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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

Keime, <strong>der</strong>en mögliche Bewertung wir allerd<strong>in</strong>gs noch sehen werden, e<strong>in</strong>er „Renaissance“ zeigt, e<strong>in</strong>e jener<br />

„nationalen“ Phasen nach e<strong>in</strong>er „assimilierenden“, die, wie wir sahen, die gesamte Kulturgeschichte <strong>Iran</strong>s<br />

durchziehen.“ (Bausani 1965: 159)<br />

Im Gegensatz zur folgenden Schülerarbeit kann Bausani die Beziehungen <strong>Iran</strong>s <strong>in</strong> die von Europa dom<strong>in</strong>ierte<br />

koloniale Welt des ausgehenden 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>als</strong> »Verstrickung« charakterisieren, während die Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler direkter von e<strong>in</strong>er kolonialen Beherrschung und Ausbeutung ausgehen. Dabei stehen zunächst wie<strong>der</strong><br />

die ökonomischen Perspektiven mit allen ihren schon angesprochenen Problemen im Vor<strong>der</strong>grund:<br />

„<strong>Die</strong> nationale Industrie und das Handwerk wurden während <strong>der</strong> 125-jährigen Kadjarenherrschaft durch die ständige<br />

Zunahme <strong>der</strong> europäischen Waren im Land systematisch vernichtet. Für die exogene und endogene politische Herrschaft<br />

sowie die wirtschaftliche Ausbeutung Persiens wurden e<strong>in</strong>ige Institutionen geschaffen, die den Wünschen <strong>der</strong> kolonialen<br />

Machthaber entsprachen und Persien mit Gewalt unterentwickelt hielten. Für den Aufbau e<strong>in</strong>er autozentristischen<br />

Industrie, d.h. für die Umwandlung e<strong>in</strong>er traditionellen Produktionsweise durch Mechanisierung s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Summe von<br />

<strong>in</strong>neren soziokulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen erfor<strong>der</strong>lich, um e<strong>in</strong>e von oben bzw. vom Ausland<br />

ungesteuerte Industrie entwickeln zu können. Hier muss betont werden, dass <strong>in</strong> Asien, vor allem <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n des<br />

Nahen Ostens, im 19. Jh. ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dustrielle <strong>Revolution</strong> im westlichen S<strong>in</strong>ne stattf<strong>in</strong>den konnte, da abgesehen von <strong>der</strong><br />

imperialistischen Zerstörung <strong>in</strong> den letzten 300 Jahren, die endogenen Faktoren für e<strong>in</strong>e Industrialisierung nicht<br />

vorhanden waren. Stattdessen gab es sozio-ökonomische (Kapital, Infrastruktur), sozio-politische (Despotismus, unfähige<br />

Monarchiesysteme), geographisch-klimatische (Wüste, Gebirge, Klimaextreme, Naturkatastrophen), kulturelle (Analphabetentum,<br />

islamische Religion) und soziale (Nomaden- und Bedu<strong>in</strong>entum, soziale Struktur) Probleme, die e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dustrielle<br />

Entwicklung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t haben.“ 226<br />

<strong>Die</strong> additive Darstellung von Wirkungsfaktoren, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geographie auch <strong>als</strong> Geofaktoren bezeichnet, ist sehr<br />

deutlich und wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Fortsetzung des Textes noch deutlicher und dann auch didaktisch kommentiert.<br />

Beson<strong>der</strong>s müsste hierbei die Liste <strong>der</strong> endogenen Verursachungsfaktoren aufgearbeitet und e<strong>in</strong>er kritischen<br />

Überprüfung unterzogen werden. <strong>Die</strong>se Faktoren s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Bedeutung und Wirksamkeit von sehr unterschiedlichem<br />

Rang zudem oft mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>terdependent verknüpft o<strong>der</strong> den exogenen Faktoren verbunden. <strong>Die</strong> klimatisch-naturgeographische<br />

Perspektive ist, wie eigentlich immer, äußerst problematisch. Das ist re<strong>in</strong> beschreibend<br />

schon erweisbar, wenn festgestellt wird, dass heutige so genannte »Ungunstgebiete« die Kerngebiete ehemaliger<br />

Hochkulturen und grundlegen<strong>der</strong> Entwicklungsschritte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agrargeschichte gewesen s<strong>in</strong>d, wie die Wüsten und<br />

Steppen Vor<strong>der</strong>asiens, die trotz gleich bleiben<strong>der</strong> natürlicher Voraussetzungen die ersten ertragreichen Ackerbaukulturen<br />

<strong>der</strong> Welt hervorbrachten und bis <strong>in</strong>s Mittelalter bessere und höhere Erträge erwirtschafteten <strong>als</strong><br />

Europa. 227 Soziale, kulturelle und religiöse Faktoren s<strong>in</strong>d nur im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terdependenten Figuration zu<br />

<strong>in</strong>terpretieren; sie <strong>als</strong> getrennte »Faktoren« aufzuführen, vere<strong>in</strong>facht die Realitätsperspektive allzu sehr. Außerdem<br />

s<strong>in</strong>d die »kolonialen E<strong>in</strong>flüsse« nicht auf die ökonomische Dimension beschränkt, son<strong>der</strong>n wirken gerade politischsozial<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Des<strong>in</strong>tegration.<br />

<strong>Die</strong> Probleme <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Industrie<br />

„<strong>Die</strong> e<strong>in</strong>heimische Industrie bestand im 19. Jh. immer noch aus dem traditionellen Handwerk, das mit den im 16. und 17.<br />

Jh. entwickelten Gerätschaften und Fertigkeiten betrieben wurde. Seit dem 18. Jh. hat die persische Industrie jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

Fortschritte, vielmehr nur Rückschritte gemacht. <strong>Die</strong> Industrie hätte unter e<strong>in</strong>er bewussten, vom Ausland unabhängigen<br />

Regierung sich langsam technisieren können. Der Aufbau e<strong>in</strong>er neuen Industrie im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dustriellen <strong>Revolution</strong><br />

o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachahmung von ausländischen Produkten braucht, wie schon erwähnt wurde, mehrere wirtschaftliche,<br />

kulturelle, politische und soziale Voraussetzungen, die <strong>in</strong> Persien entwe<strong>der</strong> nicht vorhanden waren, o<strong>der</strong> aber <strong>in</strong> ihrer<br />

Entwicklung von den ausländischen Machthabern geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wurden, so dass e<strong>in</strong>e unabhängige Industrie trotz aller<br />

Bestrebungen nicht entstehen konnte. “ 228<br />

<strong>Die</strong>se Überleitung ist <strong>in</strong>formativ, begründet aber weitere additive Realitätsuntersuchungen. Im Folgenden kommt es<br />

dann zu e<strong>in</strong>igen Verallgeme<strong>in</strong>erungen, die zwar nicht f<strong>als</strong>ch aber dennoch nicht h<strong>in</strong>reichend s<strong>in</strong>d und schon <strong>als</strong><br />

typisch charakterisiert wurden: pauschale Charakteristik von »unterentwickelten Län<strong>der</strong>n«, Perspektive <strong>der</strong> nationalen<br />

Unabhängigkeit <strong>als</strong> wichtigstem eigenen Entwicklungsfaktor, schließlich die deutlich ökonomistische<br />

Perspektive <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> politisch-sozialen Situation <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>.<br />

„<strong>Die</strong> e<strong>in</strong>heimische Industrie hat das Schicksal aller Industrien unterentwickelt gehaltener Län<strong>der</strong> erlebt. Alle Versuche,<br />

e<strong>in</strong>e dynamische und unabhängige Industrie aufzubauen, waren jedoch von Anfang an so angelegt, dass sie zum<br />

Scheitern verurteilt waren. Anstatt an vorhandene, traditionelle Werkstätten und Manufakturen anzuknüpfen, um somit<br />

226<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

227<br />

An<strong>der</strong>e Beispiele für diese These f<strong>in</strong>den sich z.B. <strong>in</strong> Westafrika, wo Timbuktu nach zeitgenössischen Reiseberichten im 16.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t reicher, größer und gesün<strong>der</strong> war <strong>als</strong> London, o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Bengalen, das zur gleichen Zeit e<strong>in</strong>en Reichtum produzierte,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> Europa nichts vergleichbares fand, das aber heute, <strong>als</strong> Bangladesch zu den zehn ärmsten Staaten <strong>der</strong> Welt gehört:<br />

ohne dass sich Naturkatastrophen für diese Entwicklung heranziehen lassen könnten [vgl. Datta 1982. – Zur Bedeutung<br />

<strong>der</strong> These, dass Naturkatastrophen im Kern Sozialkatastrophen s<strong>in</strong>d: Me<strong>der</strong> 1992; Schmidt-Wulffen 1985: 134–138,<br />

155–157; Jüngst / Me<strong>der</strong> 1990].<br />

228<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

127

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