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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

„Fast seit den ältesten denkbaren Zeiten war <strong>der</strong> Orient für Europa mehr <strong>als</strong> das, was empirisch über ihn<br />

bekannt war. Zum<strong>in</strong>dest bis zum frühen 18. Jahrhun<strong>der</strong>t, wie R. W. Southern es so elegant zeigte, war das<br />

europäische Verständnis <strong>der</strong> orientalischen Kultur das <strong>der</strong> islamischen, und es bestand ohne sehr viel tatsächliches<br />

Wissen, obwohl es ziemlich komplex war. (Southern: 14) Denn bestimmte Assoziationen mit dem<br />

Osten – nicht ganz ohne Kenntnisse, nicht ganz <strong>in</strong>formiert – sche<strong>in</strong>en immer schon mit dem Begriff des<br />

Orients verbunden gewesen zu se<strong>in</strong>. Beachten wir zuerst die Demarkation zwischen Orient und dem Westen.<br />

Sie zeigt sich bereits zur Zeit <strong>der</strong> Ilias eigenwillig. Zwei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>flussreichsten Eigenschaften, die mit dem<br />

Osten assoziiert werden, ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Aischylos Drama <strong>Die</strong> Perser, das früheste erhaltene athenische Schauspiel,<br />

und <strong>in</strong> den Bakchen des Euripides, das letzte erhaltene. Aischylos zeigt das Unglück <strong>der</strong> Perser, die<br />

erfahren, dass ihre Armeen, geleitet von König Xerxes, von den Griechen vernichtet wurden.“ (Said 1981: 67)<br />

H<strong>in</strong>ter diesen Ausführungen steht bei Said die Überzeugung, dass Grundmuster <strong>der</strong> kulturellen Fremdwahrnehmung<br />

e<strong>in</strong>er »imag<strong>in</strong>ativen Geographie« gehorchen, <strong>der</strong>en Grundzüge schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Antike angelegt und <strong>der</strong>en Strukturen<br />

bis heute Gültigkeit behalten haben.<br />

„Wichtig ist, dass Asien durch und mittels <strong>der</strong> europäischen Imag<strong>in</strong>ation spricht, welche <strong>als</strong> siegreich über<br />

Asien dargestellt wird. Jene fe<strong>in</strong>dliche »an<strong>der</strong>e« Welt jenseits <strong>der</strong> Meere: Asien wird das Gefühl <strong>der</strong> Leere,<br />

des Verlustes, des Ver<strong>der</strong>bens zugeordnet, das danach die orientalische Herausfor<strong>der</strong>ung an den Westen zu<br />

belohnen sche<strong>in</strong>t, und ebenso zeigt sich die Klage, dass es Asien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er glorreichen Vergangenheit besser<br />

g<strong>in</strong>g, <strong>als</strong> es selbst siegreich über Europa gewesen war.“ (Said 1981: 68)<br />

Historisch stellt sich dabei die Frage nach den Motiven, warum <strong>in</strong> <strong>der</strong> antiken griechischen Dramatik dieser<br />

mehrfach gebrochene Perspektivwechsel, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> griechische Autor Asien, d.h. hier das Perserreich, durch die<br />

„europäische Imag<strong>in</strong>ation“ sprechen lässt, um die griechische Sicht Asiens gleichsam durch Asien selbst bestätigen<br />

zu lassen. E<strong>in</strong> wesentliches Element ist dabei das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung <strong>der</strong> Griechen und nach<br />

Legitimation des Kampfes gegen das Archaimenidenreich, <strong>der</strong> ja <strong>in</strong> Griechenland selbst nicht unumstritten war und<br />

teilweise den materiellen und politischen Interessen <strong>der</strong> griechisch-ionischen Städte <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>asien unter persischer<br />

Herrschaft entgegenstand.<br />

„<strong>Die</strong> zwei Aspekte des Orients, die ihn ... vom Westen trennten, werden wesentliche Motive <strong>der</strong> europäischen<br />

imag<strong>in</strong>ativen Geografie bleiben. E<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie wurde zwischen zwei Kont<strong>in</strong>ente gezogen. Europa ist mächtig und<br />

artikuliert, Asien ist besiegt und fern.“ (Said 1981: 68)<br />

Mit dieser Aussage gelangen wir zu dem nicht mehr nur den Historiker berührenden Kern <strong>der</strong> Überlegungen, <strong>der</strong> die<br />

ausführlichere Beschäftigung mit den ersten Artikulationen e<strong>in</strong>es »europäischen Selbstbewusstse<strong>in</strong>s«, das sich von<br />

e<strong>in</strong>em abzuwertenden Orient (Asien, Persien) absetzen will und muss. <strong>Die</strong> Trennungsl<strong>in</strong>ie <strong>als</strong> Konstituante e<strong>in</strong>er<br />

eigenen Identität behält nun tatsächlich über die Jahrtausende ihre Wirksamkeit, auch wenn ihre Lage <strong>in</strong> <strong>der</strong> realen<br />

Geographie variabel und <strong>in</strong>terpretationsbedürftig ist.<br />

Aktuell ist heute die »Erf<strong>in</strong>dung des Südens« (Ruf<strong>in</strong> 1993: 15), die Europa (e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> »europäischen<br />

Mächte« <strong>in</strong> Amerika und e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>in</strong>dustrialisierten Regionen <strong>der</strong> Welt) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge des Endes<br />

des West-Ost-Konfliktes betreibt und die Ruf<strong>in</strong> <strong>als</strong> die Errichtung e<strong>in</strong>es neuen »Limes« charakterisiert. In <strong>der</strong><br />

politischen Diskussion werden auch Schlagworte wie »Wagenburg Europa« o<strong>der</strong> »Festung Europa« gebraucht. In<br />

diesen Kontext ist auch die Rezeption <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> zu stellen.<br />

„Zwischen diesen beiden konträren Welten zeichnet sich e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie ab: <strong>der</strong> Ort, wo die von uns im ersten Teil<br />

beschriebenen ideologischen Gegensätze materielle Gestalt gew<strong>in</strong>nen. Alle Werte s<strong>in</strong>d, je nachdem ob sie sich<br />

auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dieser L<strong>in</strong>ie bef<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> ihr Gegenteil verkehrt. Was wir bislang<br />

allgeme<strong>in</strong> und abstrakt dargelegt haben, bekommt e<strong>in</strong>e geographische Dimension: Der Limes ist die physische<br />

Grenze zwischen beiden Welten.“ (Ruf<strong>in</strong> 1993: 162-63)<br />

Nicht nur, dass die e<strong>in</strong>e Seite – Europa – die an<strong>der</strong>e erf<strong>in</strong>det, sie erf<strong>in</strong>det sie – ex negativo – aus ihrem eigenen<br />

Selbstbild. Ob es sich um Ruf<strong>in</strong>s Süden o<strong>der</strong> das persische Asien <strong>der</strong> Antike handelt: Realität wird erfunden und<br />

konstruiert:<br />

„Aber e<strong>in</strong>e so große Unterteilung, wie die zwischen Westen und Orient, führt zu an<strong>der</strong>en kle<strong>in</strong>eren, beson<strong>der</strong>s,<br />

da die normalen Unternehmungen <strong>der</strong> Zivilisation solche nach außen gerichtete Aktivitäten wie Reise,<br />

Eroberung und neue Erfahrungen provozieren. Im klassischen Griechenland und Rom vermehrten Geografen,<br />

Historiker, Staatsmänner wie Cäsar, Oratoren und Poeten den Fundus taxonomischen Sagenguts und schieden<br />

Rassen, Regionen, Nationen und Geister vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Vieles davon war selbsterhaltend und existierte, um zu<br />

beweisen, dass Römer und Griechen an<strong>der</strong>en Völkern überlegen waren.“ (Said 1981: 69)<br />

Es wird deutlich, dass das Objekt <strong>der</strong> identitätsstiftenden Spiegelung wechselt, obwohl kulturelle und geographische<br />

Kont<strong>in</strong>uitäten diese Objekte verknüpfen. Was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Antike das Persische Imperium war, wird später die <strong>Islamische</strong><br />

Welt, die heute ganz allgeme<strong>in</strong> <strong>in</strong> den fe<strong>in</strong>dlichen Süden aufgeht, wobei <strong>der</strong> Islam <strong>als</strong> angsterzeugen<strong>der</strong> topos immer<br />

noch zum Kernbestand unserer Süd- und Exotikvorstellungen gehört, meist ihrer negativen Komponente<br />

zuzurechnen:<br />

Was jedoch den Islam betrifft, war europäische Angst, wenn nicht Respekt, doch die Regel, wie das folgende,<br />

schon e<strong>in</strong>mal heran gezogene Zitat zeigt:<br />

„Christliche Autoren, die Zeugen <strong>der</strong> islamischen Eroberungen wurden, hatten wenig Interesse für das Wissen,<br />

die hohe Kultur und häufig die Größe <strong>der</strong> Moslems, die, wie Gibbon sagte, »<strong>der</strong> dunkelsten und<br />

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