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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

Deutschland, auch wenn diese Distanzierung heute, zwanzig Jahre nach den <strong>in</strong> Frage stehenden Ereignissen möglich<br />

se<strong>in</strong> dürfte.<br />

Vor allem ist es von Bedeutung, sich auf die grundsätzliche Ambivalenz und Mehrdeutigkeit <strong>der</strong><br />

Realitätsdeutungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur zu konzentrieren. Kontroverse Wahrnehmungen und Beurteilungen<br />

s<strong>in</strong>d durchaus nicht ausgeschlossen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich immer stärker fragmentierenden und fraktionierenden<br />

Gesellschaft 411 selbstverständlich. Restriktive Wahrnehmungskonzepte s<strong>in</strong>d wissenschaftlich wie didaktisch aufzubrechen,<br />

um Distanzierungsfähigkeit zu entwickeln.<br />

Schlüsselansatz ist die Thematisierung <strong>der</strong> öffentlichen Wahrnehmung und die Bewertung zu Grunde<br />

liegen<strong>der</strong> Diskurse. <strong>Die</strong> Potentialität von Diskursen ist durch ihren Charakter, sich <strong>in</strong> überschichtenden Bedeutungsund<br />

Bezugsebenen zu realisieren, nahezu unüberschaubar. Als Realitätskriterium gilt dann die kritisch-distanzierte<br />

Erfassung des jeweils <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund rückenden Diskursregimes.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> steht im Schnittpunkt sich überschneiden<strong>der</strong>, <strong>in</strong>terdependent verbundener<br />

Diskurse, die regional, sozial und zeitlich unterschiedlich zuzuordnen s<strong>in</strong>d: <strong>der</strong> Diskurs des Scheiterns, <strong>der</strong> Diskurs<br />

<strong>der</strong> Krise, <strong>der</strong> Diskurs des Aufbruchs und <strong>der</strong> Diskurs <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong>. Für die Zuordnung <strong>der</strong> uns zur Verfügung<br />

stehenden Berichte überschichten sich diese Diskurse, <strong>in</strong>dem z.B. bei e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong>en Bericht aus Tehran 412<br />

<strong>der</strong> Bericht über die Stimmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> iranischen Hauptstadt Ausgangspunkt des Artikels ist, wobei <strong>der</strong> Diskurs <strong>der</strong><br />

Krise im S<strong>in</strong>ne von Versorgungsproblemen, wie er sich <strong>in</strong> folgendem Zitat ausdrückt:<br />

<strong>Die</strong> persische Volkswirtschaft steckt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er tiefen Wirtschaftskrise, die <strong>in</strong>dustrielle Produktion ist weitgehend<br />

zum Erliegen gekommen. An die daraus resultierenden Versorgungsengpässe hat sich die persische Bevölkerung<br />

längst gewöhnt. Zusätzliche Versorgungsengpässe aber können nicht geschaffen werden, die Sanktionsmaßnahmen<br />

werden alle<strong>in</strong> die volkswirtschaftliche Krise verlängern. Dagegen stellt die iranische Führung e<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>dbildpropaganda,<br />

die überlagert wird vom „optimistischen Diskurs <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong>“:<br />

„,<strong>Die</strong> amerikanischen Maßnahmen waren e<strong>in</strong> Zeichen von Nervosität, doch wir haben die Nerven behalten.‘<br />

<strong>Iran</strong>s Außenm<strong>in</strong>ister Ghotbzadeh, von dem diese Feststellung stammt, hat diese Nerven ebenso wie se<strong>in</strong><br />

Staatspräsident Bani-Sadr wi<strong>der</strong>willig bewahrt. (...) Nachdem sich <strong>Revolution</strong>sführer Ayatollah Khome<strong>in</strong>y<br />

jedoch an<strong>der</strong>s entschieden hat, gibt es <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> für Selbstzweifel kaum noch Raum: <strong>Die</strong> <strong>Revolution</strong>sführung<br />

strahlt Selbstsicherheit aus und deklariert die gegen das Land verhängten Maßnahmen <strong>als</strong> <strong>in</strong>neramerikanisches<br />

Problem. <strong>Die</strong> politischer Parteien, von den l<strong>in</strong>ken Marxisten über die Kommunisten bis h<strong>in</strong> zum konservativreligiösen<br />

Lager, feiern die amerikanischen Reaktionen <strong>als</strong> großen Sieg <strong>der</strong> islamischen <strong>Revolution</strong>.“ 413 )<br />

Der Bericht von Ulrich Encke, <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Zeit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> zuverlässigsten Gewährsleute über die <strong>Islamische</strong><br />

<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> ist, transformiert diese Perspektiven jedoch im S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong>er Leser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en europäischen Diskurs<br />

<strong>der</strong> Krise, <strong>der</strong> sich auf die Wirkungen <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> für die politischen und ökonomischen<br />

Verhaltensoptionen <strong>der</strong> USA und Europas richtet. Interessant ist, dass Encke hier teilweise iranische Perspektiven<br />

mit e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt, <strong>in</strong>dem er die mangelnde Geschlossenheit des »Westens« und die Tatsache, dass bekanntermaßen<br />

politische Intentionen immer wie<strong>der</strong> von ökonomischen Interessen unterlaufen werden – was <strong>in</strong> <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Publizistik und <strong>in</strong> sich auf Agenturmeldungen stützenden Berichten im Zeichen <strong>der</strong> <strong>in</strong>tendierten »westlichen<br />

Solidarität« kaum je thematisiert wird –, betont:<br />

„<strong>Die</strong>ser Durchhalte-Zeitraum verlängert sich noch, weil e<strong>in</strong> totaler Boykott nur wirklichkeitsferne Theorie ist:<br />

Es wird an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> geben, die weiter <strong>Iran</strong> beliefern werden. Nach den bisherigen Erfahrungen werden aber<br />

auch die Unternehmen jener Län<strong>der</strong>, die sich an dem Boykott beteiligen, die Sanktionen unterlaufen. Selbst<br />

die Amerikaner haben <strong>in</strong> den vergangenen Monaten fleißig weiter an <strong>Iran</strong> geliefert: Weil die amerikanischen<br />

Hafenarbeiter ke<strong>in</strong>e für Persien bestimmten Güter verluden, wurde <strong>als</strong> Zielort für die Ladung e<strong>in</strong> drittes Land<br />

angegeben. Auf hoher See wurde die Fracht dann umgepoolt und landete eben doch <strong>in</strong> Persien.“ (Vgl.<br />

Fußnoten zu Abschnitt „3.2.2. Von <strong>der</strong> »Weißen <strong>Revolution</strong>« zur »<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>«“.)<br />

<strong>Die</strong> didaktische Aufgabe ist es nun, nicht diese verschiedenen Perspektiven im traditionellen S<strong>in</strong>ne<br />

»ideologiekritisch« aufzuarbeiten, was letztlich ja die Unterscheidung von richtigen und f<strong>als</strong>chen Perspektiven<br />

implizieren würde, 414 son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> den Diskursschichten selbst e<strong>in</strong> Abbild <strong>der</strong> zu erarbeitenden Realität zu sehen.<br />

Da die Diskurse we<strong>der</strong> beliebig noch konstant s<strong>in</strong>d, muss e<strong>in</strong>e didaktisch orientierte begriffliche<br />

Neuorientierung und Differenzierung dieses Diskurskonzeptes im Rahmen <strong>der</strong> Zugänge zur überwölbenden<br />

<strong>Politischen</strong> Kultur erfolgen. In traditionellen kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten wird <strong>der</strong> Wandel von<br />

Diskursschwerpunkten entwe<strong>der</strong> strukturell <strong>als</strong> Verschiebung des öffentlichen Interesses o<strong>der</strong> personalisierend <strong>als</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> »Me<strong>in</strong>ungsführerschaft« beschrieben. In den komplexen Rezeptionsstrukturen gesellschaftlicher<br />

411<br />

Vgl. Abschnitt 1.5.1. und 1.5.2., aber auch Kapitel 4.1.<br />

412<br />

Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung 80-04-10: Ulrich Encke: In jedem Haus steht e<strong>in</strong> Sack mit Reis. – Nahezu gleichlautend<br />

auch <strong>in</strong>: Frankfurter Rundschau 80-04-10: Ulrich Encke: <strong>Die</strong> Vorratslager s<strong>in</strong>d bis an den Rand gefüllt.<br />

413 ibid.<br />

414<br />

E<strong>in</strong>e solche wertdist<strong>in</strong>ktive Ideologiekritik ist nur möglich, wenn entwe<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>em hermeneutischen Wahrheitsbegriff<br />

ausgegangen wird, o<strong>der</strong> wenn im marxistischen S<strong>in</strong>ne Wahrheit das ist, was den Klassen<strong>in</strong>teressen entspricht, wobei die<br />

geschichtlich fortgeschrittenere Klasse über den fortgeschritteneren Wahrheitsbegriff verfügt. E<strong>in</strong>e gesellschaftliche Beurteilung<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen und <strong>Revolution</strong>en <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Semiperipherien erweist jedoch e<strong>in</strong>deutig die mangelnde<br />

Adäquanz bei<strong>der</strong> Wahrheitskonzepte, so dass e<strong>in</strong>e Näherung an die gesellschaftlichen Realitäten nur noch über <strong>in</strong>tersubjektiv<br />

fortschreibbare Diskurse <strong>als</strong> denkbar ersche<strong>in</strong>t. – Vgl. Abschnitt 2.2.2.3.<br />

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