e<strong>in</strong>en kritischen Zugang zur Wissenschafts- und<br />

Kulturgeschichte <strong>der</strong> »Orient-Okzident«-Beziehungen und <strong>der</strong> gegenseitigen meist aus großer Distanz erfolgenden,<br />

oft abwertenden und aggressiven Fremdwahrnehmungen, die sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Orientalistik, wie Said<br />

(1981) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em grundlegenden Werk »Orientalismus« ausführlich belegt und erörtert, wi<strong>der</strong>spiegelt. Aus diesem<br />

Kontext resultiert e<strong>in</strong>e zentrale Aufgabe <strong>der</strong> Didaktik! <strong>Die</strong> historische Dimension, die Said <strong>in</strong> die Thematik <strong>der</strong><br />

West-Ost-Kulturkonfrontation e<strong>in</strong>führt, ist etwas genauer nachzuzeichnen.<br />

42<br />

Es ist daher nicht zufällig, wenn Elias den Begriff »Menschenwissenschaft« bevorzugt hat.<br />

43<br />

<strong>Die</strong> von Hansen herangezogenen Werke von White 1949 und de Saussure 1967 s<strong>in</strong>d im Literaturverzeichnis aufgeführt.<br />

Vgl. auch die Ausführungen zur <strong>Politischen</strong> Kultur und ihrer Codierung <strong>in</strong> Voigt 2002b.<br />

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