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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

semiperipheren Regionen zu thematisieren und zu problematisieren. Das was mit den Begriffen Kolonialismus,<br />

Imperialismus und Neokolonialismus an politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen und Penetrationen geme<strong>in</strong>t ist,<br />

wird alle<strong>in</strong> durch die Kategorisierung nicht h<strong>in</strong>reichend erklärt.<br />

<strong>Die</strong> Herausbildung des mo<strong>der</strong>nen »Weltsystems« ist <strong>als</strong> gegenseitiger Prozess <strong>der</strong> gesellschaftlichen Umstrukturierung<br />

zu verstehen, <strong>in</strong> dem sich die zentralen Topoi <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur nicht nur <strong>in</strong> den abhängigen Regionen<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> den globalen sozio-ökonomischen und politischen Zentren herausbilden und sich das Zeitalter <strong>der</strong><br />

Globalisierung und Universalisierung vorbereitet. <strong>Die</strong> iranisch-europäischen Kontakte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Safawiden- wie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kadjaren-Zeit s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite typisch für die Phasen <strong>der</strong> Inkorporation formal nicht kolonialisierter Län<strong>der</strong>,<br />

bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> ökonomischen Konkurrenz und <strong>der</strong> Herausbildung e<strong>in</strong>er europäischen Überlegenheitslegende,<br />

die <strong>in</strong> den betroffenen Län<strong>der</strong>n oft e<strong>in</strong>e fatale Suggestivwirkung entfaltet, die Phase <strong>der</strong> »ungleichen Verträge« folgt,<br />

die die <strong>in</strong>nere Schwäche und strukturelle Rückständigkeit <strong>der</strong> Herrschaftsorganisation <strong>in</strong> diesen rural-feudalen<br />

Gesellschaften und die »Geldgier« <strong>der</strong> Herrscherkaste – vgl. das Zitat über die E<strong>in</strong>künfte des Gouverneurs von<br />

Jerewan und die Anmerkungen über Staatse<strong>in</strong>künfte und Geschenke weiter oben – geschickt ausnutzen, um<br />

Konzessionen und Wirtschaftsprivilegien, letztlich aber auch politischen E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n zu err<strong>in</strong>gen. 225<br />

Das erfolgte <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> genauso wie im Osmanischen Reich, wo Baghdad-Bahn und Hedschas-Bahn ebenso wie die<br />

deutsche Hilfe beim »ersten Genozid des Jahrhun<strong>der</strong>ts«, <strong>der</strong> gewaltsamen Umsiedlung und teilweisen Vernichtung<br />

<strong>der</strong> Armenier im äußersten Nordosten des Reiches von <strong>der</strong> imperialen Konkurrenz <strong>der</strong> europäischen Mächte um<br />

E<strong>in</strong>flussnahme und ökonomische Ausbreitung zeugt. In <strong>Iran</strong> wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kadjaren-Zeit, wie im folgenden<br />

Abschnitt zu erläutern ist, die ersten Konzessionen zunächst an europäische »Abenteurer« – heute würde man wohl<br />

positiver formulieren: Investoren <strong>in</strong> Risiko-Kapital – wie den Englän<strong>der</strong>n d’Arcy und Major Talbot o<strong>der</strong> den<br />

Deutschen Baron Julius von Reuter vergeben, dem dann die größeren europäischen Konzerne, vor allem die<br />

britische BP folgten und die letztlich <strong>in</strong> wirtschaftlicher H<strong>in</strong>sicht fast frei und unkontrolliert <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> agieren und<br />

letztlich damit auch E<strong>in</strong>fluss auf die Politik nehmen konnten. <strong>Die</strong>se Inkorporation <strong>in</strong> die neu entstehende<br />

europäische Weltwirtschaft ist letztlich die Ursache <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Unterentwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land, das<br />

niem<strong>als</strong> formal Kolonie gewesen ist. Sie ist aber auch <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> gegenwärtigen Globalisierungsprozesse.<br />

Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t verliert <strong>Iran</strong> endgültig se<strong>in</strong>e Stellung <strong>als</strong> Hegemonialmacht im Mittleren Osten –<br />

e<strong>in</strong>gekreist durch das <strong>in</strong> immer stärker <strong>in</strong> westliche Abhängigkeiten geratene Osmanische Reich im Westen<br />

und die britischen Kolonialgebiete auf dem <strong>in</strong>dischen Subkont<strong>in</strong>ent im Osten – und verstrickt sich <strong>in</strong><br />

andauernde <strong>in</strong>nere Machtkämpfe, <strong>der</strong>en Ergebnis <strong>der</strong> wirtschaftliche Nie<strong>der</strong>gang und die wachsende regionale<br />

Zersplitterung war: ideale Voraussetzungen für Machtpolitik <strong>der</strong> Kolonialmächte, vor allem Großbritanniens.<br />

Es entsteht die für <strong>Iran</strong> bis zur <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> typische halbkoloniale, abhängige<br />

Struktur, bei <strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>e formale kolonialistische Eroberung getrost verzichtet werden konnten. Viele Motive,<br />

die dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> e<strong>in</strong>e Rolle spielten, haben ihre Wurzeln <strong>in</strong> diesem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

3.1.2. Historisch-ökonomische Verhältnisse Ende des 19. und<br />

Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

3.1.2.1. <strong>Die</strong> Entwicklung Persiens unter <strong>der</strong> Kadjarendynastie<br />

<strong>Die</strong> Kadjarendynastie (Qadjaren) gilt allgeme<strong>in</strong> <strong>als</strong> schwache und erfolglose Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>. Der unbestreitbare<br />

sozio-ökonomische Nie<strong>der</strong>gang des Landes ist jedoch <strong>in</strong>terpretationsbedürftig. <strong>Die</strong> nachfolgende Dynastie <strong>der</strong><br />

Pahlewis legitimierte ihren Putsch ja gerade mit dem Versagen <strong>der</strong> bisherigen Herrschaft. Es ist didaktischmethodisch<br />

aufschlussreich, die zusammenfassende Charakteristik <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong> Kadjaren-Šahs durch<br />

e<strong>in</strong>en iranistischen Historiker mit <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Perspektive deutscher Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zu vergleichen.<br />

Alessandro Bausani, den wir weiter oben schon <strong>in</strong> Beziehung mit <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Safawidenzeit zitiert haben,<br />

résumiert die Herrschaftszeit <strong>der</strong> Kadjaren wie folgt:<br />

„Mit den Kadscharen f<strong>in</strong>det sich Persien zum erstenmal ernsthaft, aber ohne sich verteidigen zu können, <strong>in</strong> den<br />

Kampf um die kolonialistische Vorherrschaft Europas <strong>in</strong> Asien verstrickt. Im Innern rächte sich <strong>der</strong> unter den<br />

Safaviden schon mächtige schiitische Klerus für die Zurückdrängung, die er sich während <strong>der</strong> Epoche des<br />

Sunniten Nadir hatte gefallen lassen müssen; er eroberte sich im öffentlichen Leben e<strong>in</strong>e sehr e<strong>in</strong>flußreiche<br />

Stellung, <strong>in</strong>dem er die unter den Safaviden gewonnenen Privilegien geltend machte und damit den Fortschritt<br />

des Landes lähmte. <strong>Die</strong> politische Geschichte <strong>der</strong> Kadscharen ist <strong>in</strong> ihrer ganzen Substanz e<strong>in</strong>e Geschichte<br />

erfolgloser Kämpfe, voller Erniedrigungen; die Sozialgeschichte ersche<strong>in</strong>t konservativ, während die Kultur<br />

225<br />

„Der Handel mit dem Westen erweiterte sich ständig und gab dem europäischen Raum weiteren E<strong>in</strong>fluss. J. B. Fraser<br />

(erste Hälfte 19. Jahrhun<strong>der</strong>t) beobachtete: ‚Persien ist wirklich e<strong>in</strong> armes Land, und nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil se<strong>in</strong>er Bevölkerung<br />

kann im Überfluss leben; die zunehmenden Kontakte mit Europa aber und <strong>der</strong> europäische Fortschritt haben das Verlangen<br />

geweckt, den Luxus und die Bequemlichkeiten Europas auch zu besitzen, so dass die Nachfrage danach ausgeweitet<br />

und ständig vermehrt wird.‘“ [Bausani 1965: 163].<br />

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