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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

erkannt, kann aber die angemessene Aufnahme <strong>der</strong> Schüleraussagen bee<strong>in</strong>trächtigen. Daher ist es notwendig, im<br />

Unterricht e<strong>in</strong>e kritisch-distanzierte Sensibilität für die symbolische Funktion von Sprache, für das nicht direkt<br />

ausgesprochene zu entwickeln. Das können historische Kontexte se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> auch politische Wertoptionen, wie sie<br />

z.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er »faschistischen«, »kommunistischen« o<strong>der</strong> »konservativen« Term<strong>in</strong>ologie nachzuweisen s<strong>in</strong>d. Im historisch-wissenschaftlichen<br />

Kontext ist vor allem e<strong>in</strong> anachronistischer Gebrauch von Kategorien nahe liegend, <strong>der</strong><br />

jedoch bewirkt, dass Bedeutungs<strong>in</strong>halte, die diese Kategorie aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Gegenwart heraus prägen, <strong>in</strong><br />

die Vergangenheit projiziert werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie zu <strong>in</strong>adäquaten Realitätsdeutungen führen. Zentrale Begriffe, die <strong>in</strong><br />

unserem Zusammenhang diesem Problem unterworfen s<strong>in</strong>d und die wir daher hier und an an<strong>der</strong>er Stelle kritisch<br />

vermerken bzw. vermerkt haben, s<strong>in</strong>d z.B. »Staat«, »soziale Klassen«, »Industrie«, »Bourgeoisie«, »Kapital«.<br />

Wenn, u.a. auch <strong>in</strong> Bezug auf die herangezogenen Quellen, für historische Sachverhalte ke<strong>in</strong>e angemessenen<br />

Alternativbegriffe zur Verfügung stehen – z.B. statt vom Staat vom Herrschaftsverband, von <strong>der</strong> Šah-Herrschaft<br />

o<strong>der</strong> vom Land zu sprechen –, muss zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> reflexiver, erläuterter und kritischer Begriffsgebrauch erwartet<br />

werden.<br />

Zentrales didaktisches Desi<strong>der</strong>at ist jedoch, den Realitätsbegriff <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler selbst zu<br />

bee<strong>in</strong>flussen, um zu mehrschichtigen und prozessualen gesellschaftlichen Realitätsvorstellungen zu gelangen.<br />

<strong>Die</strong>ses Problem wurde schon angesprochen bei dem Vergleich des <strong>in</strong>tegrativ-analytischen Zitates von Bausani und<br />

<strong>der</strong> Additiven Darstellung <strong>der</strong> Realitätsfaktoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schülerarbeit. <strong>Die</strong>ses Problem ist von zentraler Bedeutung<br />

und führt direkt <strong>in</strong> die Konzeption von Diskursivität und Exemplarität des Lernens.<br />

In den folgenden Abschnitten werden sich diese résumierten Charakteristiken <strong>der</strong> didaktischen Arbeit wie<strong>der</strong><br />

f<strong>in</strong>den, doch wird dann verstärkt im zeitgeschichtlichen Zusammenhang auch <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltliche Kontext zur <strong>Islamische</strong>n<br />

<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> und se<strong>in</strong>e adäquate fachliche Interpretation im Vor<strong>der</strong>grund stehen.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde, hergeleitet aus den Verwerfungen des 18. und 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, schon – unter E<strong>in</strong>beziehung von Schülerperspektiven und ihrer kritischen E<strong>in</strong>ordnung –<br />

dargestellt. Mit e<strong>in</strong>er Verschiebung <strong>der</strong> Fragestellung greifen wir noch e<strong>in</strong>mal auf die Kadjaren-Dynastie und<br />

<strong>der</strong> Entstehung halbkolonialer Abhängigkeiten und <strong>der</strong> Pahlawi-Dynastie mit ihrer politischen Integration <strong>in</strong><br />

die Interessenpolitik des „Westens“ zurück und stellen damit die Frage, <strong>in</strong> wie weit die Konflikte und Krisen<br />

dieser Zeit zu den Ursachen <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> beigetragen haben.<br />

3.1.3. Zur Vorgeschichte <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong><br />

3.1.3.1. <strong>Die</strong> Pahlawi-Dynastie 257<br />

<strong>Die</strong> Regierungszeit <strong>der</strong> Pahlawi-Dynastie ist eng mit tief greifenden Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> iranischen Gesellschaft<br />

verbunden. <strong>Die</strong>se Verän<strong>der</strong>ungen werden je nach politischer Voraussetzung sehr unterschiedlich <strong>in</strong>terpretiert und<br />

wahrgenommen. E<strong>in</strong>ige dieser E<strong>in</strong>schätzungen sollen stichwortartig aufgelistet werden und können <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden<br />

Darstellung didaktisch po<strong>in</strong>tiert weiter diskutiert werden:<br />

Der Machtwechsel, <strong>der</strong> zur Inthronisation <strong>der</strong> Pahlawi-Dynastie führte, ist e<strong>in</strong>zuordnen <strong>in</strong> die lange Folge<br />

orientalischer Dynastie-Wechsel, die Machtverschiebungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Klientel-Gesellschaft ausdrücken und<br />

letztlich ke<strong>in</strong>e Systemän<strong>der</strong>ung bedeuten.<br />

<strong>Die</strong> Pahlawi-Dynastie ist Produkt europäischer Macht<strong>in</strong>teressen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> und steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong><br />

Konzessionspolitik von d’Arcy Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts und <strong>der</strong> daran anschließenden Etablierung <strong>der</strong><br />

europäischen Ölkonzerne, so <strong>der</strong> Anglo-<strong>Iran</strong>ian Oil Company, <strong>der</strong> späteren British Petroleum (BP). 258<br />

<strong>Die</strong> Pahlawi-Dynastie leitet die Transformation <strong>der</strong> iranischen Wirtschaft von <strong>der</strong> ruralen Gesellschaft zur<br />

Industriegesellschaft e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong>s ist vor allem das Selbstverständnis des zweiten Pahlawi-Herrschers,<br />

Mohammed Reza Šah, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> »Weißen <strong>Revolution</strong>« <strong>in</strong> den 70er Jahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. 259<br />

<strong>Die</strong> Pahlawi-Dynastie leitet die »Orientalische Despotie« <strong>in</strong> die Phase <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nisierten, auf militaristischer<br />

Gewalt basierenden E<strong>in</strong>herrschaft 260 über. Damit verbunden ist e<strong>in</strong>e bewusst e<strong>in</strong>geleitete Säkularisierung, bei<br />

<strong>der</strong> versucht wird, islamische Traditionen durch nationalistische Volkstumsmythen zu ersetzen. 261<br />

257<br />

258<br />

<strong>Die</strong>ser Abschnitt folgt e<strong>in</strong>er Ausarbeitung, die im Unterricht des Verfassers an <strong>der</strong> Bismarckschule Hannover angefertigt<br />

und vom Schüler Michael Buchs aus dem Politik-Kurs 327 im Schuljahr 96/97 nie<strong>der</strong>gelegt worden ist. <strong>Die</strong>ser Text wurde<br />

vom Verfasser korrigiert und überarbeitet und stellt damit e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Unterrichtsergebnis dar, bei dem direkte Zitierungen<br />

von Schülerformulierungen nicht mehr s<strong>in</strong>nvoll s<strong>in</strong>d. Es ist zu bemerken, dass im schulischen Kontext im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er traditionellen, an Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien orientierten Arbeitsform, relativ konforme Perspektiven und E<strong>in</strong>ordnungen entwickelt<br />

werden, die die Problemlage e<strong>in</strong>er Revision didaktischer Paradigmen noch verdeutlicht.<br />

<strong>Die</strong> Machte<strong>in</strong>flüsse <strong>der</strong> Erdöl<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d auf dem Wege zu ökonomischen Globalisierung e<strong>in</strong> bedeutsamer Faktor, <strong>der</strong><br />

noch im Iraq-Krieg 2003 e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt.<br />

259<br />

<strong>Iran</strong>. M<strong>in</strong>istry of Interior, 1973: Atlas of <strong>Iran</strong>: White <strong>Revolution</strong>. Record of Achievements <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Honour of the First<br />

Ten Years of the White <strong>Revolution</strong>. Tehran (Sahab). – <strong>Iran</strong>. M<strong>in</strong>istry of Information, 1969: 12 po<strong>in</strong>ts pour le progrès.<br />

Tehran.<br />

260<br />

<strong>Die</strong>ser nicht weit verbreitete Begriff von Norbert Elias fasst verschiedene auf e<strong>in</strong>e Herrscherpersönlichkeit konzentrierte<br />

Herrschaftsformen zusammen, ohne nach <strong>der</strong>en Legitimität o<strong>der</strong> gesellschaftliche Akzeptanz zu fragen. Daher fallen so-<br />

139

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