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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

ungsversuches für die <strong>in</strong> <strong>der</strong> amerikanischen Botschaft <strong>in</strong> Tehran von so genannten »Studenten« 436 im Namen <strong>der</strong><br />

<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> gefangen gehaltenen amerikanischen Botschaftsangehörigen beherrscht.<br />

Im H<strong>in</strong>tergrund laufen aber längerfristige Prozesse ab, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berichterstattung über den April 1980<br />

wi<strong>der</strong>spiegeln. Im Kontext und <strong>als</strong> Verursachung des US-amerikanischen Interventionsversuches, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

zentraliranischen Wüste, wo die Kampfhubschrauber landeten, an Sand, technischem und menschlichem Versagen<br />

ohne Zutun <strong>der</strong> <strong>Iran</strong>er kläglich scheiterte, dauert die Botschaftsbesetzung an, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternationalen, kontroversen<br />

Diskussion um E<strong>in</strong>schätzung, angemessene Reaktionen und Sanktionen den Monat über im Zentrum <strong>der</strong><br />

Zeitungsberichte steht.<br />

Daneben, wenn auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Rezeption, die vom außenpolitischen Konfliktfeld dom<strong>in</strong>iert wird,<br />

weniger beachtet, stehen die Berichte über den <strong>in</strong>nenpolitischen Wandel <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> selbst, wobei sich die Aufmerksamkeit<br />

auf den E<strong>in</strong>fluss und das Charisma von Ayatollah Khome<strong>in</strong>i konzentriert und die durchgreifende Islamisierung<br />

des öffentlichen Lebens mit Sorge, Abscheu – und wenig analytischer Kompetenz beobachtet wird.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Themenkomplex schiebt sich, ausgehend von aktuellen Vorkommen, zunehmend noch <strong>in</strong> das<br />

öffentliche Interesse: <strong>der</strong> sich anbahnende Konflikt zwischen Iraq und <strong>Iran</strong>, <strong>der</strong> das folgende Jahrzehnt regionalpolitisch<br />

dom<strong>in</strong>ieren, die hegemonialen B<strong>in</strong>dungen verschieben und am Ende <strong>in</strong> Umkehrung bisheriger politischer<br />

Bündnisse und Loyalitäten im Zweiten Golfkrieg zwischen <strong>der</strong> USA 437 <strong>in</strong> Iraq 438 kumulieren wird: <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

amerikanischen Perspektive e<strong>in</strong>er New World Or<strong>der</strong>.<br />

Es ist durchaus richtig: Im April 1980 lassen sich <strong>in</strong> statu nascendi Grundelemente e<strong>in</strong>er »neuen Weltordnung«<br />

aufzeigen, doch an<strong>der</strong>s <strong>als</strong> sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> amerikanischen Vorstellung existierten. Westliche Medien setzen das <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung mit dem Ende des West-Ost-Konfliktes, was mit <strong>der</strong> Umwertung bzw. Entwertung <strong>der</strong> außenpolitischen<br />

Mittel, die den Staaten <strong>in</strong> dem hegemonialpolitischen Spannungsfeld <strong>der</strong> Nachkriegszeit zur Verfügung standen,<br />

durchaus s<strong>in</strong>nvoll ist. Doch dieses Ende des West-Ost-Konfliktes 439 ist für die tatsächlichen Verschiebungen <strong>der</strong><br />

Machtbalancen im Mittleren Osten nicht ursächlich, son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong>e von mehreren »<strong>in</strong>tervenierenden<br />

Variablen«. 440<br />

<strong>Die</strong> Neue Weltordnung, die sich im April 1980 abzeichnet, bildet sich ab <strong>in</strong> dem realen Bedeutungsverlust <strong>der</strong><br />

bisherigen politischen und kulturellen »Selbstverständlichkeiten« <strong>der</strong> europäisch-amerikanischen »Überlegenheitslegende«,<br />

damit aber auch e<strong>in</strong>e für den »westlichen« politisch Engagierten schmerzhafte Zurückweisung fundamentaler<br />

Überzeugungen von Individualität, Menschenrechten und Demokratie, zurückgewiesen von sich religiös<br />

legitimierenden Realitäts- und Gesellschaftskonzepten, von <strong>der</strong> (»Rück-«)Bes<strong>in</strong>nung auf autochthone kulturelle<br />

Wurzeln. 441 <strong>Die</strong>s f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Bezügen auf die aktuellen gesellschaftlichen »Schlüsselprobleme« wie<strong>der</strong>.<br />

436<br />

<strong>Die</strong>se Bezeichnung wäre Anlass, die Intellektualisierungsprozesse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er orthodox-islamischen Gesellschaft, die nicht<br />

den Maßstäben unserer Staatsgesellschaften entspricht, und ihre Rezeption <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur zu untersuchen, um zu<br />

verstehen, was hier <strong>in</strong>haltlich unter »Studenten« verstanden wird; dass das Theologiestudium Voraussetzung für die Def<strong>in</strong>itionsmacht<br />

gegenüber gesellschaftlichen und politischen Realitäten im heutigen <strong>Iran</strong> ist, zeigt die Institutionalisierung des<br />

<strong>Revolution</strong>srates und <strong>der</strong> Religionswächter ebenso wie die, <strong>in</strong> persona jedoch charismatisch legitimierte Bedeutung von<br />

Ayatollah Khome<strong>in</strong>i selbst. Heute s<strong>in</strong>d Parallelen zu ziehen z.B. im Bürgerkrieg <strong>in</strong> Afghanistan, wo die Religionsstudenten<br />

<strong>der</strong> Taliban-Milizen 1995/96 weite Teile des Landes unter ihre Herrschaft gebracht haben, um e<strong>in</strong>en, hier jedoch sunnitisch<br />

dom<strong>in</strong>ierten, »Gottesstaat« nach iranischem Muster zu etablieren. E<strong>in</strong>e differenziertere soziologische Analyse zeigt jedoch<br />

auch deutlich Unterschiede vor allem im Institutionalisierungsgrad <strong>der</strong> religiös motivierten Herrschaft, die den unterschiedlichen<br />

Stadien <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Staatsgesellschaft und dem unterschiedlichen Grade <strong>der</strong> Peripherisierung von<br />

<strong>Iran</strong> und Afghanistan entspricht.<br />

437<br />

438<br />

439<br />

440<br />

Offiziell verstehen die USA und ihren Verbündeten Großbritannien und Frankreich – e<strong>in</strong>ige arabische Staaten und Gegner<br />

des Iraq s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Logistik mit e<strong>in</strong>bezogen – <strong>als</strong> ausführendes Organ e<strong>in</strong>er Intervention <strong>der</strong> UNO, die rechtlich verankert<br />

ist <strong>in</strong> Beschlüssen des Weltsicherheitsrates.<br />

In den Medien wird <strong>der</strong> Krieg euphemisch meist personalisiert <strong>als</strong> »Konflikt mit Saddam Husse<strong>in</strong>«, <strong>der</strong> ausschließlich <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Rolle <strong>als</strong> »politischer Verbrecher« wahrgenommen wird, was das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anhängerschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arabischen<br />

Welt für die westlichen Medien so unbegreiflich macht.<br />

Zu dem Ende dieser globalen dichotomen Hegemonialordnung hat auch das politische und militärische Scheitern <strong>der</strong> Militär<strong>in</strong>tervention<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion <strong>in</strong> Afghanistan beigetragen. Letztlich verän<strong>der</strong>te die Ohnmacht <strong>der</strong> Großmächte im Nahen<br />

Osten das politische Bild und Bewusstse<strong>in</strong> nachhaltiger, <strong>als</strong> es damalige aktuelle Berichte wahrhaben konnten.<br />

Im Rückblick ist es natürlich <strong>in</strong>teressant zu sehen, wie sich diese fundamentalen »Konstanten« <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Politik<br />

<strong>der</strong> Siebziger und Achtziger Jahre mit dem Ende des West-Ost-Konfliktes »verflüchtigt« haben, ohne die regionalen Strukturen<br />

tatsächlich tiefgreifen<strong>der</strong> prägen zu können. So s<strong>in</strong>d die Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> politisch<br />

und auch wissenschaftlich unverm<strong>in</strong><strong>der</strong>t aktuell und aufschlussreich, während die Hegemonialause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um<br />

Afghanistan historische Episode geblieben s<strong>in</strong>d. Soviel zu »eurozentrischen Weltbil<strong>der</strong>n«!<br />

441<br />

n <strong>der</strong> Weltgeschichte ist diese Vorstellung, Verän<strong>der</strong>ungen und kulturelle Machtverschiebungen <strong>als</strong> Renaissance, »Rückkehr<br />

zu den Wurzeln« wahrnehmen zu können, e<strong>in</strong> übliches kulturelles Muster, das auch die sozialpsychologische Funktion<br />

übernimmt, Zukunftsängste, Orientierungsunsicherheiten und gegenwärtige Dissonanzerfahrungen zu bewältigen im<br />

angeblichen aber fest geglaubten Rückgriff auf bewährte Ordnungssicherheiten (vgl. die Ausführungen zum Legitimitätsglauben<br />

bei Popitz 1968: Anm. 5; Geiger 1974: 101-103); sowohl <strong>der</strong> Rückgriff auf e<strong>in</strong>e faktisch neu erfundene »Antike«<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen »Renaissance«, wie auch aktuelle Artikulationsweisen des religiösen Fundamentalismus – durchaus<br />

auch im christlichen Kontext – folgen diesen sozialpsychologisch-kulturellen Mustern. Für die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> vgl.<br />

dazu 1.1 und 8, 3.2.2, sowie Anschnitt 3.2.4.1.; zu den globalen Inkorporationsprozessen vgl. 3.1.1.2. und 3.2.1.4.<br />

195

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