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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

alternativ-hedonistischen Milieu abzugrenzen versucht, ohne <strong>in</strong> das Randgruppen-Unterschichtmilieu <strong>der</strong><br />

Langzeitarbeitslosen abgleiten zu wollen...<br />

Ebenso wenig für unsere didaktisch orientierte Untersuchung grundlegen<strong>der</strong> sozial- und politikwissenschaftlicher<br />

Probleme geeignet ist die Theorie <strong>der</strong> Subkulturen. Sie war <strong>der</strong> erste Versuch, kulturelle Stratigraphierung<br />

im Schichtenmodell weiter zu differenzieren und nicht nur entwe<strong>der</strong> an <strong>der</strong> marxistischen Dialektik von<br />

»Geschichte und Klassenbewusstse<strong>in</strong>s« (Georg Lukacs) o<strong>der</strong> den angelsächsischen Schichtdichotomien von<br />

Oberschicht- und Unterschichtkultur (culture) – z.B. beim l<strong>in</strong>guistischen Konzept <strong>der</strong> »elaborierten« bzw.<br />

»restr<strong>in</strong>gierten Sprachcodes«, aus dem das Konzept <strong>der</strong> nachholenden pädagogischen För<strong>der</strong>ung entwickelt wurde –<br />

zu orientieren. Forschungsschwerpunkt waren jedoch so genannte »Randgruppen«, d.h. Außenseitergruppen,<br />

ethnische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten und randständige Berufsgruppen o<strong>der</strong> die Gruppe <strong>der</strong> »sozial Verachteten«. Hieraus ergaben<br />

sich e<strong>in</strong>ige methodische und praktische Probleme. Methodisch ist die Frage <strong>der</strong> Verallgeme<strong>in</strong>erungsfähigkeit <strong>der</strong> an<br />

randständigen Gruppen entwickelten sozialpsychologischen E<strong>in</strong>sichten auf gesamtgesellschaftliche Prozesse und<br />

Strukturen nicht h<strong>in</strong>reichend geklärt. Gerade dies ist aber notwendig, um vorschnelle, oft politisch motivierte,<br />

Abwehr gegen soziologische Erkenntnisse argumentativ zurückweisen zu können. In <strong>der</strong> sozialanthropologischen<br />

teilnehmenden Untersuchung bei den so genannten »Eckenstehern« <strong>als</strong> sozial wie ethnisch ausgegrenzter<br />

Unterschichtgruppe von Liebow s<strong>in</strong>d sehr wesentliche E<strong>in</strong>sichten über die sozialpsychologisch präformierten<br />

Regelhaftigkeiten von sozialem und beruflichen Erfolg bzw. Misserfolg im S<strong>in</strong>ne von Prozessen <strong>der</strong> self-fulfill<strong>in</strong>g<br />

prophecy entwickelt worden, die aber, an<strong>der</strong>s <strong>als</strong> das populäre Identitätsmodell, über den Kreis speziell damit<br />

befasster Sozialwissenschaftler – vor allem <strong>der</strong> Schule des Symbolischen Interaktionismus 124 – kaum rezipiert<br />

worden ist. Liebow entwickelt auch ke<strong>in</strong> Konzept für e<strong>in</strong>e Subkulturtheorie, son<strong>der</strong>n konzentriert sich, ganz im<br />

S<strong>in</strong>ne auch unserer Überlegungen, auf gesellschaftliche Prozesse und ihre Interdependenzen. So geht wohl heute<br />

auch das Konzept <strong>der</strong> funktionalen Subkulturen auf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e stärker prozessuale Soziologie unter e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten<br />

paradigmatischen Perspektive.<br />

Auf ganz an<strong>der</strong>em theoretischen Abstraktionsniveau bef<strong>in</strong>den sich demgegenüber – bei aller oberflächlicher<br />

Ähnlichkeit – die Konzepte <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> sozialen Systeme, <strong>der</strong>en wichtigster Vertreter Niklas Luhmann ist. 125 <strong>Die</strong><br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem systemtheoretischen Ansatz verlangt e<strong>in</strong>e eigene Untersuchung und sprengt den hier<br />

gegebenen Rahmen. Als für uns wichtiges Ergebnis sei hier genannt die These, dass die e<strong>in</strong>zelnen gesellschaftlichen<br />

Subsysteme (Politik, Wirtschaft, Justiz, Bildungswesen, Umweltschutz, Kultur etc.) jeweils e<strong>in</strong> autonomes <strong>in</strong>neres<br />

Funktionieren und autonome Ziel- und Erfolgskriterien be<strong>in</strong>halten und – eigentlich im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er behavioristischen<br />

›black box‹ nach e<strong>in</strong>em ›b<strong>in</strong>ären Entscheidungscode‹ – auf e<strong>in</strong>en spezifischen <strong>in</strong>put seitens an<strong>der</strong>er Subsysteme – sei<br />

es z.B. durch politische o<strong>der</strong> ökonomische Entscheidungen – mit e<strong>in</strong>em nur <strong>in</strong>tern motivierten – output reagieren.<br />

<strong>Die</strong>ses Modell hat e<strong>in</strong>en hohen Erklärungswert, gesellschaftliche Fehlentwicklungen, Koord<strong>in</strong>ationsprobleme und<br />

letztlich das Versagen von Staat und Politik gegenüber dem eigenen Selbstverständnis <strong>als</strong> übergeordnete<br />

Regelungs<strong>in</strong>stanz <strong>in</strong> ihrem Funktionieren distanziert und rational zu begreifen. Im Kern hat dieser Ansatz aber<br />

erhebliche Erklärungsschwächen, da er we<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, die vielfache Verflochtenheit von Machtbalancen<br />

über die Subsysteme h<strong>in</strong>weg h<strong>in</strong>reichend zu beschreiben, noch die <strong>in</strong>neren Rollenkonflikte und die Verarbeitung <strong>der</strong><br />

daraus resultierenden Dissonanzerlebnisse bei den e<strong>in</strong>zelnen Menschen zu erklären, die selbstverständlich <strong>als</strong><br />

Personen <strong>in</strong> verschiedenen Subsystemen agieren und nicht <strong>als</strong> Rollenautomaten und pr<strong>in</strong>zipiell gespaltene<br />

Persönlichkeiten erklärt werden können. <strong>Die</strong> Systemtheorie gehört, ohne dass diese E<strong>in</strong>schätzung den Autor<br />

Luhmann <strong>in</strong>sgesamt treffen sollte, <strong>der</strong> durchaus differenzierter argumentiert, zu den formalisierten behavioristischen<br />

Gesellschaftsmodellen, die die menschliche Persönlichkeit mit ihren Bef<strong>in</strong>dlichkeiten, Handlungsmotivationen und<br />

Wertorientierungen – aus philosophisch durchaus begründbaren Motiven – ausklammern und damit pr<strong>in</strong>zipiell<br />

unpolitisch s<strong>in</strong>d. Es ist sehr fraglich, ob auf dieser Basis e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Politikunterricht didaktisch konzipiert<br />

werden kann, wenn die zentralen Fragen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler durch wissenschaftsmethodische Prämissen<br />

ausgeklammert bleiben müssen. 126<br />

124<br />

Vgl. die Textsammlung von He<strong>in</strong>z Ste<strong>in</strong>ert, ed., Symbolische Interaktion. Arbeiten zu e<strong>in</strong>er reflexiven Soziologie. 1973,<br />

Stuttgart (Klett), die auch für den schulischen Politikunterricht wie allgeme<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden kann.<br />

125<br />

Niklas Luhmann: Soziologische Aufklärung I, II und III. Opladen 1984 5 , 1982 2 , 1981 (Westdeutscher Verlag). – Niklas<br />

Luhmann: Ökologische Kommunikation. Opladen 1986 (Westdeutscher Verlag).<br />

126<br />

In Ansätzen unternimmt Hagen Weiler e<strong>in</strong>en solchen Versuch, <strong>der</strong> jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auffassung des Verfassers <strong>der</strong> Diskussion<br />

bedürftig bleibt. Hagen Weiler: Politische Emanzipation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule. Zur Reform des politischen Unterrichts. Düsseldorf<br />

1973. – Hagen Weiler: Wissenschaftsfreiheit des Lehrers im <strong>Politischen</strong> Unterricht. Zum grundgesetzlichen Bildungsauftrag<br />

<strong>der</strong> Schule. Kronberg 1979. – Hagen Weiler: Das Lehrstück Sexualkunde – o<strong>der</strong>: Darf die Schule »aufklären«? In:<br />

Ernst-August Roloff, Hrsg.: Schule <strong>in</strong> <strong>der</strong> Demokratie – Demokratie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule? Brennpunkte <strong>der</strong> Bildungspolitik 3.<br />

Stuttgart 1979.<br />

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