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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

Prozesses <strong>der</strong> Zivilisation resp. Kultur entwickelt und zu Grunde legt, letztlich <strong>als</strong>o die Basis für <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Empathie schaffen kann.<br />

<strong>Die</strong> iranische Geschichte, <strong>der</strong> europäischen an Dauer und Vielfältigkeit überlegen, drängt <strong>in</strong> ihrem Wechsel<br />

von Kont<strong>in</strong>uitäten und Diskont<strong>in</strong>uitäten, Integration und Des<strong>in</strong>tegration gerade auf e<strong>in</strong> Epochenmodell, dass sich<br />

nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschreibung von politischen Herrschaftsverhältnissen beschränkt, son<strong>der</strong>n den Wandel des Bewusstse<strong>in</strong>s<br />

<strong>der</strong> Menschen, ausgedrückt <strong>in</strong> ihrer Kultur, <strong>als</strong> Episteme nachvollzieht.<br />

<strong>Die</strong> iranische Hochkultur ist seit Jahrtausenden reich an Artefakten – die wir heute <strong>als</strong> Kunstwerke sehen und<br />

begreifen –, die epochenbezogen Realität, S<strong>in</strong>n und Bedeutung repräsentieren.<br />

<strong>Die</strong>ser diskursive kulturgeschichtliche Ansatz, dessen grundsätzliche und theoretische Problematik schon<br />

angedeutet wurde, zeigt damit auch e<strong>in</strong>en konzeptionellen Unterschied zu den zivilisationstheoretischen Zugängen<br />

zur <strong>Politischen</strong> Kultur und Zivilisation, die die Untersuchung <strong>der</strong> »Manieren« und <strong>der</strong> Habitusentwicklung und ihrer<br />

»Durchsickerung« und Durchsetzung von den herrschenden – <strong>in</strong> Europa lange Zeit: höfischen – Schichten und<br />

Klassen auf die breite Bevölkerung, Bürgertum, Landbevölkerung, Arbeiterschaft <strong>in</strong> oft sehr langen Zeiträumen zum<br />

Thema gemacht haben, während <strong>der</strong> epistemologisch-diskursive Ansatz Foucaults das <strong>in</strong>haltliche Verständnis <strong>der</strong><br />

Realität e<strong>in</strong>er Epoche sucht und von unserer heutigen Realität distanzieren möchte. Weniger die Frage nach den<br />

Entwicklungen und Kont<strong>in</strong>uitäten, die letztlich zur Gegenwart führen, <strong>als</strong> das Erkennen <strong>der</strong> Vielfältigkeit <strong>der</strong><br />

Realitäten, ihrer historischen Bed<strong>in</strong>gtheit steht im Vor<strong>der</strong>grund des Interesses.<br />

Beide kulturhistorischen Ansätze gehen letztlich von <strong>der</strong> prägenden Kraft e<strong>in</strong>er politischen und geistigen – d.h.<br />

<strong>in</strong> vielen Fällen daher auch religiösen – Oberschicht o<strong>der</strong> Elite aus. Während aber die Zivilisationstheorie die<br />

Kriterien <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> von ihr <strong>als</strong> maßgeblich und wirkungsmächtig <strong>in</strong>terpretierten gesellschaftlichen Realitäten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong>en sozialer Durchdr<strong>in</strong>gungs- und B<strong>in</strong>dungskraft sieht, das <strong>in</strong>haltliche Verständnis <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Manieren<br />

und habituellen Gesellschaftsdeutungen, die von diesen Zentren ausgehen, aber eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit<br />

des »Verstehens« <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen europäischen Geschichte beruhen lässt 77 , wäre e<strong>in</strong>e an Foucault orientierte<br />

epistemologische Kulturgeschichte <strong>der</strong> Epochen vor allem <strong>in</strong> ihrer Repräsentation im Außergewöhnlichen, ja<br />

S<strong>in</strong>gulären, zu suchen.<br />

Dabei ist das diskursive Pr<strong>in</strong>zip gerade <strong>in</strong> Foucaults These zu suchen, dass bestimmte Gedanken <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

jeweiligen Epoche – noch – nicht gedacht, bestimmt Realitätsdeutungen – noch – nicht vollzogen und bestimmte<br />

Perspektiven – noch – nicht gesehen werden können, auch nicht <strong>in</strong> s<strong>in</strong>gulären, avantgardistischen Artefakten.<br />

Gerade <strong>in</strong> den außergewöhnlichen Kunstwerken lässt sich das epochentypische Epistem von <strong>der</strong> jeweils<br />

<strong>in</strong>dividuellen E<strong>in</strong>bettung am deutlichsten isolieren und herausarbeiten, am gültigsten <strong>in</strong>haltlich bestimmen. Gerade<br />

die Distanz zum Gewöhnlichen lässt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> s<strong>in</strong>gulären Leistung die Epoche repräsentieren. Für die iranische<br />

Geschichte ist dieser Ansatz sicherlich orig<strong>in</strong>ell und fruchtbar, da die langen Phasen <strong>der</strong> sozialen und politischen<br />

Des<strong>in</strong>tegration e<strong>in</strong>e gültige Repräsentation im Alltag erschweren und die gesellschaftliche Situation <strong>in</strong> hohem Maße<br />

<strong>als</strong> unübersichtlich ersche<strong>in</strong>en lassen.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die kulturellen Wurzeln <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> ist <strong>als</strong>o nach e<strong>in</strong>er gültigen<br />

kulturellen Repräsentation <strong>der</strong> gesellschaftlichen Realitäten zu suchen, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> iranischen Gesellschaft selbst<br />

entwickelt hat. Da dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weitgehend undistanziert vordiskursiven gesellschaftlichen Kommunikation, die<br />

typisch ist für die Gesellschaften <strong>der</strong> Semiperipherien, weniger <strong>in</strong> den theologischen Schriften <strong>der</strong> Geistlichkeit noch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> sich seit hun<strong>der</strong>t Jahren von <strong>der</strong> eigenen Gesellschaft absetzenden westlich orientierten städtischen<br />

Intellektuellenschicht zu f<strong>in</strong>den ist – obwohl auch hier geistige Erzeugnisse <strong>als</strong> epochale Episteme für die<br />

Umbruchsituation <strong>der</strong> Realitätsperspektiven <strong>in</strong> den semiperipheren Regionen zu <strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d –, wird man<br />

wohl zuvor<strong>der</strong>st auf die Situationen abheben, <strong>in</strong> denen die Gesellschaft selbst das Außergewöhnliche vom Alltäglichen<br />

absetzt und sich selbst zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen will: im rituellen Verhalten. Kippenberg und Hooglund <strong>in</strong> dem<br />

aufschlussreichen Jahrbuch mardom nameh (1981) konzentrieren sich dabei <strong>in</strong> bemerkenswerten Untersuchungen<br />

auf die regelmäßigen ’Ašura-Rituale, <strong>der</strong>en <strong>in</strong>tegrative und identitätsstiftende Bedeutung herausgearbeitet werden<br />

und die e<strong>in</strong>en überzeugenden Ansatz für e<strong>in</strong>e epistemologische Untersuchung <strong>der</strong> iranischen Kulturgeschichte<br />

darstellen würde. 78<br />

Für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung dieser Forschungsperspektiven <strong>in</strong> die didaktisch-diskursive Konzeption <strong>der</strong><br />

vorliegenden Arbeit fehlen aber <strong>der</strong>zeit noch die notwendigen <strong>in</strong>haltlichen und historischen Vorarbeiten ebenso wie<br />

erprobte Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis des politischen Unterrichts.<br />

3. Diskurse <strong>als</strong> (wissenschaftliche) Arbeitsmethodik [Renn / Webler 1996].<br />

Nicht notwendigerweise muss die Konzentration des diskurstheoretischen Ansatzes auf e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

Praxisorientierung zu e<strong>in</strong>er reflexiven Verarmung o<strong>der</strong> Banalisierung führen, wie die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um<br />

77<br />

78<br />

Erst <strong>in</strong> speziellen Untersuchungen, die typischerweise e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkulturellen Anwendung <strong>der</strong> Zivilisationstheorie zuzuordnen<br />

s<strong>in</strong>d, wie am Beispiel <strong>der</strong> Türkei bei Waldhoff, wird ansatzweise nach e<strong>in</strong>er Erklärung dieser <strong>in</strong>haltlichen Formung gesucht<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> spezifischen gesellschaftlichen – <strong>in</strong> den Peripherien noch durchaus ruralen – Umwelt gefunden.<br />

An mehreren Stellen dieser Untersuchung werden die aufschlussreichen Arbeiten von Kippenberg [1981] und Hooglund<br />

[1981] herangezogen, so <strong>in</strong> den Abschnitten 4.1.3 zum Problem <strong>der</strong> Rezeption von Mo<strong>der</strong>nisierungszumutungen und 4.1.4<br />

zum Thema <strong>der</strong> Armut.<br />

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