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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

2. In e<strong>in</strong>er zweiten Phase <strong>in</strong> den siebziger Jahren <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland erfolgt e<strong>in</strong> erheblicher<br />

gesellschaftlicher Mo<strong>der</strong>nisierungsschub, <strong>der</strong> das Selbstverständliche <strong>in</strong> Frage stellte und damit auch die Frage<br />

nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>lösung <strong>der</strong> Menschenrechtsgarantien im Grundgesetz neu stellte. <strong>Die</strong> For<strong>der</strong>ung nach »Demokratisierung«,<br />

Mitbestimmung (Partizipation) und allgeme<strong>in</strong>en gesellschaftlichen Reformen geht e<strong>in</strong>her mit<br />

<strong>der</strong> Neuorientierung <strong>der</strong> Außenpolitik, sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuen Ostpolitik, die erstm<strong>als</strong> e<strong>in</strong>e politischen West-Ost-<br />

Diskurs ermöglicht541, <strong>als</strong> auch erstm<strong>als</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mehr <strong>als</strong> symbolischen Dritte-Welt- und Entwicklungshilfepolitik.<br />

Zwei Aspekte des Menschenrechts-Diskurses treten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft selbst <strong>als</strong> auch im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Bereich nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und überlagern die traditionellen staatsrechtlichen Perspektiven: <strong>der</strong> Antikolonialismus,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft selbst zu e<strong>in</strong>er Neuorientierung und zum<strong>in</strong>dest gefor<strong>der</strong>ten kritischen<br />

Aufarbeitung <strong>der</strong> eigenen staatlichen und gesellschaftlichen Geschichte und Zeitgeschichte führt, und e<strong>in</strong><br />

neuer Entwicklungsbegriff, <strong>der</strong> das Recht auf eigene Entwicklung an die Stelle vorheriger Caritas und am<br />

Eigen<strong>in</strong>teresse orientierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu setzen sucht. Deutlich ist aber, dass dieser<br />

neue, fortschrittliche Diskurs noch weitgehend ethisch fundiert und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsfor<strong>der</strong>ung konkretisiert ist.<br />

Das macht diesen Diskurs unbeweglich und z.T. undistanziert. 542 Letztlich führt dies zum politischen Scheitern<br />

dieses Diskurses und zum nachfolgenden Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>brechen <strong>der</strong> gesellschaftlichen Diskurse<strong>in</strong>heit. 543 Daher<br />

scheitert <strong>der</strong> auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en europäischen Staaten unternommene Versuch, gesellschaftliche Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

und Re<strong>in</strong>tegration <strong>der</strong> im Generationenwechsel sich zunehmend des<strong>in</strong>tegrierenden Gesellschaft zu verb<strong>in</strong>den.<br />

Nur auf affektiver Ebene konnten kurzfristig Integrationsansätze erwartet werden, die jedoch politisch nicht<br />

tragfähig waren. So blieb aus dieser Phase e<strong>in</strong> bleiben<strong>der</strong> gesellschaftlicher und ökonomisch-technologischer<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsschub übrig, während <strong>der</strong> Versuch, durch permanente politische Diskurse e<strong>in</strong>e Dynamisierung<br />

<strong>der</strong> gesellschaftlichen Entwicklung e<strong>in</strong>zuleiten, scheiterte. Genau die Unbeweglichkeit und normative<br />

Verengung dieser Phase des Diskurses bestimmt dann die Reaktionen auf Krisen und Umstürze <strong>in</strong> den<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Semiperipherien wie <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t e<strong>in</strong> politisch-aktives<br />

Reagieren <strong>der</strong> europäischen Staaten. Der Kern <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> bleibt dem europäischen Diskurs fremd.<br />

<strong>Die</strong> Globalisierungsansätze, von denen die Rede war, gehen von den USA aus, die damit ihre bestimmende<br />

machtpolitische Rolle trotz des <strong>in</strong>haltlichen Scheiterns ihrer <strong>Iran</strong>-Politik <strong>in</strong>ternational ausbauen kann.<br />

3. <strong>Die</strong> Zeit <strong>der</strong> achtziger Jahre ist die Zeit e<strong>in</strong>er deutlichen diskursiven Des<strong>in</strong>tegration und <strong>in</strong>nergesellschaftlichen<br />

Konfrontation. <strong>Die</strong> politische Macht entgleitet dem traditionelle Staat immer mehr <strong>in</strong> Richtung ökonomischer<br />

und an<strong>der</strong>er Interessen- und Sozialgruppen und das klassische Modell <strong>der</strong> Staatsgesellschaft wird<br />

fragwürdig, was immer mehr <strong>als</strong> »Krise« wahrgenommen wird 544 . International tritt die Bundesrepublik<br />

Deutschland <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Phase <strong>der</strong> Stagnation e<strong>in</strong>, was die eigenen gestaltenden Vorstellungen angeht. Das äußere<br />

Bild darüber täuscht: <strong>Die</strong> grundlegenden Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Politik, Fortschritte <strong>der</strong><br />

Europäischen Integration und am Ende des Jahrzehnts <strong>der</strong> Zusammenbruch des »Ostblocks« und die deutsche<br />

Verneigung s<strong>in</strong>d von außen <strong>in</strong>itiiert und <strong>in</strong> den prozessualen Wurzeln weit früher angelegt worden: Deutschland<br />

hat darauf – äußerlich gesehen durchaus angemessen und geschickt – reagiert, ohne aber die politische<br />

und strukturellen Probleme erkannt zu haben o<strong>der</strong> gar politisch bewältigen zu können. <strong>Die</strong> offiziellen Diskurse,<br />

d.h. die staatliche Diskursebene versucht ohne rechte gesellschaftliche Basis zu den normativen staatsrechtlichen<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> fünfziger Jahre zurück zu kehren. Wie jede »Renaissance« entsteht jedoch <strong>in</strong>haltlich<br />

etwas Neues, Wi<strong>der</strong>sprüchliches, das vor allem durch wachsende und zunehmend verdrängte Strukturdisparitäten<br />

und ideologische Anachronismen gekennzeichnet ist. Übrigens ist die Parallele zu <strong>der</strong> nachrevolutionären<br />

Des<strong>in</strong>tegrationsphase auffällig und e<strong>in</strong>er genaueren vergleichenden Untersuchung wert. 545 Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite trennt sich von diesen offiziellen Herrschafts-Diskursen zusehends <strong>in</strong> dieser Zeit <strong>der</strong> Diskurs um<br />

541<br />

Gerade dadurch, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> nachfolgenden Phase <strong>der</strong> politischen Regression dieser Diskurs systematisch anathematisiert<br />

wurde mit dem »Argument«, dass mögliche »Dritte Wege« im Staat und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft – wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskussion unter<br />

politischen Intellektuellen am Beispiel des »Jugoslawischen Modells« thematisiert wurden: e<strong>in</strong>e politologisch fruchtbare,<br />

praktisch aber weitgehend folgenlos gebliebene Utopie – letztlich verfassungsfe<strong>in</strong>dlich und <strong>in</strong> den Auswirkungen undemokratisch<br />

seien und dass es gälte, das Bewährte zu erhalten, wurde die Strukturkrise und <strong>der</strong> nachfolgende politischökonomische<br />

Zusammenbruch <strong>der</strong> RGW-Staaten <strong>als</strong> »Sieg des eigenen Systems« politisch def<strong>in</strong>iert und funktionalisiert.<br />

Dadurch fehlte e<strong>in</strong> realistisches Instrumentarium, die tatsächlichen Struktur-, Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Partizipationsdefizite<br />

zu erkennen und politisch zu bewältigen. <strong>Die</strong> offensichtlichen Vere<strong>in</strong>igungsprobleme <strong>in</strong> Deutschland s<strong>in</strong>d weitgehend e<strong>in</strong>e<br />

Folge des <strong>in</strong> den achtziger Jahren erneut verweigerten politischen Ost-West-Diskurses.<br />

542<br />

Gegner e<strong>in</strong>er wertorientierten, auf Verän<strong>der</strong>ung zielenden Politik machen <strong>als</strong> Träger dieser For<strong>der</strong>ungen diffamatorischpejorativ<br />

den »Gutmenschen« aus, <strong>der</strong> <strong>als</strong> politischer Träumer und <strong>als</strong> gefährlich denunziert wird.<br />

543<br />

544<br />

248<br />

Auch wenn dieses Scheitern <strong>in</strong> Teilen <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> Gewerkschaften bis heute nicht wahrgenommen, geschweige denn<br />

politisch verstanden worden ist. <strong>Die</strong> »Kohl-Ära« wird daher <strong>als</strong> unverdientes Schicksal und (um e<strong>in</strong>e kirchengeschichtliche<br />

Metapher zu gebrauchen:) <strong>als</strong> Jammertal verstanden.<br />

Nettelmann/Voigt 1996, Voigt 1999a<br />

545<br />

Hier f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>teressante didaktische Ansätze, vergleichende zeitgeschichtliche Diskurse am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n<br />

<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong>zuleiten und mit Blick auf die eigene Zeitgeschichte auszuwerten.

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