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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

möglich. Bestenfalls lassen sich Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten aus Erfahrungen und Regelhaftigkeiten ableiten o<strong>der</strong> Szenarien<br />

<strong>in</strong>terpolieren und im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Spieltheorie modellhaft realisieren. 118<br />

Ausreichende Sicherheit im S<strong>in</strong>ne des Kriteriums <strong>der</strong> Wissenschaftlichkeit erhält sozialwissenschaftliches<br />

Arbeiten nur ex post, das heißt: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Untersuchung und Erklärung dessen, was Vergangenheit und was damit abgeschlossen<br />

ist. »Teilnehmende Beobachtung« gegenwärtiger sozialer Situationen und Prozesse erfahren ihre gültige<br />

Auswertung nach Abschluss <strong>der</strong> Beobachtung – wie es <strong>in</strong> allen Wissenschaften notwendig ist, <strong>in</strong> denen aber die<br />

Verstrickung <strong>in</strong> die Realität durch die Beobachtung selbst und die Unmöglichkeit, soziale Situationen mit<br />

h<strong>in</strong>reichen<strong>der</strong> gesellschaftlicher Validität und Reichweite experimentell zu isolieren, um die Zahl <strong>der</strong> <strong>in</strong>tervenierenden<br />

Faktoren <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Weise zu reduzieren, nicht <strong>in</strong> jenem grundsätzlichen Maße wie <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften<br />

Prognosefähigkeit und Modellbildung bee<strong>in</strong>trächtigt. Sozialwissenschaftliche »Modelle« und »Gesetze«<br />

s<strong>in</strong>d pr<strong>in</strong>zipiell und ausschließlich statistische Aussagen, <strong>der</strong>en ger<strong>in</strong>ge mathematische Signifikanz ihre Anwendung<br />

auf den E<strong>in</strong>zelfall im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Verhaltens- o<strong>der</strong> Entwicklungsprognose nicht möglich ist.<br />

1.5.2.2. Das Generationenkonzept<br />

Primäre Quelle <strong>der</strong> Realitätserfahrung ist die je eigene soziale Umwelt. <strong>Die</strong>se Aussage ist solange e<strong>in</strong>e Banalität, <strong>als</strong><br />

nicht <strong>der</strong> Versuch unternommen wird, diese soziale Umwelt <strong>als</strong> regelhaft strukturiert zu begreifen und diese Strukturierung<br />

<strong>als</strong> Maßstab für die Strukturierung sich entwickeln<strong>der</strong> Realitätsdeutungen zu verstehen. Grundlegendes<br />

Strukturierungsmerkmal ist, dass Generationen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> folgen, dass Biographien ungleichzeitig s<strong>in</strong>d und diese<br />

Ungleichzeitigkeit <strong>der</strong> Kern von Verän<strong>der</strong>ungen gesellschaftlicher Wahrnehmungsperspektiven darstellt.<br />

<strong>Die</strong>ses Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen <strong>der</strong> ungleichzeitigen Lebensläufe geschieht auf unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />

Ebenen und damit mit unterschiedlicher Wertigkeit und Distanz zur Persönlichkeitsentwicklung. E<strong>in</strong> didaktisch<br />

orientierter sozialwissenschaftlicher Anhast sieht hier Grundkategorien zur Untersuchung <strong>der</strong> Unterrichtssituationen<br />

wie auch <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen von Schule.<br />

<strong>Die</strong> primäre Generationenerfahrung erfolgt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie. Daher ist <strong>der</strong> soziologische Ansatz,<br />

den Generationenbegriff <strong>als</strong> Schlüsselbegriff für sozialpsychologische Prozesse und Entwicklungen auszuweisen,<br />

vor allem dann s<strong>in</strong>nvoll, wenn die Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie zu thematisieren und auszuwerten s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Die</strong> Regelhaftigkeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Familienbeziehungen wird psychologisch <strong>in</strong>tensiv erforscht und dokumentiert. E<strong>in</strong>e<br />

wesentliche sozialwissenschaftliche Fragestellung ergibt sich dabei, <strong>in</strong> welcher Weise die familialen Strukturen über<br />

das Generationenverhältnis h<strong>in</strong>aus von den strukturellen und materiellen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Gesellschaft abhängig<br />

s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong>wieweit sich dabei Interdependenzmodelle zur Analyse anbieten. In diesem Rahmen ist auch <strong>der</strong> Frage<br />

<strong>der</strong> kulturellen bzw. <strong>in</strong>terkulturellen E<strong>in</strong>wirkung nachzugehen, vor allem wenn regelhafte Enkulturationsprozesse<br />

von Akkulturationsprozessen beim Wechsel <strong>der</strong> kulturellen Umwelt, wie er bei <strong>der</strong> großen Zahl von Migranten<br />

auftritt, überlagert werden und die <strong>in</strong>dividuelle Sozialisation bestimmen. Im Rahmen e<strong>in</strong>es soziologischen Generationenkonzeptes,<br />

das wesentlich auf <strong>der</strong> Analyse familialer Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen fußt, s<strong>in</strong>d zum Beispiel die<br />

Untersuchungen zum autoritären Charakter, die auf Adorno 119 zurückgehen, zu werten. Es ist dabei ke<strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch,<br />

wenn das Erkenntnis<strong>in</strong>teresse an <strong>der</strong> Entstehung des autoritären Charakters gerade nicht <strong>in</strong>dividualpsychologisch<br />

son<strong>der</strong>n gesamtgesellschaftlich und politisch motiviert ist, wenn <strong>als</strong>o das Erklärungskonzept des<br />

»autoritären Charakters« zur Erklärung <strong>der</strong> Fügsamkeit gegenüber dem Nation<strong>als</strong>ozialismus – und an<strong>der</strong>er<br />

autoritärer und verbrecherischer Herrschaftssysteme – und <strong>der</strong> Bereitschaft, Mittäter bei politisch motivierten<br />

Massenverbrechen zu se<strong>in</strong>, entwickelt worden ist. (Adorno hat daraus se<strong>in</strong>e bekannte F- (Faschismus-) Skala<br />

abgeleitet.)<br />

Trotz <strong>der</strong> theoriegeschichtlichen Bedeutung dieses Ansatzes muss e<strong>in</strong>e Beschränkung auf sozialpsychologische<br />

Kategorien heute <strong>als</strong> Theoriedefizit bewertet werden. Es ist erweisbar, dass Fügsamkeit gegenüber Autoritäten<br />

bis zu e<strong>in</strong>em im Voraus nicht fixierbaren Grad zu den anthropologischen Konstanten gehört und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausprägung<br />

eher situativ – im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> je augenblicklichen Gültigkeit durchgesetzter und ver<strong>in</strong>nerlichter Zivilisationsstandards<br />

und gegebenenfalls im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> auf das Individuum e<strong>in</strong>wirkenden dezivilisierenden situativen Anomie-<br />

Erfahrungen – denn <strong>in</strong>dividuell-charakterlich bestimmt ist. Zur Fügsamkeit s<strong>in</strong>d im Rahmen <strong>der</strong> Machttheorie seit<br />

Max Weber [Max Weber: Soziologische Grundbegriffe. Tüb<strong>in</strong>gen 1960 (Mohr), S. 42 f.] Vorstellungen davon<br />

entwickelt worden, <strong>in</strong> welcher Weise die Grundbedürfnisse nach Ordnungssicherheit, Zukunfts- und Orientierungssicherheit<br />

das Alltagsverhalten bestimmen und Wertorientierungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>als</strong> nachträgliche Versuche zu<br />

werten s<strong>in</strong>d, Verhalten erklärbar zu machen und – auch sich selbst gegenüber – zu rechtfertigen. [He<strong>in</strong>rich Popitz:<br />

Prozesse <strong>der</strong> Machtbildung. Tüb<strong>in</strong>gen 1968. – Elliot Liebow: Tally’s Corner. Boston: 1967.] Es sche<strong>in</strong>t daher heute<br />

118<br />

An an<strong>der</strong>er Stelle ist auf das auch hier zutage tretende Problem <strong>der</strong> Selbstreferentialität und <strong>der</strong> Prozesse <strong>der</strong> self-fulfill<strong>in</strong>g<br />

prophecies e<strong>in</strong>zugehen: Szenarien und Versuche von Prognosen s<strong>in</strong>d selbst handlungssteuernde und -bee<strong>in</strong>flussende soziale<br />

Wirkungsfaktoren und bee<strong>in</strong>flussen die realen Abläufe <strong>in</strong> demjenigen System, das sie analysieren. Sie werden zu e<strong>in</strong>em<br />

gesellschaftlichen Agens, das letztlich nie h<strong>in</strong>reichend <strong>in</strong> die eigene Kompetenzentwicklung mit e<strong>in</strong>bezogen werden kann<br />

und muss!<br />

119<br />

Adorno, u. a., Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1973. – Vgl. auch Wilfried Gottschalch, Schülerkrisen.<br />

Entstehungsgeschichten autoritärer Persönlichkeiten. Re<strong>in</strong>bek 1977, S. 35<br />

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