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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

Der Islam befolgt, ähnlich wie das Judentum, e<strong>in</strong> Bil<strong>der</strong>verbot. Im Laufe <strong>der</strong> Geschichte gab es jedoch immer<br />

wie<strong>der</strong> weniger orthodoxe Phasen, <strong>in</strong> welchen die abbildende Kunst aufleben konnte. Persien brachte so<br />

beispielsweise zur Zeit <strong>der</strong> Timuriden e<strong>in</strong>e hoch qualifizierte M<strong>als</strong>chule hervor. Und die Mogul-M<strong>als</strong>chule <strong>in</strong><br />

Indien wurde mit Künstlern aus den persischen Ateliers gegründet. In weniger toleranten orthodoxen Zeiten<br />

entstanden komplexe Ornamente, jene geometrischen und vegetabilischen Formenspiele, welche sich aus dem<br />

Ergebnis höchst komplizierter mathematischer Formeln herleiten.<br />

Shir<strong>in</strong> Neshat gibt zu verstehen, dass sie mit den Mitteln arbeitet, die <strong>der</strong> Islam ihr bietet. Als sie sich mit den<br />

dem Islam zugrunde liegenden Traditionen und Philosophien zu beschäftigen begann, entschloss sie sich, den<br />

Rahmen <strong>der</strong> sozialen, kulturellen und religiösen Codes nicht zu verlassen. <strong>Die</strong>se beschränkten Mittel benutzt<br />

sie <strong>in</strong> ihren photographischen Kompositionen dazu, Schönheit, Eleganz und Spiritualität <strong>als</strong> wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Gegenpart zu gewissen politischen Neigungen des Islam e<strong>in</strong>zusetzen.“<br />

Aus „l<strong>in</strong>ker“ Perspektive wird <strong>der</strong> Kampf um Frauenrechte <strong>als</strong> Kampf gegen religiöse Bevormundung und staatliche<br />

Unterdrückung verstanden. Vor allem Autoren aus dem ehemaligen kommunistischen Wi<strong>der</strong>stand, doppelt enttäuscht,<br />

da ihr geme<strong>in</strong>samer Kampf gegen den Šah nicht zu e<strong>in</strong>em mo<strong>der</strong>nen, sozialistischen Staatswesen geführt<br />

hatte, erarbeiten scharfe Pamphlete gegen die <strong>Islamische</strong> Republik und die Unterdrückung <strong>der</strong> Frau <strong>in</strong> diesem Staat.<br />

Dass dies vor allem die Perspektive <strong>der</strong> urbanen, westlich-liberalen Frau ist, wird sofort deutlich, aber auch <strong>als</strong><br />

absoluter Maßstab postuliert, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Zwischentöne zulässt. 563<br />

Sehr viel differenzierter kann die Situation aber dargestellt werden, wenn konkrete Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den<br />

Vor<strong>der</strong>grund gestellt werden und <strong>in</strong> bestimmten Gruppen von Frauen e<strong>in</strong> „Motor“ des Wandels wahrgenommen<br />

wird. Dabei wird auch deutlich, dass trotz aller „reaktionärer Artikulation“ – <strong>in</strong> <strong>der</strong> westlichen Wahrnehmung – <strong>Iran</strong><br />

durchaus nicht <strong>der</strong> Ort durchweg „verbrecherischer Unterdrückung“ 564 ist:<br />

„Im Gegensatz zu an<strong>der</strong>n islamischen Län<strong>der</strong>n hat <strong>der</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong> Parlament; dieses wird am Freitag neu bestellt.<br />

An den Wahlen nehmen auch die Frauen teil. Viele von ihnen passen nicht <strong>in</strong>s Klischeebild vom bloß<br />

unterdrückten Geschlecht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von bärtigen Patriarchen dom<strong>in</strong>ierten Gesellschaft: Frauen kämpfen im <strong>Iran</strong><br />

mit zunehmendem Erfolg um öffentliche Positionen und s<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>em Motor für Verän<strong>der</strong>ungen geworden.“<br />

565<br />

In wie weit Artur K. Vogel hier wie<strong>der</strong>um „westliche Perspektiven“ transportiert, die den unmittelbar betroffenen<br />

<strong>Iran</strong>er wie Ali Mahdjoubi-Nam<strong>in</strong> nicht gerecht wird – <strong>der</strong> aber <strong>als</strong> Exiliraner, Mann und Kommunist vielleicht auch<br />

nicht die geeignete Gewährsperson für „Frauenfragen“ ist? –, müsste durch e<strong>in</strong>e größere Anzahl Quellen und e<strong>in</strong>en<br />

Diskurs darüber erörtert werden. Artur K. Vogel charakterisiert die Hoffnungen reformorientierter Frauen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

wie folgt:<br />

„‚<strong>Iran</strong>ische Frauen s<strong>in</strong>d Ausnahmeersche<strong>in</strong>ungen‘, sagt Filmer<strong>in</strong> Tahm<strong>in</strong>eh Milani. ‚Viele haben sich durchgesetzt,<br />

und dazu braucht es e<strong>in</strong>e sehr starke Persönlichkeit‘. Durchgesetzt haben sich regimekonforme Frauen<br />

wie Parv<strong>in</strong> Marufi, die im Landwirtschaftsm<strong>in</strong>isterium <strong>der</strong> Abteilung für Angelegenheiten <strong>der</strong> Landfrauen<br />

vorsteht und versucht, mit <strong>der</strong> Gründung von Kooperativen und Frauengruppen, mit Erziehung und Weiterbildung<br />

das Los <strong>der</strong> Bäuer<strong>in</strong>nen und ihrer Familien zu verbessern.<br />

Durchgesetzt haben sich regimekritische Frauen wie die Verleger<strong>in</strong> Shahla Lahiji, die ihren täglichen Kampf<br />

gegen die Zensoren führt, um persische Übersetzungen von Werken Jean-Paul Sartres, Hannah Arendts, von<br />

Gabriel Garcia Marquez, Milan Kun<strong>der</strong>a o<strong>der</strong> Marguerite Yourcenar publizieren zu können. Und sie bemüht<br />

sich um juristische Bücher von Shir<strong>in</strong> Ebadi 566 und Mehrangiz Kar, junge iranische Literatur, Frauenbücher,<br />

Theaterstücke und Anthologien.<br />

Durchgesetzt hat sich auch die Soziolog<strong>in</strong> Mahlagha Mallah, die sich, nach ihrer Pensionierung <strong>als</strong> Direktor<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bibliothek für psychologische Forschung, <strong>in</strong> Umweltfragen zu engagieren begann und bei <strong>der</strong> Regierung<br />

die Zulassung ihrer ‚<strong>Iran</strong>ischen Frauenvere<strong>in</strong>igung gegen Umweltverschmutzung‘ erreicht hat. Vor allem aber,<br />

so die Me<strong>in</strong>ung mehrerer Gesprächspartner<strong>in</strong>nen, setzen sich immer mehr Frauen <strong>in</strong> weniger prestigeträchtigen<br />

Berufen durch: Arbeiter<strong>in</strong>nen, Bäuer<strong>in</strong>nen, Angestellte. Dafür, dass iranische Frauen heute vermehrt an<br />

die Öffentlichkeit treten und ihr eigenes Selbstbewusstse<strong>in</strong> entwickeln, werden mehrere Gründe genannt:<br />

Ayatollah Khome<strong>in</strong>i holte gerade die traditionellen, religiösen Frauen für Massenaufmärsche und –demonstrationen<br />

aus den Häusern; während des Kriegs gegen den Irak (1980 bis 1988) waren Hun<strong>der</strong>ttausende von<br />

Frauen gezwungen, traditionell den Männern vorbehaltene Rollen zu übernehmen, um das Überleben ihrer<br />

Familien zu sichern; und schliesslich werden immer mehr Frauen mit den Ideen ihrer westlichen Schwestern<br />

konfrontiert.“ 567<br />

563<br />

E<strong>in</strong>e gute und lesenswerte Quelle aus dieser Richtung ist Ali Mahdjoubi-Nam<strong>in</strong>, 2000: <strong>Die</strong> Frauen waren da und damit e<strong>in</strong><br />

Machtfaktor. Quelle: „Freitag“, 17, 21.07.2000. download: http://www.freitag.de/2000/17/00171801.htm<br />

564<br />

Ali Mahdjoubi-Nam<strong>in</strong> charakterisiert das so: „<strong>Die</strong> darauffolgenden Jahre wurden die f<strong>in</strong>stersten Kapitel <strong>der</strong> iranischen<br />

Geschichte, vor allem <strong>in</strong> Bezug auf Frauenrechte“ (ibid.).<br />

565<br />

Artur K. Vogel, 1996: Teheran: Emanzipation unter dem Tschador. E<strong>in</strong>e „neue iranische <strong>Revolution</strong>“ geht von den Frauen<br />

aus – vorerst nur zaghaft. Quelle: Tagesanzeiger (Schweiz), 7. März 1996.<br />

http://www.tages-anzeiger.ch/archiv/96maerz/960307/144104.htm<br />

566<br />

Friedensnobelpreisträger<strong>in</strong> 2003. Vgl. Anm. 516.<br />

567<br />

ibid., Artur K. Vogel, 1996.<br />

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