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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

Nur kurz angesprochen werden kann hier die Problematik des Identitätsbegriffes, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Individualpsychologie stammt und e<strong>in</strong>er bestimmten anthropologischen Philosophie zuzurechnen ist, aber von<br />

Gesellschaftswissenschaftlern <strong>in</strong> missverständlicher Form <strong>als</strong> Kollektivcharakteristikum von Gruppen <strong>als</strong><br />

„Gruppenidentität“ verwendet wird, 132 wo besser Begriffe aus <strong>der</strong> Soziologie <strong>der</strong> Gruppen o<strong>der</strong> dem<br />

Elias‘schen Konzept <strong>der</strong> „Überlebense<strong>in</strong>heiten (Konfigurationen) gefolgt werden sollte. E<strong>in</strong>en Interessanten<br />

Beitrag zur Identitätsproblematik liefert Dawud Gholamasad mit se<strong>in</strong>em Aufsatz zu den Selbstmordattentätern<br />

im Nahen Osten. 133<br />

1.5.3.2. Identität und Entwicklungspotentiale<br />

Wesentliches Charakteristikum <strong>der</strong> Versuche, aus Generationenerfahrungen und gesellschaftlich bestimmten<br />

Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen gesellschaftlichen Wandel ableiten zu wollen, ist, dass es sich im konkreten<br />

Untersuchungszusammenhang um zeitliche Querschnitte handelt und die zeitliche Dimension <strong>als</strong> e<strong>in</strong>e Abfolge<br />

e<strong>in</strong>zelner Zustände ersche<strong>in</strong>t.<br />

Das birgt e<strong>in</strong>e methodische und perspektivische Gefahr, die tief <strong>in</strong> heute <strong>als</strong> gültig angenommene<br />

Gesellschaftsbil<strong>der</strong> und sozial- und gesellschaftswissenschaftliche Konzepte e<strong>in</strong>wirken kann. Bezogen auf die<br />

konkrete Person, die konkrete Gruppe, Generation, Alters- o<strong>der</strong> Erfahrungsgruppe tendiert die gängige Sichtweise<br />

dazu, diese zwar <strong>als</strong> herausgebildet – d.h. Sozialisations- und Enkulturationsprozessen unterworfen, die jedoch <strong>als</strong><br />

vorwiegend im K<strong>in</strong>dheits- und Jugendalter wirksam angesehen werden –, letztlich dann aber <strong>als</strong> relativ stabil zu<br />

betrachten, wobei diese Stabilität <strong>als</strong> normal und erstrebenswert angesehen wird. Persönlichkeitsentwicklung<br />

sowohl im <strong>in</strong>dividualpsychologischen wie übertragen im sozialen Zusammenhang wird letztlich <strong>als</strong> zielgerichtet und<br />

zielorientiert, zum<strong>in</strong>dest pr<strong>in</strong>zipiell dabei <strong>als</strong> abzuschließen wahrgenommen. Brüche und biographische<br />

»Verwerfungen«, Inkonsistenzen und Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten und gegenläufige Entwicklungsphasen werden <strong>als</strong><br />

erklärungsbedürftige Ausnahmen, unter Umständen sogar <strong>als</strong> pathogen und nicht <strong>als</strong> menschlicher Regelfall<br />

def<strong>in</strong>iert. Ganze Berufsgruppen professionalisieren sich über diese Anomalitätsvermutung und haben damit e<strong>in</strong><br />

Interesse daran, dass die Normalität des Beson<strong>der</strong>en gesellschaftlich nicht akzeptiert son<strong>der</strong>n <strong>als</strong><br />

behandlungsbedürftig angesehen wird. Gleichzeitig kann diese Sichtweise auch <strong>als</strong> Folge <strong>der</strong> zivilisationstheoretisch<br />

zu untersuchenden Homogenisierungsprozesse im Verlauf <strong>der</strong> Durchsetzung <strong>der</strong> Staatsgesellschaft verstanden<br />

werden.<br />

Es gilt Abstand zu gew<strong>in</strong>nen von <strong>der</strong> Vorstellung, die auf e<strong>in</strong>er Verwechslung von utopischen<br />

Persönlichkeitskonzepten und ›pädagogisierten‹ Menschenbil<strong>der</strong>n mit auf soziologischen und zeitgeschichtlich zu<br />

konkretisierenden sozialpsychologischen Befunden aufbauenden soziologischen Gesellschaftsvorstellungen<br />

beruhen, dass »Persönlichkeitskränkungen«, gebrochene Persönlichkeitsentwicklungen, Leidenserfahrungen und<br />

Traumatisierungen, letztlich <strong>als</strong>o existentielle Dissonanzerfahrungen im Pr<strong>in</strong>zip vermeidbare Störungen <strong>der</strong><br />

Persönlichkeit seien: sie s<strong>in</strong>d <strong>als</strong> conditio humanae die zentrale Lebenserfahrung eigentlich aller Menschen und<br />

Voraussetzung <strong>der</strong> Herausbildung <strong>der</strong> Individualität. Soziale und pädagogische Verantwortung bedeutet <strong>als</strong>o viel<br />

weniger, vor diesen Verletzungen abschirmen zu wollen, <strong>als</strong> zu befähigen, mit Dissonanzerfahrungen und<br />

Traumatisierungen zu leben und bewusst mit ihnen umgehen zu können.<br />

Das Ziel, e<strong>in</strong> dynamischeres Gesellschafts- und Persönlichkeitskonzept durchzusetzen, verlangt hier e<strong>in</strong>e<br />

kritische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit demjenigen gängigen Ansatz, <strong>der</strong> <strong>in</strong> extenso das Ziel gesellschaftlicher<br />

Stabilisierung mit zu Grunde gelegten Erklärungskonzepten verknüpft und dabei e<strong>in</strong>e erstaunliche, weit über die<br />

Fachöffentlichkeit h<strong>in</strong>ausreichende Wirksamkeit <strong>in</strong> Gesellschaft und Politik e<strong>in</strong>genommen hat: dem<br />

Identitätskonzept.<br />

Ganz grundsätzlich soll hier Wi<strong>der</strong>spruch dagegen e<strong>in</strong>gelegt werden, diese begriffliche Kategorie aus dem<br />

Bereich <strong>der</strong> Individualpsychologie real o<strong>der</strong> metaphorisch auf soziale Gruppen zu übertragen und dabei<br />

differenziertere Betrachtungsweisen von Gruppenkohäsion, Durchsetzung von Zivilisationsstandards und<br />

Durchdr<strong>in</strong>gung von Gruppen mit homogenisierenden Inhalten und Symbolen <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur pauschalisiert<br />

unter dem wenig dist<strong>in</strong>kten und aussagekräftigen Begriff <strong>der</strong> »Gruppenidentität« zusammenzufassen, zu<br />

entdifferenzieren und damit letztlich zu ideologisieren.<br />

<strong>Die</strong> leichte und häufige machtpolitische Funktionalisierung von Gruppenidentitätskonzepten, die <strong>in</strong> nahezu<br />

allen zeitgenössischen Kriegen und Bürgerkriegen mit dem Rekurs auf die ideologisierte Begrifflichkeit von Volk,<br />

Lebensraum, Rasse o<strong>der</strong> Ethnie Bevölkerungen auf Kriegsereignisse und Kriegsverhalten vorbereitete und<br />

aggressive Haltungen bis h<strong>in</strong> zur Überw<strong>in</strong>dung von Todesangst und Tötungshemmung (Gleichmann 1993, 1998)<br />

132<br />

133<br />

Gerhard Voigt: Aspekte von Kultur und Zivilisation: <strong>Die</strong> kulturelle Dimension des Transformationsprozesses, politik<br />

unterricht aktuell: "Identität und Politische Kultur" Hannover, 2003, Heft 2. -<br />

http://www.pu-aktuell.de/pua2003-2/Politische_Kultur.htm<br />

Prof. Dr. Dawud Gholamasad: <strong>Die</strong> Selbstmordattentate <strong>der</strong> Islamisten <strong>als</strong> Funktion <strong>der</strong> Destruktivität ihres Wir-Ide<strong>als</strong>.<br />

Zum Islamismus <strong>als</strong> mobilisiertes Wi<strong>der</strong>standspotential <strong>der</strong> islamisch geprägten Menschen gegen die <strong>als</strong> Imperialismus erfahrene<br />

Globalisierung. politik unterricht aktuell, Heft 1/2002: 12-22. -<br />

http://www.pu-aktuell.de/pua2002-1/Selbstmordattentate.htm<br />

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