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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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1. <strong>Die</strong> „<strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong>“ <strong>in</strong> politischen und didaktischen<br />

Kontexten: E<strong>in</strong> Problemüberblick<br />

Diskurs <strong>in</strong> <strong>der</strong> »Archäologie des Wissens« (1973/1981) das epochal Beson<strong>der</strong>e, das Abschließende und Abzuschließende,<br />

das die Realität <strong>der</strong> Zeitgenossenschaft bestimmt und repräsentiert: das Epistem.<br />

Foucault konstruiert phantastische Spannungsbögen, <strong>in</strong> denen sich die Strukturen auflösen die s<strong>in</strong>guläre Ethik<br />

dem kantschen Allgeme<strong>in</strong>gültigkeitspr<strong>in</strong>zip entgegengestellt wird. Anklänge an Nietzsche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ästhetisierung<br />

<strong>der</strong> Moral unverkennbar. Doch trägt diese Ästhetik e<strong>in</strong>en Anspruch auf Verständnis <strong>in</strong> sich, <strong>der</strong> sich an <strong>der</strong><br />

Repräsentation <strong>der</strong> Epoche <strong>in</strong> ihrer s<strong>in</strong>gulären Hervorbr<strong>in</strong>gung entwickelt. In e<strong>in</strong>em gewissen Wi<strong>der</strong>spruch, wenn<br />

auch eher Spannungsfeld, f<strong>in</strong>det sich Foucaults Konzept <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne und se<strong>in</strong>e Archäologie <strong>der</strong> Geschichte, die für<br />

ihn nicht Realgeschichte, son<strong>der</strong>n die Geschichte ihrer Diskurse über die epochale Realität ist: das Epistem <strong>der</strong><br />

Epoche.<br />

Doch ist diese Erkenntnistheorie <strong>der</strong> Geschichte ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e Ästhetisierung <strong>der</strong> Realität, wie es <strong>der</strong><br />

angedeutete Bezug zu Nietzsche suggerieren könnte, im Gegenteil, Foucault reagiert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verständnis <strong>der</strong><br />

geschichtlichen Inhalte durch die ästhetische Form auf die grundlegenden Machtverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft und<br />

auf die zeitgeschichtliche Erfahrung <strong>der</strong> Perversion <strong>der</strong> Herrschaft, dem das Individuum entgegenzutreten hat:<br />

„Das Konzept <strong>der</strong> Ethik ist <strong>als</strong>o, wenn man von Foucault ausgeht, zuallererst von <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Macht<br />

geprägt, die e<strong>in</strong> soziales Phänomen ist. <strong>Die</strong> Ethik des Individuums soll verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass Machtverhältnisse<br />

zum Stillstand kommen. Im H<strong>in</strong>tergrund stehen für Foucault die historischen Erfahrungen von Faschismus und<br />

Stal<strong>in</strong>ismus, diesen »krankhaften Formen« <strong>der</strong> Macht, diesen blanken Herrschaftszuständen. Aber er denkt<br />

auch an die problematische Entwicklung des mo<strong>der</strong>nen Staates, die politische Lenkung <strong>der</strong> Gesellschaft, die<br />

Rationalisierung und Bürokratisierung. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund fällt se<strong>in</strong>e Aussage: ‚Wir brauchen e<strong>in</strong>e neue<br />

Ökonomie <strong>der</strong> Machtverhältnisse!‘ “ (Schmid 1992.)<br />

Das Instrument, historische Realität <strong>in</strong> diesen Spannungsbögen zu erfahren und zu verstehen, ist <strong>der</strong> (historische)<br />

Diskurs. Damit steht auch Foucault <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> philosophischen Versuche, bed<strong>in</strong>gte – historische o<strong>der</strong><br />

gesellschaftliche – Wahrheitskriterien zu entwickeln und den Wahrheitsbegriff sowohl zu ent-transzendentialisieren<br />

<strong>als</strong> auch zu ent-mythologisieren. Da diese diskursiv bezogene Methode am Verständnis von Inhalten, d.h. letztlich<br />

an s<strong>in</strong>gulären Interpretationen hängt, ist sie anfällig für ganz konkrete Bezweiflungen und Infragestellungen. 76<br />

<strong>Die</strong> Anfälligkeit – Kritiker können daraus auch herleiten: Fragwürdigkeit – des historischen Erkenntniskonzeptes<br />

von Foucault wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufsatz von Ra<strong>in</strong>er Marx deutlich gemacht. Es geht um e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bekanntesten<br />

Interpretationen Foucaults, se<strong>in</strong>er Ausführungen zu Velázquez’ „Las Meniñas“ (1656) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Foucault aus e<strong>in</strong>er<br />

sehr e<strong>in</strong>gehenden Analyse <strong>der</strong> Spiegelungen und Blickrichtungen die Repräsentation <strong>der</strong> höfischen Ordnung<br />

zwischen Maler, dem Hofstaat und dem Herrscher ableitet und auch die Begrenzung <strong>der</strong> Distanzierung und<br />

Reflexionsmöglichkeiten des schöpferischen Subjekts, des Malers, postuliert. Indem nun Marx aus dem Vergleich<br />

mit <strong>der</strong> Palastrealität feststellt, dass „Las Meniñas“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em spiegelverkehrten Raum posieren, wird gegenüber<br />

Foucault e<strong>in</strong>e Reflexions- und Spiegelebene h<strong>in</strong>zugefügt, die das grundlegende Ordnungspr<strong>in</strong>zip des Bildes und<br />

damit <strong>der</strong> Interpretation verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> sogar »auf den Kopf stellt«. Indem Marx die Argumentationsweise Foucaults<br />

systematisch anwendet und weiterführt, kann er zeigen, dass e<strong>in</strong>e eigentlich marg<strong>in</strong>ale Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausgangstatsachen<br />

zu völlig neuen Interpretationsergebnissen führt und führen muss. <strong>Die</strong> Ergebnissicherheit <strong>der</strong> Interpretation<br />

<strong>der</strong> diskursiven historischen Episteme ist daher <strong>in</strong> hohem Maße fraglich, fraglich wie die Möglichkeit, e<strong>in</strong><br />

zutreffendes Bild von dem, was war zu erhalten. Hier wendet sich <strong>der</strong> historische Diskurs, <strong>der</strong> gerade die<br />

Eigenständigkeit <strong>der</strong> historischen Entität gegenüber aktualistischen Realitätssichten postuliert und verteidigt, im<br />

S<strong>in</strong>ne des Erhellens e<strong>in</strong>er geistesgeschichtlichen Stratigraphie des Überlieferten, gegen die Methode selbst, die<br />

damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em philosophischen Kontext absurd wird.<br />

Dass aber gerade <strong>der</strong> heutige Diskurs über die »Archäologie des Wissens« zur Erschließung und zum Verständnis<br />

<strong>der</strong> historischen Diskurse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em letztlich <strong>in</strong>f<strong>in</strong>iten Prozess beitragen kann, erweist auch die kritische<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Foucault, wie sie Ra<strong>in</strong>er Marx exemplifiziert. <strong>Die</strong> Methode ist solange fruchtbar, wie sie<br />

nicht <strong>als</strong> Ersatz für historische und historiographische »Kärrnerarbeit« verstanden wird, son<strong>der</strong>n <strong>als</strong> Annäherung an<br />

e<strong>in</strong>e historische Wahrheit, die um e<strong>in</strong> Vielfaches aufschlussreicher und wertvoller ist, <strong>als</strong> es die Darstellung <strong>der</strong><br />

historischen Fakten alle<strong>in</strong> je se<strong>in</strong> könnte. <strong>Die</strong> diskursive Methode ist e<strong>in</strong>e Methode <strong>der</strong> permanenten Infragestellung<br />

und <strong>der</strong> immanenten und expliziten Selbstbezüglichkeit, die <strong>der</strong> Stratigraphie des Wissens und des Verstehens<br />

immer neue Schichten abr<strong>in</strong>gen kann.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e fasz<strong>in</strong>ierende Idee, nach Abschluss unserer jetzigen Untersuchungen, nun geschult durch den<br />

Entwurf didaktisch-diskursiver Mehrebenenmodelle <strong>der</strong> Realität, die Probleme <strong>der</strong> iranischen Geschichte und ihres<br />

H<strong>in</strong>steuerns auf die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> kulturgeschichtlich zu erweitern und sich <strong>als</strong> historisches Modell<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>haltserschließenden Diskurse des Ansatzes von Foucault zu verschreiben, um aus <strong>der</strong> iranischen Kultur<br />

Entwicklungsmuster abzulesen, die mit <strong>der</strong> europäischen Geschichte, <strong>der</strong> sich Foucault widmete, zu vergleichen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Hier böte sich – aus dem Diskurskonzept entwickelt – die Möglichkeit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkulturell vergleichenden<br />

Kulturgeschichte an, die nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> äußeren Beschreibung <strong>der</strong> Epochen stehen bliebe, son<strong>der</strong>n das Verstehen des<br />

76<br />

Vgl. für die folgenden Überlegungen: Ra<strong>in</strong>er Marx 1999: Foucaults Irrtum. <strong>Die</strong> Repräsentation <strong>der</strong> Repräsentation: Was <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> „Ordnung <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge“ durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>geraten ist.<br />

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