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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

2.5.2. Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politikdidaktik<br />

Der Reformpädagogik <strong>der</strong> sechziger und siebziger Jahre und hier vor allem <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

politischen Öffentlichkeit vorgeworfen, die Jugendprobleme – soziale Des<strong>in</strong>tegration, Zivilisationsdefizite und<br />

»Gewissenlosigkeit«, Gewaltbereitschaft sowie schmerzhafte <strong>in</strong>dividuelle, z.T. suizidale »Lebenskrisen« – nicht nur<br />

nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n im Gegenteil eher geför<strong>der</strong>t und gestärkt zu haben: e<strong>in</strong> vernichtendes Urteil gemessen an<br />

den Zielen <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung!<br />

In dieser pauschalen Form ist <strong>der</strong> Vorwurf des Versagens <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und des Politikunterrichts<br />

sicherlich nicht aufrecht zu halten und <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>en analytischen Gehalt wenig ergiebig, wenn er nicht gar<br />

<strong>als</strong> diffamatorisch zurückgewiesen wird.<br />

Zunächst sollen drei Aspekte zur Erklärung <strong>der</strong> Sachverhalte, die sich h<strong>in</strong>ter den genannten Vorwürfen gegen<br />

die Politische Bildung verbergen, erwähnt und damit aus <strong>der</strong> weiterführenden Diskussion ausgeschlossen werden:<br />

1. Gesamtgesellschaftliche Prozesse, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en analytischen Rubrum zu untersuchen und<br />

gegebenenfalls zu kritisieren s<strong>in</strong>d, lassen sich vom schulischen Bereich <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung her we<strong>der</strong><br />

steuern noch wirkungsvoll konterkarieren. Zu diesen Prozessen gehört die vom E<strong>in</strong>zelnen <strong>als</strong> bedrohlich und<br />

verunsichernd wahrgenommene ökonomische Entwicklung mit ihren politischen Folgen – Globalisierungen,<br />

Verlust von Partizipationschancen, Unsicherheit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Lebensperspektiven durch Verluste im<br />

Bereich <strong>der</strong> sozialen Sicherheit, Zunahme <strong>der</strong> sozialen Ungleichheit und damit Beschädigung grundlegen<strong>der</strong><br />

Gerechtigkeitsvorstellungen – wie <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Verän<strong>der</strong>ung zivilisatorischer Standards, die durch die<br />

Thesen <strong>der</strong> »Kommunikationsgesellschaft« [Kubicek/Rolf 1985, Oberreuter 1982] o<strong>der</strong> <strong>der</strong> »Risikogesellschaft«<br />

[Beck 1986] zu erklären versucht werden. Ebenso s<strong>in</strong>d die Bed<strong>in</strong>gungen des sozialen Lernens <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule, das immer mehr auch notwendigerweise zum <strong>in</strong>terkulturellen Lernen wird und werden muss, den<br />

Prozessen <strong>der</strong> Verschiebung von Machtbalancen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft und den Machtkonkurrenzen verschiedener<br />

sozialer Gruppen, die auch <strong>in</strong> den Lerngruppen selbst mehr o<strong>der</strong> weniger deutlich repräsentiert s<strong>in</strong>d, mit<br />

allen ihren jeweiligen sozialpsychologischen Folgen unterworfen, die sich u.a. <strong>in</strong> Abgrenzungsverhalten,<br />

stereotypen Gesellschaftsbil<strong>der</strong>n (Herrschafts- und Unterlegenheitslegenden, vgl. Popitz und W<strong>in</strong>ckelmann<br />

1955) und Verschiebungen <strong>in</strong> den Standards des alltäglichen Sozialverhaltens ausdrücken.<br />

2. Immer häufiger werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit Ansprüche und For<strong>der</strong>ungen an die Schule und hier <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

an den Politikunterricht gestellt, die auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividualpsychologische Betreuung, Fürsorge und Formung<br />

bezogen auf den e<strong>in</strong>zelnen Schüler bzw. die e<strong>in</strong>zelne Schüler<strong>in</strong> abheben. <strong>Die</strong>se <strong>in</strong>dividuelle Betreuungsperspektive<br />

kann aber ausschließlich und bezogen auf die nicht darauf h<strong>in</strong> entwickelte Kompetenz <strong>der</strong><br />

Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer höchstens <strong>als</strong> allgeme<strong>in</strong> mitmenschliche Aufgabe verstanden werden, die jeden<br />

e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule und außerhalb <strong>der</strong> Schule trifft. Der Unterrichtssituation ist diese Dimension<br />

strukturell eher fremd. Hier steht die vor allem verbale, – aber nicht zu vergessen – sehr bedeutsam die<br />

nonverbale, emotionale Kommunikation im Vor<strong>der</strong>grund, die sich im Diskursbegriff rationalisieren lässt im<br />

Gegensatz zum gefor<strong>der</strong>ten Betreuungs- und Behandlungsbegriff. In e<strong>in</strong>er äußerst <strong>in</strong>teressanten neuen Studie<br />

hat Herzog (2002) e<strong>in</strong> diskussionswürdiges Konzept e<strong>in</strong>er „zeitgemäßen Erziehung“ 189 entwickelt, bei dem<br />

die Neucodierung traditioneller pädagogischer Kategorien im Vor<strong>der</strong>grund. Insbeson<strong>der</strong>e wendet er sich gegen<br />

e<strong>in</strong>en manipulativen Begriff des „Verstehens“ (344 passim), <strong>der</strong> <strong>als</strong> Vehikel psychischer Macht- und Überlegenheitsansprüche<br />

<strong>der</strong> Schule und <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer dient.<br />

3. In e<strong>in</strong>er ideengeschichtlichen „Volte rückwärts“ setzt sich zunehmend wie<strong>der</strong> die Vorstellung von <strong>der</strong> „Formung<br />

<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler“ durch die Schule durch, wobei recht dezidierte, aber nichtsdestoweniger<br />

we<strong>der</strong> rational begründbare noch reflektierte Menschenbil<strong>der</strong> <strong>als</strong> Zielvorgaben gesetzt werden. <strong>Die</strong> erkämpfte<br />

Idee, Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>als</strong> Subjekte ihrer eigenen Entwicklung und Biographie zu begreifen und die<br />

Pädagogik nicht mehr im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Manipulationshandwerks <strong>der</strong> „Menschenproduktion“ zu verstehen, ist<br />

letztlich die Grundlage e<strong>in</strong>er demokratischen Schule. <strong>Die</strong> Aufgabe dieser Wertvorstellung ist letztlich auch die<br />

Aufgabe <strong>der</strong> liberalen und demokratischen Werte unserer Verfassung: ›<strong>Die</strong> Würde des Menschen ist unantastbar‹<br />

– und das gilt ohne E<strong>in</strong>schränkungen auch für Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler. 190<br />

<strong>Die</strong> Politische Bildung und ihre Didaktik machen zurzeit e<strong>in</strong>e gegenläufige, wi<strong>der</strong>sprüchliche Entwicklung durch.<br />

Etwas pauschalisiert ist zu sagen, dass e<strong>in</strong> Wendepunkt <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Akzeptanz <strong>der</strong> Ziele <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong><br />

189<br />

Interessant ist hier vor allem, dass Herzog die Raum-Metaphorik <strong>der</strong> Pädagogik („Raum und Erziehung“: 13 passim) durch<br />

die Zeitperspektive ersetzen will, um damit die sich verfestigenden „Persönlichkeitsbil<strong>der</strong>“ von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern<br />

aufzulösen h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er dynamischen Entwicklungsperspektive, die <strong>in</strong> gewisser Weise mit <strong>der</strong> <strong>in</strong> unserer Arbeit vertretenden<br />

Diskursorientierung <strong>der</strong> Didaktik korrespondiert.<br />

190<br />

108<br />

„In diesen Tagen ist e<strong>in</strong>e Umfrage unter Eltern, Pädagogen und Politikern veröffentlicht worden, nach <strong>der</strong> 87 Prozent <strong>der</strong><br />

Deutschen <strong>der</strong> Auffassung s<strong>in</strong>d, junge Menschen müssten im Elternhaus „Höflichkeit und gutes Benehmen“ lernen. Weil<br />

dieser Wert vor gut zehn Jahren noch bei 72 Prozent lag, schlossen die Leute vom Allensbach-Institut, <strong>in</strong> den vergangenen<br />

Jahren müsse die Erkenntnis gewachsen se<strong>in</strong>, wie wichtig gute Umgangsformen s<strong>in</strong>d. … In e<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong> Bremen wird<br />

<strong>der</strong> Unterricht <strong>in</strong> UBV aufgenommen. UBV steht für Umgang, Benehmen, Verhalten. Der Rektor sagt, er sei es leid, dass<br />

die Schüler sich nicht mehr benehmen könnten.“ (Re<strong>in</strong>hard Urschel, 2003: UBV für alle. Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung,<br />

10.09.2003).

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