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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

zu verweisen, die im Kontext <strong>der</strong> didaktischen und bildungspolitischen Arbeit des Verfassers stehen und den hier<br />

angerissenen Problemkreis ausführlich umreißen 520 .<br />

<strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>en bildungspolitischen Herausfor<strong>der</strong>ungen, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Segment des übergreifenden<br />

Globalisierungsprozesses abzeichnen, nämlich den beson<strong>der</strong>en Problemen <strong>der</strong> Systemtransformation nach dem Ende<br />

des <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rückschau <strong>als</strong> stabilisierend zu kennzeichnenden starren West-Ost-Konfliktes <strong>der</strong> „Zweigeteilten Welt“,<br />

stellt Nettelmann (2001) am Beispiel Polens dar. <strong>Die</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung zwischen traditionalen Verhaltens- und<br />

Wertmustern e<strong>in</strong>erseits und <strong>der</strong> ökonomisch fundierten „Mo<strong>der</strong>nisierung“ mit ihren deutlichen Bewusstse<strong>in</strong>s-<br />

Verschiebungen können auch für unsere Beispiele aus den semiperipheren Regionen wie dem <strong>Iran</strong>, aber auch <strong>der</strong><br />

Türkei o<strong>der</strong> den arabischen Län<strong>der</strong>n archetypischen Charakter beanspruchen. Polen nutzt jetzt die Option <strong>der</strong><br />

Westorientierung mit <strong>der</strong> Integration <strong>in</strong> NATO und die EU. Aber Nettelmann fragt zu Recht, <strong>in</strong>wieweit Polen<br />

dennoch <strong>als</strong> „e<strong>in</strong>e Nation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise“ bezeichnet werden kann. 521 Der Nahe Osten mit Ausnahme <strong>der</strong> Türkei wählt<br />

bislang auf Grund <strong>der</strong> an<strong>der</strong>s figurierten gesellschaftlichen Machtverhältnisse die Option e<strong>in</strong>er „Ablehnungsfront“,<br />

<strong>der</strong>en Funktion, wie wir schon ausgeführt haben, durchaus nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em statischen Verharren im Konventionalismus<br />

zu suchen ist, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> das Muster <strong>der</strong> konservativen <strong>Revolution</strong> gerade auch <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong>e abweichende<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung darstellt mit deutlichen Kontexten zu übergreifenden Globalisierungsprozessen.<br />

<strong>Die</strong>se Krise im gesellschaftlichen Bewusstse<strong>in</strong> sowohl <strong>der</strong> Transformationslän<strong>der</strong> <strong>als</strong> auch <strong>in</strong> den uns hier<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressierenden Semiperipherien hat weitreichende Folgen für unsere eigenen mitteleuropäischen<br />

Bildungsvorstellungen. <strong>Die</strong> Rezeption <strong>der</strong> Transformationsprozesse ist kontrovers und une<strong>in</strong>heitlich, hat aber<br />

Folgen für unser eigenes Selbstverständnis, <strong>in</strong>dem <strong>in</strong>ternationale Krisenwahrnehmungen die Selbstverständlichkeit<br />

e<strong>in</strong>es eigenen Kulturbegriffes überlagern und überformen. <strong>Die</strong>s geschieht parallel zu den schon unter dem<br />

Schlüsselproblem <strong>der</strong> „Sozialen Ungleichheit“ diskutierten Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> strukturellen und bewusstse<strong>in</strong>smäßigen<br />

Fragmentierung <strong>der</strong> mitteleuropäischen Gesellschaften, verstärkt durch die Erfahrung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong><br />

tretenden „Ubiquität“ von Migrationsfolgen. Auch hier ist die von Elias untersuchte Dialektik von Soziogenese<br />

und Psychogenese nun nicht nur alle<strong>in</strong> des Zivilisationsprozesses son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong> gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ung<br />

aufzuzeigen.<br />

Der an an<strong>der</strong>er Stelle erörterten Fragmentierung <strong>der</strong> Sozi<strong>als</strong>trukturen, <strong>der</strong> Auflösung fester biographischer<br />

„Entwicklungs- und Zielperspektiven“ („Patchwork-Biographien“) folgt e<strong>in</strong>e Fragmentierung <strong>der</strong> Wert- und<br />

Zielorientierungen <strong>der</strong> Gesellschaft. Beck 1986a: 157 ff. und Kuhlmann 1993 und vor allem Wouters 1994 haben<br />

dies <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf den Prozess <strong>der</strong> Individualisierung – für Beck e<strong>in</strong> Phänomen <strong>der</strong> „Risikogesellschaft“ 522 – für<br />

die mitteleuropäische Gesellschaft problematisiert. Wouters f<strong>in</strong>det dafür schlaglichtartig die treffende Beschreibung:<br />

„Konformitätsdruck und Profilierungszwang. Zwischen Identifikation und Individualisierung: Ambivalenzen des<br />

Affektmanagements“. Unsere These ist es nun, dass diese Entwicklung nicht alle<strong>in</strong> aus den autochthonen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>der</strong> Industriegesellschaft heraus zu verstehen ist, son<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terdependenten Verhältnis zu den<br />

Krisenerfahrungen <strong>in</strong> den Semiperipherien und globalen Peripherien steht, die sich aus den Kontexten <strong>der</strong> Globalisierungs-<br />

und Universalisierungsprozesse eben nicht „abkoppeln“ können son<strong>der</strong>n zwanghaft e<strong>in</strong>bezogen bleiben<br />

und diesen Zwang zunehmend <strong>als</strong> bedrohlich wahrnehmen und nach personalisierbaren Fe<strong>in</strong>bil<strong>der</strong>n „im Westen“<br />

suchen. Terror und Selbstmordattentate s<strong>in</strong>d Folgen e<strong>in</strong>er missglückten Globalisierung.<br />

4.2.5. Chancen und Risiken <strong>der</strong> Universalisierung –<br />

Zivilisierungsprozesse und Machtbalancen 523<br />

Zentrales Element zur Charakterisierung von Entwicklungsprozessen, wenn nicht nur <strong>der</strong> äußere sozioökonomische<br />

Wandel thematisiert werden soll, ist <strong>der</strong> Habituswandel, <strong>der</strong> sich vor allem <strong>in</strong> den höher stilisierten und ritualisierten<br />

Bereichen des Alltagsverhaltens beobachten und untersuchen lässt. Auch didaktisch ist das Konzept <strong>der</strong><br />

Habitus<strong>in</strong>terpretation e<strong>in</strong> geeigneter Zugang zu e<strong>in</strong>er nichtdiskrim<strong>in</strong>ierenden Interpretation von Entwicklungs- und<br />

Zivilisationsprozessen. Beim Thema <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> bietet sich e<strong>in</strong> vergleichendes Vorgehen an, das<br />

die klassischen Ansätze <strong>der</strong> »Zivilisationstheorie« <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellt. Gerade für unsere mitteleuropäischen<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler ist e<strong>in</strong>e zunächst äußerliche Beobachtung oftm<strong>als</strong> Realerfahrung: die Begegnung mit<br />

an<strong>der</strong>en, höher stilisierten und ritualisierten Höflichkeitsformen. <strong>Die</strong>ser Ansatz lässt sich zu e<strong>in</strong>er umfassen<strong>der</strong>en<br />

520<br />

unter an<strong>der</strong>em Voigt 2001a, 2001e, 2002b, 2002c; Claußen 1993a, 1993b, 1995<br />

521<br />

<strong>Die</strong>se Arbeit über die Krise <strong>in</strong> Polen basiert auch auf e<strong>in</strong>er umfangreichen soziologischen Studie zum Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Transformation<br />

<strong>in</strong> Polen zur Zeit <strong>der</strong> unabhängigen Gewerkschaft Solidarność Ende <strong>der</strong> 70er Jahre (Nettelmann 1997b).<br />

522<br />

vgl. das persönliche Nachwort zum vorliegenden Buch.<br />

523<br />

<strong>Die</strong> folgenden beispielhaften Überlegungen zur Habitusentwicklung am Beispiel <strong>der</strong> »Höflichkeit« gehen auf Gesprächsnotizen<br />

des Verfassers von e<strong>in</strong>er Diskussion über das Thema mit Lothar Nettelmann im Vorfeld von an<strong>der</strong>weitigen Vorträgen<br />

und Aufsätzen zur Situation <strong>in</strong> den europäischen Transformationslän<strong>der</strong>n zurück. Das Thema »Höflichkeit« spielt auch im<br />

Unterricht bei <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Zivilisations- und Dezivilisationsprozessen e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle. Der Verfasser<br />

lässt <strong>in</strong> Kursen des nie<strong>der</strong>sächsischen Werterziehungsfaches »Werte und Normen« Höflichkeitsrituale im geschichtlichen<br />

Wandel (oftm<strong>als</strong> nach den Ausführungen von Elias) o<strong>der</strong> im <strong>in</strong>terkulturellen Vergleich, wobei auch die Herkunftskulturen<br />

<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> Wert gesetzt werden können, <strong>in</strong> kurzen Szenen o<strong>der</strong> Pantomimen nachspielen und<br />

dann analysieren – mit beachtlicher Motivationswirkung und Lern<strong>in</strong>tensität!<br />

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