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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

Große Probleme ergaben sich für breitere Bevölkerungskreise vor allem im städtischen Bereich durch die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Folge e<strong>in</strong>setzenden Preissteigerungen für Konsumgüter. E<strong>in</strong>e Inflation begann, die man zwar <strong>in</strong> Wirtschaftskreisen<br />

erwartet hatte, für <strong>der</strong>en Bewältigung aber ke<strong>in</strong>e wirtschaftspolitischen Instrumentarien bereit standen. So<br />

musste unter an<strong>der</strong>em die Lebensmittelsubventionen gesteigert werden, um die Preise auf e<strong>in</strong>em für die Bevölkerung<br />

erschw<strong>in</strong>glichen Niveau zu halten und die Verarmung <strong>der</strong> Landbevölkerung nicht zur sozialen Katastrophe<br />

anwachsen zu lassen.<br />

Beson<strong>der</strong>s gravierend wirkte sich die Inflation jedoch auf dem Grundstücksmarkt <strong>in</strong> Tehran aus. Um Industrie<br />

anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen wurde Land benötigt, dessen Preis auf Grund <strong>der</strong> hohen Nachfrage nicht<br />

selten auf das Hun<strong>der</strong>tfache anstieg. Anfang 1975 war die Wirtschaft völlig außer Kontrolle geraten. <strong>Die</strong> Ausgaben<br />

des Staates lagen um 208 % über denen im Vorjahreszeitraum, <strong>der</strong> Kreditrahmen <strong>der</strong> Banken war zum größten Teil<br />

erschöpft und es wurden Kredite gewährt, die den Kreditrahmen <strong>der</strong> Banken überschritten. So musste auf staatlichen<br />

Druck h<strong>in</strong> durch Weisung <strong>der</strong> Nationalbank <strong>der</strong> Kreditrahmen auch <strong>der</strong> privaten Banken oft um mehr <strong>als</strong> 100 %<br />

erhöht werden, was die Stabilität und Liquidität <strong>der</strong> Geld<strong>in</strong>stitute erheblich bee<strong>in</strong>trächtigte. Inzwischen verdoppelten<br />

sich die Importe auf e<strong>in</strong>en Gesamtumfang von etwa 1,2 Mrd. $. 315<br />

<strong>Die</strong>se Politik führte letztlich zur Abkehr von ökonomisch vernünftigen Wirtschaftsstrategien: Natürlich<br />

versuchte man mit den wenigen zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln und angesichts des generellen Kapitalmangels<br />

zwar im S<strong>in</strong>ne ökonomischer Pr<strong>in</strong>zipien möglichst viel zu erreichen, stellte aber bald fest, dass man auf<br />

Grund des ökonomisch wenig durchdachten und schlüssigen Fünfjahresplanes trotz steigen<strong>der</strong> nom<strong>in</strong>aler Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

und staatlicher Unternehmensgew<strong>in</strong>ne immer weniger Entwicklungserfolge erzielen konnte. Der<br />

Haushaltsplan 1976/77 wies e<strong>in</strong> Defizit von 2,4 Mrd. $ auf, bei bedeutenden Geldaufnahmen im Ausland. 316<br />

Probleme ergaben sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Zur Industrialisierung waren hochqualifizierte Arbeitskräfte<br />

erfor<strong>der</strong>lich und so musste man diese im Ausland anwerben, da die meisten <strong>in</strong>ländischen für die neuen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

ungeeignet waren und das eigene Bildungswesen trotz <strong>der</strong> »Armee des Wissens« noch längst nicht<br />

ausreichte, die Qualifikationslücke zu schließen. Und so wurde die ohneh<strong>in</strong> starke Inflation weiter verstärkt durch<br />

die unvermeidbare Kapitalflucht, die von Transferzahlungen <strong>der</strong> Gastarbeiter <strong>in</strong> ihre Heimatlän<strong>der</strong> im arabischen<br />

und <strong>in</strong>disch-pakistanischen Bereich ausg<strong>in</strong>g. <strong>Die</strong>s steigerte die <strong>in</strong>flationäre Tendenz ebenso wie die oft höheren<br />

Löhne, die an ausländische Arbeitskräfte gezahlt werden mussten, 317 und barg zudem sozialen Sprengstoff. <strong>Die</strong><br />

wachsende Des<strong>in</strong>tegration <strong>der</strong> Gesellschaft wurde auch <strong>als</strong> Gerechtigkeitslücke sichtbar und hatte e<strong>in</strong>e destabilisierende<br />

Wirkung.<br />

Zu allem Überfluss konnten sie höchste Löhne for<strong>der</strong>n, die die unverän<strong>der</strong>ten Löhne <strong>der</strong> normalen Arbeiter<br />

um e<strong>in</strong> vielfaches überstiegen, was mit Recht Unmut <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung hervorrief. Preisentwicklung und<br />

Produktivitätssteigerung von Fahrzeugen, Masch<strong>in</strong>en und Konsumgütern aus iranischer Fertigung – oft auch nur <strong>als</strong><br />

Endfertigung importierter Halbfertigteile <strong>in</strong> iranisch-europäischen Geme<strong>in</strong>schaftsbetrieben (jo<strong>in</strong>t ventures) o<strong>der</strong><br />

Zweigwerken <strong>in</strong>ternationaler Konzerne – standen letztlich <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em ökonomisch vertretbaren Verhältnis mehr. 318<br />

315<br />

Zusammengestellt nach unterschiedlichen Bank<strong>in</strong>formationen, statistischen Jahrbüchern und Zeitungsberichten. <strong>Die</strong> Genauigkeit<br />

und Schlüssigkeit <strong>der</strong> Daten sollte daher nicht überschätzt werden; es geht hier nur um Trends <strong>der</strong> Krisenabläufe<br />

<strong>in</strong> <strong>Iran</strong> im Zusammenhang mit dem Scheitern <strong>der</strong> »Weißen <strong>Revolution</strong>«.<br />

316<br />

<strong>Iran</strong>. Gouv. Imperial de l’<strong>Iran</strong>. Org. du Plan, 1968: Extrait de la Lois du Budget Année 1346 (1966/67). Teheran. – <strong>Iran</strong>.<br />

Presse- und Informationsabteilung <strong>der</strong> Kaiserlich <strong>Iran</strong>ischen Botschaft <strong>in</strong> Deutschland, 1969 (?): Neues aus <strong>Iran</strong>. Der <strong>Iran</strong><br />

im Aufbau. Köln, o.J., mehrere Folgen.<br />

317<br />

So gab es 1977 im <strong>Iran</strong> 60.000 legale Gastarbeiter. Man schätzt, dass weitere 70.000 illegal im <strong>Iran</strong> arbeiteten. Unter den<br />

legalen Gastarbeitern waren etwa 20.000 Ärzte aus europäischen Län<strong>der</strong>n. E<strong>in</strong>e durchaus beachtliche Zahl von Auslän<strong>der</strong>n,<br />

beson<strong>der</strong>s Amerikanern, war aber auch im militärischen Bereich beschäftigt. <strong>Die</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit dieser Entwicklung<br />

wird deutlich, wenn man den »bra<strong>in</strong> dra<strong>in</strong>« dagegen stellt, <strong>der</strong> durch die sowohl politisch wie ökonomisch motivierte<br />

Emigration <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e studierter <strong>Iran</strong>er, vor allem auch wie<strong>der</strong> Ärzte, nach Europa und <strong>in</strong> die USA vor allem <strong>in</strong><br />

den siebziger Jahren die iranischen Qualifizierungsbemühungen konterkarierte. Vieler dieser Emigranten konnten auch<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> den westlichen politischen und sozialen Werten zuzuordnende Intellektuelle<br />

nicht nach <strong>Iran</strong> zurückkehren, so dass <strong>in</strong> vielen Fällen e<strong>in</strong>e – wohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz lebenslange – Kettenemigration zu<br />

konstatieren ist. Auch dies muss <strong>als</strong> für <strong>Iran</strong> hemmendes und menschlich schmerzendes Ergebnis <strong>der</strong> gescheiterten gesellschaftlichen<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Šah-Regimes gesehen werden.<br />

318<br />

Zur Verdeutlichung dieser Situation soll folgendes Beispiel beitragen: Der im <strong>Iran</strong> von General Motors gebaute Chevrolet<br />

benötigte zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Produktion 80 Mann-Stunden für die Fertigung. Nach 12 Monaten hatte man den Aufwand auf 45<br />

Mann-Stunden verr<strong>in</strong>gert, das Auto kostete 8500 $. Das gleiche Auto, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland <strong>als</strong> Opel Commodore<br />

hergestellt, benötigte 25 Mann-Stunden für die Produktion und konnte demzufolge für nur 4500 $ hergestellt werden.<br />

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