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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

1. <strong>Die</strong> Zielsetzung Weltläufigkeit zeichnet sich durch Maßstabslosigkeit aus; e<strong>in</strong> Kriterium für die Rangfolge<br />

»wichtiger Inhalte« lässt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er pluralistischen Gesellschaft nicht mehr f<strong>in</strong>den, es sei denn, man setzt<br />

sich dem Vorwurf manipulativer, herrschaftssichern<strong>der</strong> Bildungsideologien aus. Zu reflektieren ist dabei, dass<br />

das Ziel <strong>der</strong> Weltläufigkeit selbst Ergebnis e<strong>in</strong>es sehr konkreten mitteleuropäischen Zivilisierungs- und<br />

Intellektualisierungsprozesses ist, <strong>der</strong> sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> entstehenden Staatsgesellschaft selbst durch die abschließenden<br />

nationalistischen Ideologeme unterlaufen wird, wobei diffizile gesellschaftliche Machtbalancen<br />

entstehen, <strong>der</strong>en »Umkippen« <strong>in</strong> die historischen Katastrophen von Faschismus und Weltkriegen geführt<br />

haben; <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> globalen Peripherien und Semiperipherien wie <strong>Iran</strong> hat dieser Prozess e<strong>in</strong>er<br />

potentiell zu Weltläufigkeit führenden »Mo<strong>der</strong>nisierung« nicht o<strong>der</strong> nur <strong>in</strong> Teilen e<strong>in</strong>er »westlich orientierten«<br />

Oberschicht stattgefunden, so dass über dieses politische Ziel ebenso wenig spontane und direkte Verständigung<br />

möglich ist, wie über die historisch <strong>in</strong> Mitteleuropa damit verbundene und gesellschaftlich erkämpfte<br />

Vorstellung von <strong>der</strong> Gültigkeit von Menschenrechten.<br />

2. Humanitäre Zuwendung ist pr<strong>in</strong>zipiell positiv zu beurteilen; <strong>als</strong> Basis für Lernprozesse ist sie jedoch nicht<br />

tragfähig. Man beobachte nur, wie schnell Mitleid und Mitempf<strong>in</strong>den je nach (oft fragwürdiger) Information<br />

»umkippt« und wie zufällig und z.T. manipuliert dieses Interesse sich über die Krisengebiete <strong>der</strong> Welt verteilt.<br />

<strong>Die</strong> Ambivalenz <strong>der</strong> Begegnung mit dem Fremden <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Alltagsumwelt ist e<strong>in</strong> überaus komplexes<br />

sozialpsychologisches Problem mit weit reichenden gesellschaftlichen und politischen Implikationen und<br />

Konsequenzen. Hierauf ist im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Migrationsproblematik noch e<strong>in</strong>zugehen. <strong>Die</strong> gesellschaftliche<br />

Motivation <strong>der</strong> Humanitätsfor<strong>der</strong>ung ist wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Zentren und<br />

<strong>der</strong> globalen Peripherien und Semiperipherien entsprechend <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur und des<br />

mentalen Habitus sehr unterschiedlich, wenn er auch zu vergleichbaren Aktionen, nämlich <strong>der</strong> Zuwendung<br />

zum Verfolgten, Fremden, zum Notleidenden und zum Gast führen kann, was jedoch bestimmte situativ<br />

ambivalente Situationswahrnehmungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Gesellschaft voraussetzt. Dabei ist daran zu denken,<br />

dass <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Semiperipherien, d.h. z.B. auch <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Migranten sowohl aus<br />

Notlän<strong>der</strong>n <strong>als</strong> auch aus Verfolgerlän<strong>der</strong>n größer ist, <strong>als</strong> <strong>in</strong> den Staaten Mitteleuropas und dass die <strong>in</strong>nere<br />

Verarbeitung dieser demographischen Verän<strong>der</strong>ungen sche<strong>in</strong>bar konfliktärmer erfolgt, <strong>als</strong> z.B. <strong>in</strong><br />

Mitteleuropa. 451<br />

3. Ausgehen von eigenen Interessen ist e<strong>in</strong>e Grundfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Reform-Pädagogik <strong>der</strong> 70er und 80er Jahre<br />

gewesen. Aber welche Naivität verbirgt sich h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Anschauung, ökonomische und politische Interessen<br />

des Staates wären ohne weiteres <strong>als</strong> Interessen des e<strong>in</strong>zelnen Schülers wahrzunehmen; oftm<strong>als</strong> s<strong>in</strong>d sie. nur<br />

Gruppen- und Herrschafts<strong>in</strong>teressen. <strong>Die</strong> demokratisch wünschenswerte Interessenidentität musste sich<br />

zunächst e<strong>in</strong>mal legitimieren. Gerade ausgehend von dieser Interessenb<strong>in</strong>dungs-For<strong>der</strong>ung entwickelte sich<br />

<strong>der</strong> formal nicht aufgelöste Disput über subjektive Interessenwahrnehmung (kritisch weiter geführt zur<br />

Hedonismus- und Narzissmusthese) und objektive Interessen (die entwe<strong>der</strong> im neomarxistischen o<strong>der</strong> im<br />

bildungsbürgerlichen S<strong>in</strong>ne verstanden wurden, jeweils aber zur pr<strong>in</strong>zipiellen Asymmetrie <strong>der</strong> schulischen<br />

Sozial- und Kommunikationsbeziehungen führen müssen). <strong>Die</strong>sen Konflikt ansatzweise aufzulösen, bedarf es<br />

neuer Formen <strong>in</strong>nerschulischer Situationsdef<strong>in</strong>itionen, <strong>in</strong> denen diskursiv Kompetenzhierarchien und egalitäre<br />

Kommunikationschancen zu verb<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Hier zeigt sich e<strong>in</strong>e Strukturparallele zu den erfor<strong>der</strong>lichen neuen<br />

Diskursen im Rahmen <strong>der</strong> Globalisierungsprozesse, die die stereotype und ethisch nicht vertretbare Perspektive<br />

von <strong>der</strong> »Schülerrolle« <strong>der</strong> »Dritten Welt« im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es eurozentrischen Entwicklungsbegriffes überw<strong>in</strong>den<br />

muss zu eben den gefor<strong>der</strong>ten egalitären Kommunikations- (Diskurs-) Chancen, ohne dass gewünschte<br />

o<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>liche Mo<strong>der</strong>nisierungsschübe dadurch verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden.<br />

Das verständliche Ausweichen auf gesellschaftliche und staatliche Interessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begründung des Themas »Dritte<br />

Welt« ist e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf das vorhandene Defizit an Betroffenheit für den e<strong>in</strong>zelnen Schüler, ja für den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Staatsbürger überhaupt. Das äußert sich bei Rückfragen bei den Schülern ganz deutlich, oft bestätigt durch<br />

Elternäußerungen, wenn nicht gerade e<strong>in</strong> gymnasiales Mittelschichtmilieu e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Bewertung <strong>in</strong> den<br />

Vor<strong>der</strong>grund rückt, wobei dem Thema »Dritte Welt« e<strong>in</strong> deutlich ger<strong>in</strong>gerer Stellenwert e<strong>in</strong>geräumt wird. Das<br />

Mobilisierungspotential für die Probleme <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> ist recht ger<strong>in</strong>g und muss von außen <strong>in</strong>duziert<br />

werden. Dar<strong>in</strong> liegt das Kernproblem <strong>der</strong> didaktischen Umsetzung. Das heißt jedoch nicht, dass die Schüler »Dritte-<br />

Welt-Themen« pr<strong>in</strong>zipiell un<strong>in</strong>teressant fänden, im Gegenteil, auf <strong>der</strong> phänomenologischen Ebene ist e<strong>in</strong> recht<br />

schnell ansprechendes Interesse leicht zu wecken, weswegen ja län<strong>der</strong>kundliche Berichte, wenn sie anschaulich<br />

451<br />

Zwei Begründungsfaktoren sollten hier dazu kurz genannt werden: <strong>Die</strong> semiperipheren Gesellschaften z.B. <strong>Iran</strong>s verfügen<br />

über e<strong>in</strong> viel ger<strong>in</strong>ger entwickeltes Kommunikationssystem; die Migrationsvorgänge werden daher eher lokal und nicht im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er »nationalen Problemsicht« wie <strong>in</strong> Europa wahrgenommen; dabei spielt die zentrale Verfügung über wesentliche<br />

Propaganda- und Informationsmittel e<strong>in</strong>e große Rolle, ungewünschte Konflikte erst gar nicht <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gen<br />

zu lassen und ggf. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bedeutung herabzuspielen. An<strong>der</strong>erseits ist die Migrationsproblematik <strong>in</strong> vielen Gesellschaften<br />

<strong>der</strong> Semiperipherien dadurch ger<strong>in</strong>ger, dass Verwandschaftsvermutungen (<strong>in</strong> Mitteleuropa würde man von ethnischen<br />

Gruppen sprechen, e<strong>in</strong>er Begrifflichkeit, die nicht das Wesen dieser angenommenen Verwandschaftsb<strong>in</strong>dungen trifft) die<br />

zum<strong>in</strong>dest temporäre Integration erleichtern, wobei die ökonomischen und Sozi<strong>als</strong>tatus-Differenzen zwischen E<strong>in</strong>heimischen<br />

und Migranten oft ger<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d <strong>als</strong> <strong>in</strong> den Industrielän<strong>der</strong>n.<br />

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