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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

Wieweit s<strong>in</strong>d europäische Wahrnehmungen überhaupt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, Ambivalenzen und Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>der</strong><br />

fremden kulturellen Codierung zu verstehen?<br />

Für die didaktische Arbeit ist es daher ausschlaggebend, die verschiedenen Fragen und Ansätze nicht <strong>als</strong> isolierte<br />

Problemstellungen zu verstehen, son<strong>der</strong>n sie <strong>als</strong> Gesamtheit <strong>in</strong> ihren Interdependenzen und Wechselwirkungen und<br />

Bed<strong>in</strong>gtheiten zu begreifen.<br />

Letztlich bedeutet hier didaktisches Arbeiten, e<strong>in</strong>en Diskurs zu konstruieren, <strong>in</strong>dem Positionen, Quellen und<br />

Wahrnehmungsebenen gegenüber gestellt werden, um sie „zum Sprechen zu br<strong>in</strong>gen“. Es geht ke<strong>in</strong>eswegs darum,<br />

mit Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern wissenschaftspropädeutische Detailkenntnisse zu erarbeiten, noch <strong>in</strong> banaler<br />

ideologiekritischer Weise Schülerüberzeugungen zu „korrigieren“ und <strong>als</strong> Stereotype zu „entlarven“, son<strong>der</strong>n die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler müssen auch <strong>in</strong> ihren Wertungen und Wahrnehmungen „dort abgeholt werden, wo sie sich<br />

bef<strong>in</strong>den“. Es ist ja geradezu fasz<strong>in</strong>ierend und aufschlussreich, die Spektren möglicher Positionen und Wertungen zu<br />

erfahren – wie wir das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorangegangen Kapitel mit Bezug auf e<strong>in</strong>e Befragung zu Urteilen zur „Dritten<br />

Welt“ vorgeführt haben – und auf die „Folie“ <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur zu projizieren.<br />

Dabei versteht es sich eigentlich von selbst, dass nicht autoritative „wissenschaftliche“ Quellen im Vor<strong>der</strong>grund<br />

stehen, son<strong>der</strong>n (Selbst-)Zeugnisse <strong>der</strong> politischen und kulturellen Diskurse zu diesem Themenbereich sowohl<br />

aus <strong>Iran</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en islamischen Län<strong>der</strong>n <strong>als</strong> auch aus <strong>der</strong> „westlichen Welt“. Auch hier stehen wie<strong>der</strong> die Quellen<br />

im Vor<strong>der</strong>grund, für die die diskurs-begründende Funktion an <strong>der</strong> zeitgeschichtlichen Thematik <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n<br />

<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> exemplarisch vorgestellt worden ist. Nicht das Thema „Frauen im Islam“ o<strong>der</strong> „Menschenrechte<br />

<strong>in</strong> den Semiperipherien“ ist für sich genommen pädagogisch von zentraler Bedeutung, son<strong>der</strong> die Arbeit an diesen<br />

Themen selbst ist das pädagogische Ziel – o<strong>der</strong> um es „revisionistisch“ o<strong>der</strong> „taoistisch“ zu umschreiben: <strong>der</strong> Weg<br />

ist das Ziel.<br />

4.4.2.2. <strong>Die</strong> Frauen-Diskurse im Rahmen <strong>der</strong> Menschenrechts-Diskurse:<br />

Selbstbehauptung, Waffe, gesellschaftlicher Wandel<br />

Frauen-Diskurse nehmen e<strong>in</strong>en immer größeren Teil <strong>der</strong> politisch-kulturellen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>in</strong> den islamischen<br />

Län<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>. Wie schon angedeutet, ist dies verknüpft mit dem gesellschaftlichen Wandel <strong>in</strong> dieser Region.<br />

Wie dieser Wandel selbst ist auch die Funktion <strong>der</strong> Frauen-Diskurse heterogen und wi<strong>der</strong>sprüchlich. Renate Kreile<br />

schreibt <strong>in</strong> ihrem weiter oben schon e<strong>in</strong>mal zitierten Aufsatz:<br />

„Im H<strong>in</strong>blick auf die Perspektiven <strong>der</strong> geschlechterpolitischen Dynamik im Vor<strong>der</strong>en Orient zeichnen sich<br />

wi<strong>der</strong>sprüchliche, <strong>in</strong> sich gegenläufige und sozial unterschiedlich akzentuierte Tendenzen ab. Solange sich die<br />

Krisenentwicklungen vertiefen und die sozialen und politischen Polarisierungen e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> damit<br />

verbundenen kulturellen Brüche weiter zunehmen, dürfte auch die Nachfrage <strong>in</strong> den ärmeren sozialen<br />

Schichten nach Schutz, Absicherung und sozialmoralischer Orientierung durch die familiären und religiösen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften ungebrochen bleiben. Mangels Alternativen und angesichts e<strong>in</strong>es repressiven, sozialpolitisch<br />

abwesenden Staates bleiben sie existenziell notwendige Zufluchtsbastionen, <strong>der</strong>en Zusammenhalt durch die<br />

traditionellen patriarchalischen Verhältnisse aufrechterhalten und den Autonomieansprüchen <strong>der</strong> Individuen<br />

übergeordnet wird. Gleichzeitig müssen immer mehr Frauen aus den Unter- und Mittelschichten zum<br />

Lebensunterhalt <strong>der</strong> Familien beitragen, was die patriarchalischen Geschlechterarrangements <strong>in</strong> ihrer materiellen<br />

Grundlage zunehmend unterspült. <strong>Die</strong> wachsende Präsenz <strong>der</strong> Frauen im öffentlichen Raum, ihr breiter<br />

Zugang zu Bildung und Beruf, läßt sich sicherlich nicht rückgängig machen, dürfte aber weiterh<strong>in</strong> von sozialmoralischen<br />

Kontrollversuchen und neopatriarchalischen Gegenbewegungen begleitet und beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden.“ 559<br />

<strong>Die</strong>se <strong>in</strong>nere Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit lässt sich beson<strong>der</strong>s deutlich machen am konkreten Beispiel von Frauen, die<br />

kulturelle Leitfiguren für Teile <strong>der</strong> islamischen Welt und für den <strong>in</strong>terkulturellen Dialog geworden s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong>se<br />

Konkretheit <strong>der</strong> Beispiele lässt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Quellenlage auch <strong>in</strong> deutscher Sprache gut entwickeln und ist daher e<strong>in</strong><br />

didaktisches Muster, das sich unterrichtlich <strong>in</strong> Wert setzen lässt.<br />

Soraya Adambakan beschäftigt sich exemplarisch mit Qurrat al-`Ayn, bei <strong>der</strong> sich die für deutsche Wahrnehmung<br />

überraschende Frage stellt, wie e<strong>in</strong>e Frau <strong>als</strong> Reformator<strong>in</strong> des Islam e<strong>in</strong>zuordnen ist.<br />

„Fatima Baraghani, genannt Qurrat al-‘Ayn, war e<strong>in</strong>e gebildete, eloquente Theolog<strong>in</strong>, die die islamische<br />

Tradition anhand ihres fortgeschrittenen islamischen Wissens <strong>in</strong> Frage stellte und gegen die tief geprägten<br />

gesellschaftlichen Normen verstieß. Ihre Funktion bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> heterodoxischen Babi-Bewegung<br />

gilt <strong>als</strong> maßgebend. Somit kommt ihr e<strong>in</strong>e bedeuten<strong>der</strong>e Rolle bei <strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Shari`a und Verkündung<br />

des Adventes e<strong>in</strong>er neuen Religion zu <strong>als</strong> dem eigentlichen Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Babi-Bewegung selbst. <strong>Die</strong><br />

Charaktereigenschaften dieser Frau, ihr furchtloser E<strong>in</strong>satz für e<strong>in</strong>e Religion, die e<strong>in</strong>e bessere und gerechtere<br />

559<br />

Ausdrucks- und Selbst<strong>in</strong>szenierungsmöglichkeiten be<strong>in</strong>haltet; das kann sich auf die so genannten religiösen Speisevorschriften<br />

beziehen, die nun offensichtlich sehr alte Tabuisierungen tradieren und <strong>der</strong>en versuchte theologische Begründung<br />

ausschließlich ex post rechtfertigenden und rationalisierenden Charakter tragen (warum mag schließlich <strong>der</strong> Mitteleuropäer<br />

so ungern se<strong>in</strong>en Dackel braten?).“<br />

Renate Kreile, 1998: „Der Islam ist die Lösung“. Das Verhältnis <strong>der</strong> Geschlechter und se<strong>in</strong>e Instrumentalisierung. Frauen<br />

zwischen alten Beschränkungen und neuen Horizonten. Bürger im Staat. Heft 3/98: Der Vor<strong>der</strong>e Orient.<br />

http://www.lpb.bwue.de/aktuell/bis/3_98/bis983j.htm<br />

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