03.06.2014 Aufrufe

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Im E<strong>in</strong>führungsabschnitt wird <strong>als</strong> argumentativer Ausgangspunkt sowohl für die Charakterisierung <strong>der</strong><br />

weltpolitischen Kontexte <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> auch für die <strong>in</strong>nergesellschaftliche Situation <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland, die die pädagogischen Voraussetzungen des schulischen Themas <strong>Iran</strong> , e<strong>in</strong>e<br />

problemorientierte Situationsanalyse gegeben mit den Schwerpunkten: Ende <strong>der</strong> bipolaren Weltordnung, Verschiebung<br />

<strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong>, Globalisierungsfolgen, Migration und <strong>in</strong>ternationale Krisenfurcht. Daraus werden<br />

kurze Erläuterungen zum Ziel und zur Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeit und ihrer Fragestellung hergeleitet.<br />

0. E<strong>in</strong>leitung<br />

<strong>Iran</strong>? - Es stellen sich Fragen!<br />

„Wir haben e<strong>in</strong>e schreckliche Angst durchgemacht.<br />

Das Verschw<strong>in</strong>den des sowjetischen Fe<strong>in</strong>des, mit dem wir, <strong>als</strong> unserem Schreckbild, seit fünfundvierzig Jahren<br />

fest rechnen konnten, hatte die Demokratien <strong>in</strong> tiefe Schwermut gestürzt. Was wird Rom ohne se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de<br />

se<strong>in</strong>? spöttelte Cato nach <strong>der</strong> Zerstörung Karthagos. Wir konnten uns die gleiche beängstigende Frage stellen.<br />

Man er<strong>in</strong>nere sich <strong>der</strong> großen Verwirrung angesichts des Falls <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Mauer, dieser Angstempf<strong>in</strong>dung,<br />

dass wir Tod und Gefahr nunmehr nur noch von uns selbst zu befürchten hätten. E<strong>in</strong> Provokateur<br />

verschlimmerte das Unbehagen noch, <strong>als</strong> er, Hegel zum zweiten Mal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Grab umdrehend, den Anbruch<br />

<strong>der</strong> weltweiten Demokratie und das Ende <strong>der</strong> Geschichte verkündet. 1 Zum Glück eilten e<strong>in</strong> paar besonnene<br />

Leute herbei, um uns, gestützt auf ihre militante Vergangenheit, zu versichern, dass noch nicht alle Hoffnung<br />

verloren sei: »Das Drama liegt noch vor uns.« 2 Das Schlimmste blieb, lei<strong>der</strong> aber ke<strong>in</strong>esfalls ganz sicher,<br />

dennoch wahrsche<strong>in</strong>lich. Bedrohung, Krieg, kurz, das Leben, sollten uns <strong>als</strong>bald zurückgegeben werden.<br />

Es dauerte nicht lange, um zu erkennen, dass sie Recht hatten. E<strong>in</strong>e große Militäroperation <strong>der</strong> Amerikaner <strong>in</strong><br />

Panama, schwere Unruhen im sowjetischen Aserbaidschan, e<strong>in</strong>e nie da gewesene Serie blutiger Konflikte <strong>in</strong><br />

Afrika und vor allem natürlich die Invasion Kuwaits kündeten von <strong>der</strong> guten Nachricht: e<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>d ward uns<br />

neuerlich geboren.“ Ruf<strong>in</strong> [1993: 13]<br />

0.1. Krisen und Versagensängste: Destruktion o<strong>der</strong> <strong>Revolution</strong>?<br />

So beg<strong>in</strong>nt Ruf<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Aufsehen erregendes Buch über Das Reich und die neuen Barbaren, <strong>in</strong> dem er die Gefahren,<br />

die Europa durch sich selbst drohen, mit historischen Parallelen zum Zerfall des Römischen Imperiums aufzeigt: Es<br />

droht e<strong>in</strong>e neuer Limes, die Abschottung Europas vor dem Rest <strong>der</strong> Welt, den (neuen) Barbaren.<br />

Nicht nur, dass dieses Konzept Konflikte nur begrenzt zeitlich h<strong>in</strong>ausschieben kann, es droht vor allem an<br />

se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Wi<strong>der</strong>sprüchen zu scheitern. Materielle Abgrenzung und Abschottung e<strong>in</strong>es Gebietes <strong>der</strong> Demokratie,<br />

des Menschenrechtes und des Wohlstandes lässt sich nur durch <strong>in</strong>nere, ideologische Abschottung und Abgrenzung,<br />

d.h. <strong>als</strong>o durch die bewusste Inkaufnahme von Stereotypen, Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong>n und Selbstüberhöhungen legitimieren<br />

und durchsetzen, die im fundamentalen <strong>in</strong>neren Wi<strong>der</strong>spruch zu den Werten stehen, die eigentlich gerade<br />

verteidigt und bewahrt werden sollten. Und an diesen Wi<strong>der</strong>sprüchen droht Europa <strong>in</strong>nerlich zu zerbrechen. Das<br />

Ende <strong>der</strong> bipolaren Weltsicht nach dem Ende des West-Ost-Konfliktes leitet <strong>als</strong>o gerade nicht das Ende <strong>der</strong><br />

Geschichte [Fukuyama 1992] e<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n die Notwendigkeit, sich durch die West-Ost-Stereotypen nur überdeckte<br />

und überlagerte Stereotypen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weltgesellschaft zu vergegenwärtigen, die e<strong>in</strong> realistischeres Bild vom<br />

Weltsystem – wie es z.B. Wallerste<strong>in</strong> [1974] <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Weiterentwicklung <strong>der</strong> Dritte-Welt-, Imperialismus- und<br />

›dependencia‹-Theorien <strong>der</strong> 60er Jahre, die noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> unmittelbaren theoretischen Abhängigkeit <strong>der</strong> marxistischen<br />

politischen Ökonomie stehen 3 , mit <strong>der</strong> Weltsystemtheorie anstößt – ermöglichen können [Wallerste<strong>in</strong> 1995a].<br />

<strong>Die</strong>ser Versuch e<strong>in</strong>es Paradigmenwechsels muss, um politisch wirksam werden zu können, transformiert<br />

werden <strong>in</strong> politische Diskurse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Dass dies nicht h<strong>in</strong>reichend o<strong>der</strong> erst <strong>in</strong> kaum erkennbaren Ansätzen<br />

geschieht, zeigt die Zunahme lokale und regionaler Konflikte und die Zunahme e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en ‚Gefühls<br />

<strong>der</strong> Unsicherheit‘.<br />

Damit wird dieser Versuch e<strong>in</strong>es Paradigmenwechsels zu e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> zentralen Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong><br />

Bildung. Festzustellen ist aber, dass die Politische Bildung im herkömmlichen S<strong>in</strong>ne <strong>als</strong> Systemlehre o<strong>der</strong> Staatsdidaktik<br />

nicht h<strong>in</strong>reicht, den gewandelten Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Realität gerecht zu werden. So steht auch die<br />

Politische Bildung vor <strong>der</strong> Aufgabe den Versuch e<strong>in</strong>es Paradigmenwechsels zu wagen. [Claußen 1993b] 4 Dabei ist<br />

1<br />

Ruf<strong>in</strong> 1993: 13 [Fn. 1] bezieht sich hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fußnote auf Fukuyama 1989: 457-469.<br />

2<br />

Ruf<strong>in</strong> 1993: 13 [Fn. 2] bezieht sich hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fußnote auf A. Besançon 1990: 476.<br />

3<br />

Wallerste<strong>in</strong> [1995a] versucht diese ›belastende‹ Hypothek <strong>der</strong> Theoriegeschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ›Befreiungsschlag‹ zur Seite zu<br />

schieben, <strong>in</strong>dem er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em provozierenden Buchtitel for<strong>der</strong>t: „<strong>Die</strong> Sozialwissenschaft »kaputtdenken«. <strong>Die</strong> Grenzen <strong>der</strong><br />

Paradigmen des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts“. [›Unth<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g Social Science.‹].<br />

4<br />

Claußen bezeichnet dies im Titel se<strong>in</strong>es Aufsatzes <strong>als</strong> „nationfixierte Systemapologetik“. Str<strong>in</strong>gent nachgewiesen wird <strong>der</strong><br />

antirationale und herrschaftslegitimatorische Charakter <strong>der</strong> ›Staatsdidaktik‹ auch für das Fach Geographie bei Filipp<br />

1987: 164-168 und Schramke 1975: 179-185.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!